Das Editorial der neuen “Nature”-Ausgabe widmet sich “Copy and Paste” in den Klimawissenschaften.

Es geht um die 2008 in “Computational Statistics & Data Analysis” veröffentlichte Arbeit “Social networks of author-coauthor relationships” von Said-Wegman-Sharabati-Rigsby, die von der Zeitschrift jetzt zurückgezogen wurde.

Witzigerweise paßt das Thema dieser unter Plagiatsvorwurf stehenden Arbeit wie die Faust aufs Auge zu den Vorwürfen, wegen derer sie jetzt zurückgezogen wurde. Es geht in der Arbeit nämlich um eine statistische Analyse wissenschaftlicher Arbeitsweisen:

[…] we distinguish several styles of co-authorship including solo models (no co-authors), mentor models, entrepreneurial models, and team models. We conjecture that certain styles of co-authorship lead to the possibility of group-think, reduced creativity, and the possibility of less rigorous reviewing processes.

Soll heißen: in der untersuchten Arbeit sollte statistisch nachgewiesen werden, daß wissenschaftliche Kooperationen zwischen gleichberechtigten Partnern zu geringerer Kreativität, festgefahreneren Denkmustern und einem weniger objektiven Peer-Review (weil die Kooperationspartner der einen Arbeit vielleicht gleichzeitig Gutachter einer anderen Arbeit sein könnten) führe, weshalb ‘traditionellere’ Formen der Kooperation (ein Chef, mehrere Mitarbeiter oder Studenten) zuverlässigere und kreativere Wissenschaft produziere.

Das klingt zunächst wie eine Bewerbung für den Ig-Nobelpreis, hat aber einen nicht so spaßigen Hintergrund. Zwei der Autoren waren 2006 beteiligt an einem Report für den US-Kongreß, in dem bewiesen werden sollte, daß die Klimaforscher (speziell Michael Mann, der zwar nicht in der veröffentlichten Arbeit, aber im Kongreß-Report namentlich erwähnt wird) ein solches Kartell kooperierender Wissenschaftler bilden würden. (Die Analysen aus der 2008 veröffentlichten und jetzt wegen Plagiatsvorwurf zurückgezogenen Arbeit waren in diesen Report bereits eingeflossen.)

Jetzt hat sich also herausgestellt, daß Teile der Arbeit aus Lehrbüchern und Wikipedia abgeschrieben sind. Der Hauptautor, Edward Wegman beschuldigt nun eine seiner damaligen Doktorandinnen, die Texte in den Artikel kopiert zu haben. Diese Doktorandin gehört witzigerweise nicht zu denjenigen Mitarbeitern Wegmans, die als Koautoren auf der Arbeit aufgeführt sind. Alles sehr komisch.

Deep Climate faßt es so zusammen:

[…]
The CSDA paper, Social Networks of Author-Coauthor Relationships, was a follow up to the 2006 report to congress by Wegman, Said and Rice University professor David Scott. Both the Wegman report and Said et al claimed that the “entrepreunerial” style of co-authorship in paleoclimatology demonstrated lax peer review in the field, while the “mentor” style of an established professor collaborating with former students would be less problematic. All three of Wegman’s 2008 co-authors – Said, Walid Sharabati and John Rigsby – were former or current students.
[…]
the paper had sailed through from submission to acceptance in a mere six days, suggesting that it had not been properly peer reviewed at all. That astonishing fact and the deeply flawed analysis belied the paper’s central premise; indeed, as John Mashey has noted, this is a prime example of self-refuting paper.

Wegman and Said claim to have done nothing wrong, according to Vergano’s report.

“Neither Dr. Wegman nor Dr. Said has ever engaged in plagiarism,” says their attorney, Milton Johns, by e-mail. In a March 16 e-mail to the journal, Wegman blamed a student who “had basically copied and pasted” from others’ work into the 2006 congressional report, and said the text was lifted without acknowledgment and used in the journal study. “We would never knowingly publish plagiarized material” wrote Wegman, a former CSDA journal editor.

The original SNA background section in the Wegman report was about five pages and was reduced by about half for the CSDA paper. So even this bizarre explanation admits that the CSDA section was appropriated without credit or attribution. It is also telling that none of the authors were sufficiently well-versed in SNA to produce a background section on the techniques employed.

And I recently showed similar cut-and-paste scholarship in the WIREs Computational Statistics article, Color Theory and Design (see part 1 and part 2). Not only was this article written by Wegman and Said alone, they also are editors of the journal (along with the afore-mentioned David Scott), raising once again the issue of lack of peer review of the pair’s scholarship. […]

Kommentare (3)

  1. #1 tunix
    29. Mai 2011

    .

  2. #2 tunix
    29. Mai 2011

    .

  3. #3 rank zero
    30. Mai 2011

    Unabhängig von den Plagiatsvorwürfen scheint die Wegman-These höchst abenteuerlich – im Gegensatz dazu habe ich bei allen Netzen mafiös kooperierender Autoren mit faktisch aufgehobenem peer-reviewing sehr wohl eine oder mehrere Führungsfiguren beobachten können (El Naschie oder Ji-huan He sind in der Mathematik prominente Beispiele). Wie auch bei diversen Skandalen in der Medizin beobachtbar, dürfte das Chef-Modell sehr anfällig sein (noch kurioser ist freilich, dass Wegmann als Anwendung die Klimawissenschaft festmacht, die ja ebenfalls autoritativ geprägt scheint – Mann, Jones, Schellnhuber…).

    Für mathematische Artikel bin ich mir ziemlich sicher, dass der Ausfall der Qualitätssicherung durch Netzwerke eher nicht mit formal-statistischen Methoden nachgewiesen werden kann (beispielsweise ist die formale Struktur der Literatur zu Gröbner-Basis-basierten Algorithmen nicht weit weg von denen der homotopy variation method & Co., es werden natürlich einschlägige Basisarbeiten oder Pakete ausgiebig referenziert, und durch die gemeinsame Arbeit an der Weiterentwicklung der Programmbibliotheken entstehen auch entsprechende Netze – aber die inhaltliche Qualität ist denn doch auf unvergleichlich höherem Level).

    Als einzig einigermaßen verläßliches Indiz, dass Autorennetzwerke minderwertige Publikationen durch subjektives peer-review erzeugen und verbreiten, sehe ich in der bisherigen Erfahrung, dass sie in der Propagierung ihrer Ergebnisse quantitative Größen besonders hervorheben (anstelle der Inhalte) – sei es ein hoher impact factor oder andere bibliometrische Parameter, die schiere Zahl von Publikationen und Referenzen, oder das numerische Übergewicht ihres Netzwerks im Vergleich zu anderen Wissenschaftlern im Gebiet.