Im ZDF läuft heute Abend die Free-TV-Premiere des Films über Winston Churchill, dem ja unter anderem das Zitat zugeschrieben wird, Prognosen seinen schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. So wahr das zweifellos ist, kann es trotzdem interessant sein, sich anzuschauen, wie in mathematischen Modellrechnungen verschiedene Parameter die Ergebnisse beeinflussen. In dem Medrxiv-Preprint “ Age-stratified model of the COVID-19 epidemic to analyze the impact of relaxing lockdown measures: nowcasting and forecasting for Switzerland” haben Fadoua Balabdaoui und Dirk Mohr zu berechnen versucht, wie sich unter anderem Maßnahmen an Schulen auf die für den Herbst zu erwartende zweite Welle der Corona-Pandemie in der Schweiz auswirken würden. Es handelt sich dabei natürlich nur um mathematische Modelle, die ähnlich dem Wetterbericht die bisher gemessenen Daten weiter fortschreiben (und es wird wohl auch nicht auf die in den letzten Tagen diskutierte Frage eingegangen, ob Kinder die Krankheit vielleicht seltener übertragen als bisher gedacht), aber zumindest kann man mit solchen Berechnungen ein gewisses Gefühl für die Dynamik des Prozesses bekommen.

Das Ergebnis kurz zusammengefasst: die Modellrechnung prognostiziert für die zweite Welle eine flachere Kurve, aber eine hôhere Todesrate, für die Schweiz (mit 1600 Toten in der ersten Welle) berechnet sie unter den Annahmen “jetzige Abstandsregeln, 30 Prozent Heimarbeit, normaler Schulbetrieb ohne Schutzmaßnahmen” 5000 Tote, während eine Halbierung der Übertragung an Schulen (durch Abstandsregeln und Hygiene) die Zahl auf 1000 reduzieren würde. Das, wie gesagt, nur eine mathematische Modellrechnung, die nicht auf die eigentlichen epidemiologischen Fragen zur Verbreitung des Virus eingeht und insbesondere die jüngeren Debatten über die Rolle von Kindern bei der Verbreitung der Epidemie noch nicht berücksichtigt.

Die Arbeit ist frei zugänglich auf https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.05.08.20095059v2.full.pdf+html.

Kommentare (3)

  1. #1 Gerald Fix
    2. Juni 2020

    Sorry für fast-off-topic, aber:

    Churchill war es wohl nicht, wie Krieghofer belegt

  2. #2 Karl Mistelberger
    mistelberger.net
    2. Juni 2020

    Für so Triviales hatte Churchill nie Zeit. Was die Zukunft betrifft war er weitsichtig:

    If I read the future aright Hitler’s government will confront Europe with a series of outrageous events and ever-growing military might. It is events which will show our dangers, though for some the lesson will come too late.

    Letter to Lord Londonderry (6 May 1936), quoted in Martin Gilbert, Prophet of Truth: Winston S. Churchill, 1922–1939 (London: Minerva, 1990), p. 733

  3. #3 Dr. Webbaer
    3. Juni 2020

    Modellrechnungen dieser Art sind nicht schlecht, sogar alternativlos, der hier gemeinte Primat kann sich nicht anders im Prädiktorischen bemühen, der Stochastiker (“Ratelehrer”) lebt davon, hat aber gewisse Probleme mit der Zukunft, und auch der Statistiker hat bereits Probleme mit der Erfassung von Datenlage, die immer nur näherungsweise, ausschnittsartig und (!) an Interessen gebunden erfolgen kann.

    Insofern ist neben der oben vom Schreiber dieser Zeilen ein wenig despektierlich behandelten Ex Ante-Sicht auch die Ex-Post-Sicht interessant, vglw. besonders interessant, Dr. Webbaer bringt zur epidemiologischen Datenlage gerne diesen Webverweis auf offizielle Daten-Aggregation i.p. sog. Übersterblichkeit hinsichtlich “Corona” bei :

    -> https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/ (eine Ex-Inter-Sicht sozusagen bzw. könnte die webverwiesene Datenlage zu Ex Inter-Sichten einladen, zu ihrer Bildung)

    Und es hat sich da sozusagen zu Ende gestorben, wobei Dr. W hier nicht verharmlosen will, sondern relativieren.

    Neben den Ex Ante- und den Ex Post-Sichten gibt es noch sozusagen Ex Inter-Sichten (schon weiter oben kurz genannt), diese sind gegenwartsorientiert und werden nicht selten vernachlässigt.

    Und ja, Dr. Webbaer sieht gerade, dass sich auch der (hier) hochgeschätzte Mitkommentator Dr. Mistelberger kurz gemeldet hat, ja!, es gibt Personen, die sozusagen besser in die Zukunft schauen können und andere, die dies schlechter tun, was mit einem Generalismus-Talent zusammenhängt, letztlich aber stets kritisch und dem allgemeinen Diskurs zu unterwerfen bleibt, nicht in seiner individuellen Bestimmung natürlich, sondern nur ergänzend im Sinne der gemeinsamen Bearbeitung.

    In der Wirtschaft, dort wo viel, se-ehr viel mit Datenlagen und möglichen unternehmerischen Konsequenzen gearbeitet wird, scheint man diesbezüglich, also die Arbeit mit der Prognostik meinend, deutlich weiter zu sein als im gemein Politischen, was einige vielleicht überrascht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer