Kontsevich entwickelte auch die Methode der Toruslokalisierung, um Mirrorsymmetrie anzugehen, und er konnte insbesondere die Zahlen Nd durch eine komplizierte Summation über Graphen berechnen. Alexander Givental bewies dann die als Anwendung der Mirrorsymmetrie vermutete Interpretation der Nd durch eine klassische Differentialgleichung, sein Hauptwerkzeug war eine explizite Lokalisierungsformel in äquivarianter Kohomologie (für die natürliche Toruswirkung auf dem Modulraum des CPn). Sein Beweis war nicht leicht zu verstehen, aber die Fachleute waren überzeugt von seiner Korrektheit.

Im Jahr darauf gab Liu, ein früherer Student Yaus, einen Vortrag in Harvard, wo er seine gemeinsame Arbeit mit Yau und Lian (ebenfalls ein früherer Student Yaus) vorstellte. Die Zuhörer fanden, die Argumente seien identisch mit denen Giventals, während Liu diesen nur in einer Reihe weiterer Mathematiker erwähnte, auf deren Vorarbeiten ihre Arbeit aufbauen würde. Auch in ihrer dann erscheinenden Serie von Preprints war das ähnlich formuliert. Etwa zu dieser Zeit erhielt dann auch Givental eine e-Mail von Yau, in der dieser ihm mitteilte, seine Argumente seien unvollständig und unverständlich, ihm gleichzeitig für seine geniale Idee dankte und die Preprints ankündigte. Die Experten kamen jedoch nach einigen Monaten zu dem Schluß, dass die Argumente dieselben wären und Giventals Beweis vollständig sei. Der Beweis der Chinesen habe nur die analytischen Details ausgearbeitet. Die waren freilich ziemlich schwer und von Givental teils dem Leser überlassen worden.

Grundlegend für die Theorie der Gromov-Witten-Invarianten sind die Invarianten der projektiven Gerade CP1. Diese wurden durch Arbeiten von Okunkow und Pandharipadne verstanden.

Partitionen, also Zerlegungen einer natürlichen Zahl n in positive ganze Zahlen, kommen in der Mathematik überall vor. In der Darstellungstheorie entsprechen die irreduziblen Darstellungen der symmetrischen Gruppe Sn den Partitionen von n. Diese werden durch Young-Tableaus veranschaulicht, in denen jeweils die entsprechende Anzahl Einheitsquadrate für jeden Summanden der Partition verwendet wird. Wenn man dieses Diagramm um 135 Grad gedreht und mit n-1/2 auf Fläche 1 normiert wird, dann erhält man den Graphen einer stückweise stetigen Funktion.

Die Gleichverteilung auf der Menge der irreduziblen Darstellungen von Sn kann man so als Maß auf der Menge der Funktionen auffassen. Und man kann fragen, was der Grenzwert für n gegen Unendlich ist. Verschiedene Mathematiker hatten in den 70er Jahren gezeigt, dass der Grenzwert ein auf einem Punkt (also einer Funktion) konzentriertes Maß ist. Die Grenzfunktion ist \Omega(x)=\left\{\begin{array}{cc}\frac{2}{\pi}(x\arcsin\frac{x}{2}+\sqrt{4-x^2})&\vert x\vert\le 2,\\  \vert x\vert&\vert x\vert\ge 2.\end{array}\right\}
Über die Asymptotik der Maße für große n war einiges bewiesen worden, intensive Untersuchungen und numerische Experimente gab es insbesondere zum Verhalten nahe der Ränder des Intervalls (-2,2). Die Baik-Deift-Johansson-Vermutung besagte, dass man hier dasselbe Verhalten hat wie bei den Eigenwerten zufälliger komplexer konjugiert-symmetrischer Matrizen. Diese Vermutung wurde 1999 von André Okunkow bewiesen und nahm verschiedene Ideen seiner späteren Arbeiten über Gromov-Witten-Invarianten vorweg. Okunkow hatte 1995 an der Lomonossow-Universität über Darstellungstheorie promoviert und ging nach seiner Dissertation zahlreiche weitere Probleme mit seinen Methoden an. In Berkeley arbeitete er mit Reshetikhin über Dimerkonfigurationen von Graphen, nach Princeton gewechselt dann mit Pandharipadne über abzählende Geometrie. Insbesondere interessierten sie sich für die Gromov-Witten-Invarianten einer symplektischen Mannigfaltigkeit X. Formal definiert als Integral der konstanten Funktion 1 über die virtuelle Fundamentalklasse des Modulraums der stabilen Abbildungen einer Fläche vom Geschlecht g in die Mannigfaltigkeit X, kann man dann die Partitionsfunktion Σβ≠0 Σg≥0 Ng,β u2g-2 vβ betrachten.

Donaldson und Thomas hatten andere Invarianten von Schemata definiert, die ebenfalls als Integral von 1 über die virtuelle Fundamentalklasse eines Modulraums definiert waren. Sie betrachteten den Modulraum der idealen Garben (d.h. torsionsfreie Garben vom Rang 1 mit trivialer Determinante) von fester holomorpher Charakteristik n und deren Quotient OX/I isomorph zu OY für ein Unterschema Y sind, dessen maximale Komponenten einer Homologieklasse β entsprechen. Auch hier hat man eine Partitionsfunktion und in einer gemeinsamen Arbeit von Maulik, Nekrasow, Okunkow und Pandharipadne wurde vermutet, dass sie bei 3-Faltigkeiten durch eine Variablentransformation aus der Partitionsfunktion der Gromov-Witten-Invarianten hervorgeht. Sie bewiesen dies in Spezialfällen.

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Kommentare (4)

  1. #1 Cobi
    29. Oktober 2021

    Danke für den schönen Artikel!
    Ich frage mich jedes Mal, wie viel Zeit du in die Recherche investiert oder ob du einfach über ein derart breites mathematisches Wissen verfügst?
    Eine kurze Bemerkung, welche in dem Text glaube ich nicht erwähnt wurde:
    Die Gromov-Witten invarianten erlauben im allgemeinen keine direkte enumerative Interpretation, da der moduli stack der stabilen Abbildungen orbifold Singularitäten aufweist. Die GW-Invarianten sind daher rational und nicht integral.
    Aus physikalischer sicht wurde dieser Schönheitsfehler, zumindest für Calabi-Yau 3-folds, 1998 von Gopakumar und Vafa behoben. Diese haben die generierende Funktion der GW-Invs., also die topological string A-model partition function, über string dualitäten als generierende Funktion bestimmter gewichteter summen der Multiplizitäten von BPS (i.e. supersymmetrie erhaltenden) Teilchen in der 5-dimensionalen effektiven Theorie welche aus M-theorie auf der Calabi-Yau entsteht interpretiert.
    Diese Gopakumar-Vafa invarianten sind manifest integral aber noch immer nicht zufriedenstellend mathematisch definiert.
    Allerdings wurde dieses Jahr der Beweis der “Gopakumar-Vafa conjecture” (von Bryan und Pandharipande 2001 formuliert) von Doan, Ionel und Walpuski vervollständigt.
    Diese besagt im Prinzip, dass die Invarianten welche man anhand der Gopakumar-Vafa Formel aus der generierenden Funktion der GW Invarianten extrahiert integral sind und eine bestimmte vanishing condition erfüllen, welche man physikalisch erwartet.
    Persönlich interessieren mich besonders die modularen Eigenschaften der generating function auf torus gefaserten Calabi-Yau Mannigfaltigkeiten. Diese lassen sich zu bestimmten auto-äquivalenzen der derivierten Kategorie der quasi kohärenten Garben (physikalisch die Kategorie der topologischen B-Branen) in bezug setzen und die Fortschritte in diesem Bereich wurden bis jetzt wieder in erster Linie mit string theoretischen Methoden erzielt.

  2. #2 Thilo
    29. Oktober 2021

    Ein bißchen Arbeit steckt schon in den Artikeln 🙂

  3. #3 rolak
    29. Oktober 2021

    Ein bißchen Arbeit

    Herewith proposed for the award ‘SB-understatement 2021’ 😉

  4. #4 Theorema Magnum – Mathlog
    19. Februar 2022

    […] Skalierungslimit schleifenbereinigter Irrfahrten Die Langlands-Korrespondenz für Funktionenkörper Die Gromov-Witten-Invarianten der projektiven Gerade Die Poincaré-Vermutung Der Satz von Green-Tao Die Mirzakhani-McShane-Identitäten Die […]