Gender-Bias in Mathematik-Aufgaben, jetzt auch bei Telepolis.

Was ist die letzte Ziffer des Produkts der ersten 25 Primzahlen? (Falls jemand die Primzahlen nicht auswendig weiß, Wikipedia hilft: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, 31, 37, 41, 43, 47, 53, 59, 61, 67, 71, 73, 79, 83, 89, 97.)

Auf diese Aufgabe stieß ich vor einigen Monaten in einem Artikel des Buchautors G.Patrick Vennebusch unter der Überschrift “Prime numbers and Gender bias”. Im Artikel wurde diese Aufgabe als Beispiel für eine Mathematik-Aufgabe mit “gender bias” diskutiert, also als eine Aufgabe, die Mädchen benachteiligen würde:

I mentioned to AJ that if a larger number were chosen — for instance, if it involved the product of the first 1,000 prime numbers — then it might be more obvious that students ought to look for a pattern. “You haven’t met my daughter,” he said. “She’d still try to compute it.”

Vennebusch ist eigentlich bekannt als Autor eines mathematischen Witzebuchs, aber dieser Artikel ist offenkundig ernstgemeint. (Immerhin bezweifelt er aber doch die in einem AAUW-Report empirisch beobachtete Feststellung, dass die Aufgabe “What is the value of n if n + 2 = 7?” Mädchen benachteiligen würde.)

Ich hatte damals kurz überlegt, ob ich die Aufgabe hier zur Diskussion stelle, die Sache dann aber wieder vergessen.

Ins Gedächtnis kam mir der Artikel wieder durch den gestern auf Telepolis veröffentlichten Artikel von Florian Rötzer über eine psychologische Studie, welche “geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Lösung arithmetischer Aufgaben” festgestellt haben will. (Wegen des Elsevier-Boykotts verlinke ich hier nicht auf die Original-Arbeit, sondern nur auf den Artikel in Telepolis.) In dem Artikel geht es um die additiven Fähigkeiten von Grundschulkindern. Ich habe jetzt weder Zeit noch Lust mich mit dem Artikel oder der Studie zu beschäftigen, aber wenn jemand hier in den Kommentaren etwas dazu schreiben will: nur zu!

Kommentare (25)

  1. #1 rolak
    31. Juli 2012

    Es gab ein kleines Rennen bei den Primzahlen – bevor ich anfangen konnte, über den Fang­Anteil der -Frage nachzudenken, vom Erleben her eher noch ‘beim Luftholen’, ratterte schon die Endziffer-Multiplizier-Maschine, 2/6..und der Blick fiel auf die 5. Dann kamen fast chor-artig, aber doch mit gefühlter Verzögerung die drei Antworten:

    • Automat: *stop*
    • unten: NULL!
    • oben: Kann nur Null sein.

    🙂

  2. #2 BreitSide
    31. Juli 2012

    Also da muss ich auch sehr grübeln, wo die Benachteiligung von Mädchen durch größere Datenmengen stecken sollte.

    Die Anekdote mit der ewig rechnenden Tochter wird leicht ausgekontert durch die von John von Neumann: Ihr kennt ja die Anekdote vom kleinen Gauß, der in der Schule alle Zahlen von 1-100 addieren sollte (samt der restlichen Klasse), damit der Lehrer eine Weile Ruhe habe. Klein Gauß aber entwickelte spontan die Summenformel n/2 x (n+1).

    Die Aufgabe stellte man JvN, der sie auch blitzschnell löste. “Dachten wir uns doch, dass Sie die einfache Lösung schon kannten!” Er darauf: “Welche einfache Lösung?”

  3. #3 BreitSide
    31. Juli 2012

    Ach, natürlich null. Ehrenwort, selbst gefunden!

    2x3x5=30, ab dann nur noch null hinten.

