Die Definition der Homotopiegruppen wurde auf der Konferenz von Hurewicz vorgeschlagen. Alexander meinte dazu, das habe er schon vor vielleicht zwanzig Jahren in Betracht gezogen, er hätte aber gefunden, das sei zu einfach und könne nicht zu tiefen Resultaten führen. Auch Čech hatte schon drei Jahre zuvor auf dem ICM in Zürich über diese Definition gesprochen, das Projekt aber aufgegeben nachdem ihn jemand darauf hinwies, dass diese Homotopiegruppen immer kommutativ sind und deshalb nichts Interessantes geben könnten. Hurewicz vermutete nun aber in seinem Vortrag, dass die Homotopiegruppen einer geschlossenen Mannigfaltigkeit ihren topologischen Typ bis auf Homööomorphismus festlegen. (Das dies nicht der Fall ist, zeigte Kurt Reidemeister bald danach mit seiner Arbeit über Linsenräume. Whitehead bewies aber später, dass die Homotopiegruppen immerhin den Homotopietyp geschlossener Mannigfaltigkeiten festlegen.)
Tatsächlich waren manche Homotopiegruppen schon vor ihrer Definition berechnet worden. Heinz Hopf hatte 1930 die Abbildungen S3—->S2 mittels der Verschlingungszahl ihrer Fasern beschrieben; Pontrjagin bewies dann, dass diese Invarianten die Homotopieklassen klassifizieren und damit in der jetzt eingeführten Sprache der Homotopiegruppen, dass π3S2= Z ist.

Hopf selbst präsentierte auf der Konferenz Ergebnisse seines Studenten Eduard Stiefel über die Existenz linear unabhängiger Vektorfelder auf einer Mannigfaltigkeit. Dieselben Resultate hatte auch Whitney präsentieren wollen, Stiefels Ergebnisse waren jedoch besser; zum Beispiel konnte er beweisen, dass alle orientierbaren 3-Mannigfaltigkeiten parallelisierbar sind. Andererseits hatte Whitney eine viel allgemeinere Definition charakteristischer Klassen für beliebige Bündel. Sowohl Stiefel als Whitney definierten ihre charakteristischen Klassen als Homologieklassen des Ausartungslokus eines Tupels von Vektorfeldern in allgemeiner Lage. Die Idee, diese charakteristischen Klassen über die klassifizierende Abbildung und die Kohomologie der Graßmann–Mannigfaltigkeit zu definieren, hatte erst einige Jahre später Pontrjagin. (Womit dann auch die Theorie charakteristischer Klassen die neue Kohomologietheorie benutzte.)

Whitney bemerkte auch, dass er Hopfs Klassifikation der Homotopieklassen von Abbildungen eines n-dimensionalen Komplexes X nach Sn besser mit Klassen in der Kohomologie darstellen konnte. Hopf hatte Homologiegruppen benutzt und durch die mögliche Torsion in Hn-1(X;Z) ein ziemlich kompliziertes Theorem formulieren müssen. Whitney nutzte stattdessen Kohomologie, ordnete jeder Abbildung f:X—>Sn das Zurückgezogene des Erzeugers von Hn(Sn;Z) zu und bekam eine Bijektion der Homotopieklassen von Abbildungen mit der Kohomologie Hn(X;Z). Das war vielleicht die erste wirkliche Anwendung der Kohomologiegruppen.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:TikhonovAndreyNikolayevich_Moscow1935.tif

1 / 2

Kommentare (6)

  1. #1 Beobachter
    17. Juli 2020

    Gibt es in der Geschichte der Mathematik so gar keine bedeutenden Mathematikerinnen –
    außer Emmy Noether ?

    Ich sehe hier in dieser Beitragsreihe immer nur Porträt-Fotos von Mathematikern …

  2. #2 rolak
    17. Juli 2020

    gar keine bedeutenden Mathematikerinnen?

    Beobachte doch mal die KomplettZahlen ‘Studentinnen in D’, beobachte genauer die Titel dieser ArtikelReihe und entscheide, ob diese Frage von Dir tatsächlich sinnvoll war.

  3. #3 Thilo
    17. Juli 2020

    Für den Zeitraum vor ´45 war Emmy Noether schon ziemlich singulär. Wenn ich zeitlich weiter zurück ins 19. Jahrhundert gegangen wäre, hätte ich vielleicht noch über Kowalewskajas Kreiseltheorie schreiben können.

  4. #4 Beobachter
    17. Juli 2020

    @ rolak:

    Gott sei Dank kann man tatsächlich aus verschiedenen sinnvollen Blickwinkeln beobachten.
    Der deinige muss nicht der einzig (vermeintlich) “richtige, wahre” sein. 🙂

  5. #5 Beobachter
    1. August 2020

    Zu “Bedeutende Frauen in den Naturwissenschaften”:

    Z. B. Rosalind Franklin, Biochemikerin, 1920 – 1958,
    potentielle Nobelpreisträgerin:

    https://www.deutschlandfunk.de/die-biochemikerin-rosalind-franklin-wegweisend-fuer-die.871.de.html?dram:article_id=481178

    siehe auch nebenan:

    https://scienceblogs.de/wissenschaftsfeuilleton/2020/07/31/rosalind-franklin/

  6. […] von Brauer-Hasse-Noether Das Fundamentallemma der mathematischen Statistik Pontrjagin-Dualität Der Satz von Tichonow Der Einbettungssatz von Whitney Der Satz von Winogradow Der Sobolewsche Einbettungssatz Der Satz […]