Mittels des 1938 bewiesenen Einbettungssatzes von Sobolew kann man für viele Differentialgleichungen beweisen, dass schwache Lösungen tatsächlich reguläre (differenzierbare) Lösungen sind. Mit einem ähnlichen Ansatz bewies Morrey 1938 die Analytizität der Lösungen elliptischer Differentialgleichungen, was sich aber nicht auf Differentialgleichungssysteme übertragen läßt. In den 50er Jahren hatten de Giorgi, Nash und Moser gezeigt, dass Elliptizität die richtige Bedingung für eine Regularitätstheorie skalarer Differentialgleichungen in Divergenzform ist. Insbesondere hatte man daraus die Regularität für Minimierer konvexer Integrale herleiten können, was später noch partiell auf quasikonvexe Integrale verallgemeinert worden war. Für Systeme -div σ(Dv)=0 gab es Regularitätssätze für monotone und allgemeiner quasimonotone σ und man erwartete, dass Regularität auch in anderen Situationen gelten sollte. In den 90er Jahren hatten dann aber S. Müller und Šverák mittels konvexer Integration überraschende 2-dimensionale Lösungen von -div σ(Dv)=0 gefunden, die zwar Lipschitz-stetig sind und kompakten Träger haben, aber nirgends stetig differenzierbar sind. Diese konnten sie als Variationsgleichung eines Integrals ∫f(Dv)dx bekommen, in dem f glatt und in einem von Morrey eingeführten Sinne sogar gleichmäßig quasikonvex ist. Anders als frühere Gegenbeispiele zu Regularitätssätzen versuchten sie nicht, punktweise Singularitäten zu finden, sondern benutzten, dass die Gleichung mit gewissen großen Oszillationen von Dv kompatibel ist, während kleine Oszillationen glatt sein müssen.
Von de Lellis und Székelyhidi wurden diese Methoden zur Konstruktion unerwarteter Lösungen mittels konvexer Integration auf die Euler-Gleichung der Hydrodynamik angewendet. Sie schrieben die Gleichung in eine Differentialinklusion um und entwickelten eine Iterationsprozedur zur Konstruktion stetiger dissipativer Lösungen.

Die von Scheffer und Schnirelman in den 90er Jahren bewiesene Existenz schwacher Lösungen der Euler-Gleichung, welche sich plötzlich ohne äußere Anregung aus einem Zustand der Ruhe zu turbulentem Verhalten hochschaukeln können (entgegen aller physikalischer Erfahrung und den Energieerhaltungssatz verletzend), hatte man bisher als Beispiel für das Auftreten unphysikalischer Lösungen bei zu schwachen Lösungsbegriffen gesehen. Mit ihren Arbeiten konnten de Lellis und Székelyhidi diese Lösungen in eine allgemeine Theorie einordnen, die sich auch auf andere Gleichungen anwenden ließ. Man hatte bei den unphysikalischen Lösungen dieselbe Nichteindeutigkeit (oder Flexibilität) wie bei den von Gromov und anderen behandelten geometrischen Problemen, sobald dort die Regularitätsbedingungen hinreichend abgeschwächt werden.

Die Arbeiten zur Euler-Gleichung von de Lellis und Székelyhidi mit verschiedenen Koautoren, insbesondere Buckmaster und Isett, kulminierten in einem Resultat, dass der vor mehr als sechzig Jahren von Onsager vorhergesagten anormalen Dissipation schwacher Lösungen als Konsequenz einer Energiekaskade eine mathematisch präzise Form gab. Für schwache Lösungen, die die Hölder-Stetigkeitsbedingung Iv(x,t)-v(y,t)I<CIx-yIθ mit θ>1/3 erfüllen, ist die Energie E(t) konstant – das war schon lange bekannt. Das neue Resultat, welches Isett in der 2018 in den Annals of Mathematics veröffentlichten Arbeit „A proof of Onsager’s conjecture“ dann mit der richtigen Skalierung bewies, besagte: wenn die Bedingung mit θ<1/3 erfüllt ist, dann gibt es Lösungen, für die E(t) nicht konstant ist. Sein Beweis kombinierte die von de Lellis und Székelyhidi entwickelte konvexe Integration mit neuen Verklebetechniken für Lösungen. Für Isetts Lösungen war die kinetische Energie E(t) nicht konstant, aber auf beliebig kleinen Zeitintervallen nicht monoton. Offen blieb, ob es Lösungen gibt, für die die Energie dissipativ ist, d.h. E(t) streng monoton fallend. Das beantworteten Buckmaster, de Lellis, Székelyhidi und Vicol dann in der 2019 in Communications in Pure and Applied Mathematics veröffentlichten Arbeit „Onsager’s conjecture for admissible weak solutions“. Mit einer Modifikation von Isetts Ansatz fanden sie eine allgemeine Konstruktion schwacher Lösungen und ein h-Prinzip, womit man sah, dass die dissipativen Lösungen keine isolierten Beispiele, sondern in gewisser Weise typisch sind.

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