    Wäre 2 keine Primzahl, wäre es eine 5

    Habe früher immer im Stern die Zahlenrätsel gelöst, 3×3-Matrix mehrstelliger Zahlen, senkrecht und waagrecht addiert, subtrahiert, multipliziert oder dividiert. Und jede Zahl durch ein Symbol ersetzt. Da findet man dann so Zusammenhänge wie
    – ungerade Zahl mal 5 ist 5 hinten,
    – gerade Zahl mal 5 ist 0 hinten,
    – gleiche letzte Ziffer bei Multiplikand und Ergebnis kann nur heißen 1 als Multiplikand (Triviallösung) oder 5 mal Ungerade oder 6 mal 4 oder 6 mal 8
    – usw.

    Beispiele: https://www.mathematische-basteleien.de/symbolraetsel.htm

  4. #4 sax
    1. August 2012

    oder 2*5=10 und damit ist alles klar.

  5. #5 carpe noctem
    1. August 2012

    Ich hatte die Lösung innerhalb von ein paar Sekunden und ich bin weiblich. Ich hab aber auch Mathe studiert. Was sagt uns das jetzt? Dass ich sowieso nicht normal weiblich bin? Mir ist natürlich klar, dass ich nur ein bedauerlicher Einzelfall bin, von dem man nicht auf die Allgemeinheit schließen kann.

    Allerdings finde ich die zitierte Aussage, bei mehr Zahlen wäre den Mädchen geholfen, zweifelhaft: damit wäre doch Jungen genauso geholfen, oder nicht? Oder sind nur Mädchen “zu dumm”, sich einen Trick zu überlegen?

  6. #6 BreitSide
    1. August 2012

    @sax: Schon klar, als Erklärung, wenn man es schon weiß.

    Aber ich würde mich sehr wundern, wenn jemand beim ersten Herangehen an die Aufgabe nicht die erste Handvoll Zahlen wirklich multipliziert hätte. Der schnellstmögliche Gedankengang könnte sein:
    (0. Oh Mann, was für eine riesige Kopfrechenaufgabe. Das muss doch schneller gehen)
    1. 2×3 = 6. Soso.
    2. 6×5 = 30. Aha! Eine Null hinten verschwindet nie.

    Alternativ:

    (0. Oh Mann, was für eine riesige Kopfrechenaufgabe. Das muss doch schneller gehen)
    1. 2×3 = 6. Soso.
    2. 2×5 = 10. Aha! Eine Null hinten verschwindet nie.

    Oder?

  7. #7 Spoing
    1. August 2012

    @carpe noctem:
    Es geht hier darum, dass Frauen dies, statistisch gesehen, wohl mehr Probleme bereiten wird. Nicht das es für Frauen ein unlösbares Problem darstellt.
    Anderes Beispiel wäre dass es genug Frauen gibt die mich beim Ringkampf problemlos auf die Matte schicken können. Das ändert aber nichts daran dass Männer im allgemeinen mehr Muskelmasse haben als Frauen.
    Im Gegensatz zum Ringkampf ist es auch nicht klar, ob es hier nur Kulturell oder auch Biologisch bedingt ist.

    Ich habe übrigens bei der Aufgabe erst nicht gelesen, dass nur die letzte Zahl von Bedeutung ist und habe mir gedacht, dass kann doch keine ernst gemeinte Aufgabe sein. Beim genaueren Lesen ist es mir dann doch noch aufgefallen =)

  8. #8 Stefan W.
    1. August 2012

    @BreitSide· 01.08.12 · 13:30 Uhr

    Ich habe nicht angefangen zu multiplizieren, sondern nach der letzten Ziffer zu gruppieren, da ich mir – nicht ganz falsch – dachte, dass nur die letzte Ziffer für das Ergebnis von Belang ist.

    Als ich dann die Liste hatte mit 2 * (3^7) * 5 * (7^6) * (1^5) * (9^5) dachte ich anfangs noch, ich würde jetzt aus 3^7 (9^3)*3 machen usw., aber dann zog ich doch die singulären 2 und 5 raus, und war bitter enttäuscht, dass das Spiel damit zuende ist, bevor es richtig begonnen hat. Alles umsonst gruppiert!

  9. #9 BreitSide
    1. August 2012

    @Stefan W: hätte ich mir ja denken können, dass es noch ganz andere Herangehensweisen gibt….

  10. #10 Frank S
    2. August 2012

    Interessant finde ich die Formulierung, dass die *Aufgabe* Mädchen benachteiligt.

    Komische Sichtweise. Können Aufgabe jemanden benachteiligen?
    Ich finde ja immer, dass die schweren Prüfungsaufgaben *mich* benachteiligen, hat aber noch kein Dozent anerkannt…

    Von mir aus kann man darüber streiten, ob die *Erziehung* bzw. das Frauenbild in unserer Gesellschaft weibliches Denken insofern beeinflusst, dass es Mädchen bei bestimmten Aufgabenstellungen schwerer haben – auch wenn es mir schwerfällt, das ohne weiteres zu glauben, aber die Aufgabe selbst muss, bei aller Liebe, schuldlos bleiben!

  11. #11 Dagda
    3. August 2012

    @ Spoing

    Es geht hier darum, dass Frauen dies, statistisch gesehen, wohl mehr Probleme bereiten wird. Nicht das es für Frauen ein unlösbares Problem darstellt.

    Das ist doch erstmal nur eine Behauptung völlig ohne Beleg. Die Behauptung geht in die Richtung faule Menschen überlegen sich eine Abkürzung, Strebsame versuchen es nachzurechnen. Da Frauen strebsamer sind als Männer ist die Aufgabe unfair.
    Und das ist so erstmal ziemlicher quatsch

  12. #12 rjb
    3. August 2012

    @BreitSide: Die von-Neumann-Anekdote kenne ich mit einer anderen Aufgabenstellung (die Geschichte vom kleinen Gauß, die wir alle kennen, war ja vielleicht auch von Neumann bekannt). Nämlich: Ein Jäger marschiert zu seiner 10km entfernten Jagdhütte, begleitet von seinem Hund, der doppelt so schnell läuft wie der Jäger und immer zwischen der Hütte und dem Jäger hin- und herpendelt. Wenn der Jäger nach 2 Stunden an der Hütte ankommt – welche Strecke hat dann der Hund zurückgelegt?

  13. #13 Sim
    3. August 2012

    Wahrscheinlich sowas um die 20 km. Da der Hund doppelt so schnell läuft wie der Jäger, legt er in der gleichen Zeit eben doppelt soviel Weg zurück. Egal ob er da hin und herpendelt, oder geradeaus oder im Kreis oder Zick-Zack rennt.

    (Die 2 Stunden sind natürlich nur ein roter Herring)

  14. #14 BreitSide
    3. August 2012

    Naja, die Geschichte mit dem Hund des Jägers wird kaum in einer damaligen Rechnen-Klasse gestellt worden sein. Dafür ist sie (will man sie auf dem “harten Weg” rechnen) einfach viel zu schwer.

    Und dass JvN die Anekdote wirklich nicht kannte, macht ja gerade seine Anekdote aus. Anders sähe ich keinen Sinn darin.

    Die Hund-des-Jägers-Aufgabe kenne ich aus früher Schulzeit mit der Mücke, die zwischen 2 Radfahrern pendelt (ziemlich surreal, wurde aber so gestellt), auch mit doppelter Geschwindigkeit, und sie endete zerquetscht zwischen den Vorderreifen.

    An die armen Radler hatte dabei offensichtlich keiner gedacht.

    @Sim: natürlich exakt 20 km. Andere Aufgabe: Du willst 200 km mit Schnitt Tempo 100 fahren. Nach 100 km merkst Du, dass Du nur einen Schnitt von 50 hingelegt hast. Wie schnell musst Du den Rest fahren, um noch auf Schnitt 100 zu kommen?

  15. #15 Sim
    4. August 2012

    @ BreitSide

    Natürlich sind es mathematisch exakt 20 km. Ich formulier sowas mit Absicht gern mal etwas offener um Besserwissereinwänden, dass der Hund nicht so kleine Strecken irgendwann rennen kann oder was weiß ich zu begegnen.

    Aber auch sehr schön, dass mir jetzt hier Matheaufgaben gestellt werden. Ob ich da aber noch auf meinen 100er Schnitt komme ohne gegen geltendes Verkehrs-/Naturgesetz zu verstossen, wage ich doch zu bezweifeln. Wenn ich immerhin schon 2 Stunden für die ersten 100 km gebraucht habe, in dieser Zeit aber auch 200 km zurückgelegt haben müsste um auf meinen 100er Schnitt zu kommen gestaltet sich das Unterfangen sicherlich schwierig. Ich bin aber auch kein Experte für Lichtgeschwindigkeitsreisen und Zeitdilatation D:

  16. #16 BreitSide
    4. August 2012

    @Sim: :-)))

    Diese Aufgabe ist gut geeignet für die, die meinen, einen Zeitverlust durch Schnellfahren ausgleichen zu können.

  17. #17 stag geciktirici
    7. August 2012

    wage ich doch zu bezweifeln. Wenn ich immerhin schon 2 Stunden für die ersten 100 km gebraucht habe, in dieser Zeit aber auch 200 km zurückgelegt haben müsste um auf meinen 100er Schnitt zu kommen gestaltet sich das Unterfangen sicherlich schwierig. Ich bin aber auch kein Experte für Lichtgeschwindigkeitsreisen

  18. #18 zayıflama hapı
    7. August 2012

    wage ich doch zu bezweifeln. Wenn ich immerhin schon 2 Stunden für die ersten 100 km gebraucht habe, in dieser Zeit aber auch 200 km zurückgelegt haben müsste um auf meinen 100er Schnitt zu kommen gestaltet sich das Unterfangen sicherlich schwierig. Ich bin aber auch kein Experte

  19. #19 zayıflama hapı
    7. August 2012

    sehr schön, dass mir jetzt hier Matheaufgaben gestellt werden. Ob ich da aber noch auf meinen 100er Schnitt komme ohne gegen geltendes Verkehrs-/Naturgesetz zu verstossen, wage ich doch zu bezweifeln. Wenn ich immerhin schon 2 Stunden für die ersten 100 km gebraucht habe, in dieser

  20. #20 kirpik uzatıcı
    7. August 2012

    dass mir jetzt hier Matheaufgaben gestellt werden. Ob ich da aber noch auf meinen 100er Schnitt komme

  21. #21 BreitSide
    7. August 2012

    @zayıflama hapı, stag geciktirici: Exakt so isses:-)

  22. #22 René
    7. August 2012

    Wär ich nie drauf gekommen, das die letzte Ziffer Null ist, zumindest nicht aus reiner Kopfüberlegung heraus.
    Glücklicherweise war das aber in der Aufgabenstellung nicht gefordert, und so war es ein leichtes, die bereits aufgezählten Zahlen mit Hilfe eines Taschenrrechners zu multiplizieren.
    Aufgabe erfolgreich gelöst.

  23. #23 IO
    10. August 2012

    abo

  24. #24 HF
    15. August 2012

    Das Beispiel passt auf urkomische Weise nicht zur These. Egal, ob man scharf nachdenkt, oder einfach losrechnet, man kommt fast gleich schnell zum Ergebnis 0.
    2*3 = 6 , 5*5 = 30, 30*7 = 210, und nur der, der bis hierhin die Aufgabe vergessen hat, wird weiterrechnen. Die Benachteiligung steckt ganz offensichtlich nicht im Lösungsweg. Oder will der Autor andeuten, dass das Wort “Primzahlen” die Frauen abschreckt, so dass sie sich gar nicht an der Lösung versuchen?

  25. #25 echt?
    16. August 2012

    Gender ist doch out. das heißt jetzt “Diversity”.