Wir setzen unsere Reihe fort mit einem Beitrag über Sphären und platonische Körper.

Im letzten Teil hatten wir das 2. Kapitel von O’Shea besprochen, insbesondere die Frage, seit wann man weiß, daß die Erde eine Sphäre ist.

Eine ‘runde’ (2-dimensionale) Sphäre ist der Rand einer 3-dimensionalen Kugel. Daneben bezeichnet man in der Topologie auch solche Flächen als Sphären, die durch stetige Verformungen (also ohne Schneiden und Kleben) aus einer ‘runden’ Sphäre hervorgehen.

Bekanntlich ist die Erde an den Polen abgeplattet ist, also keine perfekt runde Sphäre. (Außerdem hat sie ein Gebirgsrelief und ist natürlich schon deshalb nicht perfekt rund.)

Interessanterweise hat Kolumbus, der ja ursprünglich wie alle Gebildeten seiner Zeit von einer runden Erde ausging, später auf Grund seiner Reisedaten Zweifel bekommen. Er glaubte ja bis zum Ende seines Lebens, die Gewürzinseln erreicht zu haben, konnte die Länge seines Weges dorthin aber nicht mit dem wesentlich weiteren Weg um Afrika zusammenbringen. Weil die Daten mit der Annahme einer runden Erde nicht zusammenpassten, glaubte er am Ende seines Lebens die Erde habe eine Birnenform, die Südhalbkugel habe also einen deutlich größeren Umfang als die Nordhalbkugel.

O’Shea kommentiert diese, aus heutiger Sicht natürlich völlig falsche, Vermutung so: ‘Wir sehen einen alten Mann, der sein Leben lang geglaubt hat, daß die Erde eine perfekte Kugel ist, der aber für andere Hypothesen offen bleibt, die besser zu den Daten passen. […] Die Bereitschaft, anhand widersprüchlicher Daten lebenslange Überzeugungen zu hinterfragen, erfordert enormen Mut und steht in scharfem Kontrast zu jüngeren Beispielen des öffentlichen Diskurses, bei denen unsere politischen, kulturellen und religiösen Führungspersönlichkeiten die Daten ihren vorgefassten Theorien anpassen.’

Nun können Sphären in allen möglichen Formen vorkommen, apfel-, birnen- oder auch bananenförmig. Dagegen sind Doughnut oder Brezel keine Sphären, sie lassen sich nicht stetig in eine runde Sphäre deformieren.

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Neben runden Sphäre gibt es noch weitere besonders regelmäßige (aber eckige) Sphären, nämlich die platonischen Körper. Es gibt 5 platonische Körper: den Tetraeder, den Würfel, den Oktaeder, den Dodekaeder und den Ikosaeder.

(Die Körper heißen platonisch, weil sie in Platon’s Theorie der Materie vorkommen. 1596 vermutete Kepler im ‘Mysterium cosmographicum’, daß Planetenbahnen auf Umkugeln platonischer Körper verlaufen, und zwar so geschachtelt, daß jeweils die Umkugel eines Körpers die Inkugel des nächsten Körpers ist. Diese Annahme korrigierte er aber, nachdem er Zugang zu den Daten von Tycho Brahe erhielt. Etwa 20 Jahre später veröffentlichte er die heute noch anerkannten Kepler’schen Gesetze, nach denen die Planetenbahnen Ellipsen sind.)

Zählen wir einmal die Anzahlen der Ecken E, Kanten K und Seitenflächen F für jeden der platonischen Körper:

für den Tetraeder ist E=4,K=6,F=4

für den Würfel ist E=8,K=12,F=6

für den Oktaeder ist E=6,K=12,F=8

für den Dodekaeder ist E=20,K=30,F=12

für den Ikosaeder ist E=12,K=30,F=20.

Auf den ersten Blick scheint es hier keine großen Gesetzmäßigkeiten zu geben, außer vielleicht, daß bei Würfel und Oktaeder dieselben Zahlen, aber mit E und F vertauscht, vorkommen, und bei Ikosaeder und Dodekaeder ebenso.

Auf den zweiten Blick (na ja, vielleicht auch erst den dritten oder vierten) stellt man aber noch eine weitere Gesetzmäßigkeit fest: bei allen fünf platonischen Körpern ist E-K+F=2.

Neben diesen platonischen Körpern gibt es natürlich noch viele unregelmäßige eckige Flächen, die einen konvexen Körper beranden und damit die Form einer Sphäre haben. Man kann sich die Frage stellen, ob auch für diese weniger regelmäßigen Körper immer E-K+F=2 ist. Sie können ja mal versuchen, ein Gegenbeispiel zu konstruieren. Mehr dazu nächste Woche.

Referenz: Teil 1