Schwache Lösungen waren schon früher betrachtet worden, das Konzept des Funktionals ging auf Hadamard zurück. Sergei Sobolew war dann aber der erste, der in seinen Arbeiten über hyperbolische Differentialgleichungen dieses Konzept ausarbeitete und systematisch anwandte.
Aus der Hölder-Ungleichung folgt, dass für 1/p+1/q=1 der Raum der Lq-Funktionen das Dual des Raums der Lp-Funktionen ist, wobei die Dualität durch Integration des in L1 liegenden Produktes realisiert wird. Man betrachte nun nur Funktionen mit kompaktem Träger, die also im Unendlichen verschwinden. (Für solche Funktionen folgt aus Differenzierbarkeit automatisch die Lq-Bedingung.) Wenn die Funktionen f aus Lp und g aus Lq differenzierbar wären, hätte man durch partielle Integration die Identität . Daraus ergibt sich dann die Idee, auch für nicht-differenzierbare Lp-Funktionen f ihre Ableitung durch diese Identität zu definieren, wobei man g nun alle differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger (die dann ja automatisch Lq sind) durchlaufen läßt. Für eine Differentialgleichung sucht man dann nur nach schwachen Lösungen, also nach Lp-Funktionen, die in diesem Sinne differenzierbar sind und die in diesem Sinne (also im Dualraum von Lq) die Differentialgleichung lösen.
Die Crux dieses Ansatzes ist, dass man auf diese Weise häufig nicht nur schwache, sondern auch “echte” Lösungen der Differentialgleichung bekommt. Sobolew bewies nämlich mittels Normabschätzungen einen Einbettungssatz: sobald (für die Dimension d des zugrundeliegenden Raumes) die Ungleichung k-d/p > m gilt, hat man eine stetige Einbettung des Raums Wk,p der k-fach differenzierbaren Lp-Funktionen (mit der naheliegenden Norm, in der er dann die Vervollständigung des Raums der unendlich oft differenzierbaren Funktionen ist) in den Raum der Cm-Funktionen. Mit anderen Worten: jede im obigen Sinne k-fach differenzierbare Lp-Funktion ist eine Cm-Funktion, also m-mal “echt” differenzierbar.
Um eine Differentialgleichung m-ter Ordnung mit m-fach differenzierbaren Funktionen zu lösen, mußte man also nur k groß genug wählen – so dass k-d/p>m – und dann die entsprechende Differentialgleichung für k-fach differenzierbare Lp-Funktionen lösen. Der neue Ansatz demzufolge: finde schwache Lösungen einer Differentialgleichung und beweise anschließend ihre Regularität. Weiter hat man nach dem Satz von Rellich-Kondrachov für passende p,q kompakte Einbettungen von W1,p in Lq (der klassische Fall bei Rellich war p=q=2), was nützlich sein kann, um mit dem Schauderschen Fixpunktsatz Lösungen von Differentialgleichungen zu bekommen.
Wenn man beispielsweise nach (zweimal differenzierbaren) Lösungen von Δu=0 sucht, dann verschwindet einerseits das Integral von grad(u).grad(φ), was aber immer noch u einmal differenzerbar voraussetzt, und aber auch das Integral von u.Δφ, was für jede L2-Funktion u Sinn macht. Ein zu dieser Zeit von Hermann Weyl bewiesenes Lemma für die Gleichung Δu=0 zeigt, dass selbst diese schwächstmögliche Formulierung noch klassische Lösungen liefert.
(Später fand man heraus, dass man für elliptische Operatoren D oft eine Ungleichung der Form beweisen kann. Für Lösungen von Df=0 hat man also aus der Endlichkeit der W2,k-Norm automatisch auch die Endlichkeit der W2,k+1-Norm. Die L2-Lösungen gehören also zu allen W2,k (man spricht von “bootstrapping”, sich selbst an den Schuhen hochziehen) und mit dem Sobolewschen Einbettungssatz bekommt man die C∞-Eigenschaft der Lösungen elliptischer Gleichungen. Das wurde aber erst in den 50er Jahren von Lars Gårding bewiesen.)
Mit Sobolews Ansatz bekam man im Prinzip beliebig gute Differenzierbarkeitsresultate, aber keine Analytizität. Hilberts ursprüngliches Problem über Analytizität der Lösungen elliptischer partieller Differentialgleichungen war im Laufe der Jahre in verschiedener Hinsicht verallgemeinert worden. Einen gewissen Höhepunkt erreichten diese Verallgemeinerungen dann mit der Arbeit von Morrey, der einen allgemeinen Regularitätssatz für quasi-lineare elliptische partielle Differentialgleichungen bewies. Dabei führte er ähnliche Funktionenräume wie Sobolew ein.
Sobolews Arbeiten brachten ihm in der Sowjetunion große Anerkennung. Nachdem er schon mit 27 Jahren die Abteilung für Differentialgleichungen am Steklow-Institut geleitet hatte, wurde er mit 31 Jahren Vollmitglied der Akademie und blieb dort viele Jahre das jüngste Mitglied. Nach Kriegsausbruch wurde er dann bis zum Kriegsende Direktor des Instituts und war in dieser Zeit in das Atombombenprojekt eingebunden. Als einer der ersten sah er die Bedeutung des Wissenschaftlichen Rechnens und der Kybernetik voraus. Dabei formulierte er deren Probleme aber stets im Rahmen der theoretischen Mathematik: “Die numerische Mathematik ohne Banach-Räume zu begreifen ist ebenso unmöglich wie sie ohne Rechenmaschinen zu begreifen.” In der Grundlagenforschung war er aber während des Krieges und in den Jahren danach nicht aktiv, seine Arbeiten blieben im Westen unbekannt.
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