Es war vor allem Yaus Beweis und seine Aktivitäten, die partielle Differentialgleichungen in die Geometrie brachten. Seiner Meinung nach gaben diese analytischen Ansätze den Geometern einen Vorteil gegenüber den Topologen bei der Untersuchung vieler Aspekte.

Gleichzeitig und in einer entgegengesetzten Richtung wurde die Differentialgeometrie durch Ideen von Gromov völlig verändert. Hier war das Ziel, den Zusammenhang zwischen Krümmung und globalen Eigenschaften qualitativ (“grob”) zu verstehen, wobei mit letzteren nicht nur die Topologie, sondern auch metrische Eigenschaften wie Volumen und Durchmesser gemeint waren, sowie Eigenschaften von Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten wie die Dilatation. Gromov meinte später einmal, einen berühmten französischen Schriftsteller zitierend, dass selbst die Wohlgesonnenen ihn für Entdeckungen unter dem Mikroskop beglückwünschten, wo er doch das Teleskop benutzt hatte. Insbesondere verbesserten Gromovs Arbeiten das Verständnis sowohl von Mannigfaltigkeiten nichtpositiver Krümmung wie von positiver oder nichtnegativer Krümmung.

Man kannte bis dahin nur wenige Mannigfaltigkeiten positiver Schnittkrümmung, hatte aber andererseits keine topologischen Hindernisse bis auf die Endlichkeit der Fundamentalgruppe, die sich aus der auch auf die universelle Überlagerung anwendbaren Abschätzung für den Durchmesser ergibt. Selbst für positive Skalarkrümmung hatte man nur ein einziges topologisches Hindernis, nämlich das sich aus dem Atiyah-Singer-Indexsatz für Spin-Mannigfaltigkeiten ergebende Verschwinden des Â-Geschlechts. (Der Indexsatz besagt Â(M)=ind(D) für den Index des Dirac-Operators auf einer Spin-Mannigfaltigkeit. Bei positiver Skalarkrümmung hat man wegen der Lichnerowicz-Ungleichung keine harmonischen Spinoren, demzufolge ker(D)=0, entsprechend koker(D)=ker(D*)=0, und damit ind(D)=0, was nach dem Indexsatz das Verschwinden des Â-Geschlechts bedeutet.) Gromov und Lawson bewiesen, dass eine Chirurgie der Kodimension mindestens 3 an einer Mannigfaltigkeit positiver Skalarkrümmung wieder eine Mannigfaltigkeit positiver Skalarkrümmung gibt. Damit wurde die Existenz von Metriken positiver Skalarkrümmung zu einem topologischen Problem. Beispielsweise konnten sie beweisen, dass Mannigfaltigkeiten nichtpositiver Schnittkrümmung nicht gleichzeitig eine Metrik positiver Skalarkrümmung tragen können.
Eine andere Richtung für Mannigfaltigkeiten positiver Schnittkrümmung waren Verbesserungen des Sphärensatzes. Grove und Shiohama hatten eine Variationsrechnung für die (nicht differenzierbare) Abstandsfunktion entwickelt und sie (anstelle der Morse-Theorie) benutzt, um eine Version des Sphärensatzes mit unterer Schranke für den Durchmesser statt oberer Krümmungsschranke zu beweisen. Gromov bewies unter Verwendung des Satzes von Toponogow, dass man nur eine beschränkte Anzahl kritischer Punkte der Abstandsfunktion in geometrisch steigendem Abstand haben kann und bekam damit dann eine Abschätzung für die Dimension der Homologiegruppen gegen Krümmung und Durchmesser. (Für n-Mannigfaltigkeiten nichtnegativer Schnittkrümmung stellte er die explizitere Vermutung auf, dass ihre Homologiegruppen höchstens die Dimension der Homologiegruppen des n-dimensionalen Torus haben. Das würde aus der Bott-Vermutung der rationalen Homotopietheorie folgen.)

Auch Mannigfaltigkeiten nichtpositiver Krümmung hatte man bisher überhaupt nicht verstanden. Ein klassisches Resultat war der Satz von Cartan-Hadamard, dass die universelle Überlagerung zusammenziehbar ist, womit die Klassifikation auf das scheinbar algebraische Problem der Klassifikation der möglichen Fundamentalgruppen reduziert wird. Vielleicht auch motiviert von Thurstons Ansätzen zur Hyperbolisierung von 3-Mannigfaltigkeiten beschäftigte sich Gromov Ende der 70er Jahre besonders mit Mannigfaltigkeiten negativer Krümmung und mit Wirkungen diskreter Iometriegruppen auf den universellen Überlagerungen. Zum Beispiel bewies er Abschätzungen für die Betti-Zahlen gegen geometrische Größen oder eine Verallgemeinerung von Mostows Starrheitssatz, derzufolge nichtpositiv gekrümmte Mannigfaltigkeiten homotopie-äquivalent zu einem irreduziblen lokal-symmetrischen Raum höheren Rangs isometrisch zu diesem sein müssen. Letzteres wurde dann verbessert durch den von Ballmann und wenig später Burns-Spatzier bewiesenen Rangstarrheitssatz, demzufolge nichtpositiv gekrümmte Mannigfaltigkeiten höheren Rangs sehr speziell sein müssen: die universelle Überlagerung ist entweder ein Produkt oder ein symmetrischer Raum. In Dimensionen ungleich 3 konnte Gromov für Mannigfaltigkeiten mit oberer und unterer negativer Krümmungsschranke eine Verbesserung von Cheegers Endlichkeitssatzes zeigen, nämlich dass es nur endlich viele Mannigfaltigkeiten beschränkten Volumens (ohne Annahme für den Durchmesser) gibt. In Dimension 3 stimmt das nicht, denn Thurston hatte bewiesen, dass man durch Chirurgie an einem hyperbolischen Knoten unendlich viele hyperbolische Mannigfaltigkeiten bekommt, deren Volumen kleiner als das Volumen des Knotenkomplements ist.

1 / 2 / 3

Kommentare (7)

  1. #1 Joachim
    8. Mai 2021

    Meine Frau meinte, mit einem Blick auf den Text, dazu dass ich das lese: “Jetzt geht es aber mit dir durch”.

    Aber Stringtheorie, “gekräuselte” Dimensionen und “sowas” haben mich schon (fast) immer interessiert. Mit 14(?) habe ich meinen ersten Hypercube gelötet (natürlich das 3d-Abbild aus einem wohl gewähltem Blickwinkel). Natürlich hat das nichts mit Mannigfaltigkeit, noch nicht einmal mit riemannschen Flächen zu tun. Nun hat Tilo es also geschafft, dass ich da mal (wieder) genauer nachschaue.

    Ich melde mich dann so cirka in einem halben Jahr mal wieder. Wenn nichts dazwischen kommt. Bis dann 😉

    Echt man, das hast du alles im Kopf? Respekt. Ist ja wie Rock’n’Roll.

  2. #2 Johannes
    9. Mai 2021

    Wie kommt man auf die kanonische Metrik für eine algebraische Varietät? Gibt es eine Möglichkeit diese rein aus den algebraischen “Zutaten” zu bestimmen?

  3. #3 Thilo
    9. Mai 2021

    Die kanonische Metrik ist die mit konstanter Ricci-Krümmung, deren Existenz Yau bewiesen hat. (Projektive Varietäten haben als Untermannigfaltigkeiten des CP^n eine Kähler-Metrik, aber die ist erstmal nicht kanonisch, weil man dieselbe Varietät auf unterschiedliche Weisen in den CP^n einbetten kann.) Yaus kanonische Metriken bekommt man als Lösungen einer partiellen Differentialgleichung, insofern wird die Konstruktion aus der algebraischen Definition vielleicht nicht so einfach sein, vermute ich mal.

  4. #4 Johannes
    11. Mai 2021

    @Thilo
    danke. Hast du eine Referenz für die Differentialgleichung die auftritt?

  5. #5 Thilo
    11. Mai 2021

    Das ist Gleichung 0.4. in Yaus Arbeit (online in https://jasonpayne.webs.com/Math5339/On%20the%20Ricci%20Curvature%20of%20a%20Compact%20Kahler%20Manifold%20and%20the%20Complex%20Monge-Ampere%20Equation%20I,%20S.T.%20Yau.pdf )
    Man geht von einer Kähler-Metrik g_ij aus (durch die Einbettung der Varietät in CP^n gegeben) und hat dann diese Differentialgleichung für eine Funktion phi, so dass g_{ij}+\frac{\partial^2\phi}{\partial z_i\partial\overline{z}_j} die gesuchte Metrik ist.

  6. #6 Johannes
    11. Mai 2021

    @thilo vielen Dank.

  7. […] zum Hardy-Raum Die LBB-Bedingung Die Weil-Vermutungen Der Superstarrheitssatz Der Vier-Farben-Satz Die Calabi-Vermutung Thurstons Satz über hyperbolische Dehn-Chirurgie Irrationalität von Zeta(3) Shelahs Main Gap Die […]