Bei Christie‘s in London wird heute ein 1945 geschriebener Brief Albert Einsteins an Paul Epstein versteigert, in dem er seine Bedenken gegen die Quantenmechanik äußerte.
Zitat:

Die meisten Physiker heutzutage würden argumentieren, dass sie zwar nicht an den späteren Einfluß der Quanten glauben, dass es ihnen aber im Prinzip verboten ist, nach einem „wirklichen Zustand“ der Quanten zu fragen. Es ist diese Sichtweise, gegen die mein Instinkt revoltiert.

Einstein schrieb diesen Brief 1945 in Princeton, wo er seit 1933 arbeitete (und sich vergeblich mühte, mit einer einheitlichen Feldtheorie die Weltformel zu finden). Der Empfänger Paul Epstein ist übrigens nicht der Frankfurter Mathematiker, nach dem die Epsteinsche Zetafunktion benannt ist (der hatte sich nach den Novemberpogromen das Leben genommen), sondern ein gleichnamiger russischer Physiker, der in den 20er Jahren zur Quantenmechanik gearbeitet hatte.

Der Wert des Briefes wird von Christie‘s auf 30.000 bis 50.000 US-Dollar taxiert.

Kommentare (10)

  1. #1 Dirk Freyling
    Erde
    14. Juni 2019

    Albert Einstein schrieb u.a. zur Quantenmechanik : [1] “die ψ-Funktion ist als Beschreibung nicht eines Einzelsystems, sondern einer Systemgemeinschaft aufzufassen. Roh ausgesprochen lautet dies Ergebnis: Im Rahmen der statistischen Interpretation gibt es keine vollständige Beschreibung des Einzelsystems. Vorsichtig kann man so sagen: Der Versuch, die quantentheoretische Beschreibung der individuellen Systeme aufzufassen, führt zu unnatürlichen theoretischen Interpretationen, die sofort unnötig werden, wenn man die Auffassung akzeptiert, daß die Beschreibung sich auf die Systemgesamtheit und nicht auf das Einzelsystem bezieht. Es wird dann der ganze Eiertanz zur Vermeidung des ‘Physikalisch-Realen’ überflüssig. Es gibt jedoch einen einfachen physiologischen Grund dafür, warum diese naheliegende Interpretation vermieden wird. Wenn nämlich die statistische Quantentheorie das Einzelsystem (und seinen zeitlichen Ablauf) nicht vollständig zu beschreiben vorgibt, dann erscheint es unvermeidlich, anderweitig nach einer vollständigen Beschreibung des Einzelsystems zu suchen, dabei wäre von vornherein klar, daß die Elemente einer solchen Beschreibung innerhalb des Begriffsschemas der statistischen Quantentheorie nicht enthalten wären. Damit würde man zugeben, daß dieses Schema im Prinzip nicht als Basis der theoretischen Physik dienen könne.

    [1] A. Einstein, Qut of my later years. Phil Lib. New York 1950 Seite 498

    Übrigens: Sowohl die Epizykeltheorie,aus heutiger Sicht, als auch das Standardmodell der Teilchenphysik (SM), als quantenfeldtheoretische Anwendung und Weiterentwicklung der Quantenmechanik,basieren auf Fourier-Reihen, bzw. Fourier-Transformierte. Das bedeutet, daß zumindest abschnittsweise alle Funktionen f(x) aus den gleichen “Bausteinen” aufgebaut sind und sich nur darin unterscheiden, mit welchen Faktoren … die Bausteine gewichtet sind.

    Gemäß der Kopenhagener Deutung von 1927 ist der Wahrscheinlichkeitscharakter quantentheoretischer Vorhersagen nicht Ausdruck der Unvollkommenheit der Theorie, sondern des prinzipiell indeterministischen (unvorhersagbaren) Charakters von quantenphysikalischen Naturvorgängen. Des Weiteren “ersetzen” die »Objekte des Formalismus« die Realität, ohne selbst eine Realität zu besitzen.

    Die Kopenhagener Deutung zeichnet sich durch die Bequemlichkeit aus, die sie ihren »Gläubigen« liefert. Der Welle-Teilchen-Dualismus gestattet(e) ein “Umsteigen” auf die “Welle” mit einer e-Funktion mit komplexem Exponent, welcher gemäß Fourier Theorem es wiederum gestattet »ALLES« stückweise monotone, also auch jedes experimentelle Ergebnis, formal mathematisch darzustellen. Die statistische Deutung hält von der Mühe ab den physikalischen Prozeß zu erkunden, denn es sind ja grundsätzlich nur Wahrscheinlichkeitsaussagen bei Quantenprozessen möglich

    In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hatte sich die Kopenhagener Deutung durchgesetzt, in Lehrbüchern war jetzt nur noch die Heisenberg-Bohrsche Quantentheorie ohne kritische Anmerkungen zu finden.

  2. #2 Herr Senf
    14. Juni 2019

    Kopenhagen ist unvollständig als operativer Ansatz, zumal eine willkürliche Einteilung in Klassik und Quanten. Natürlich ist das Bequemlichkeit – es gibt auch andere Realismen.

  3. #3 Braunschweiger (DE)
    14. Juni 2019

    Kann man den Text des Briefes in einer Transkription irgendwo nachlesen? Die Handschrift ist trotz Vergrößerungsmöglichkeit etwas schwierig, eben eine fremde Handschrift. Es müsste doch irgendwo eine Zusammenfassung der Briefe Einsteins geben, oder?

    Der zweite Link zu Christie’s funktioniert nicht mehr und liefert nur eine Suchseite. Leider habe ich den Brief auch in den abgelaufenen Aktionen nicht mehr gefunden.

  4. #4 Braunschweiger (DE)
    14. Juni 2019

    @D.F.:
                        tl ; dr !

    Geht’s auch irgendwo auf den Punkt gebracht?
     

    @Herr Senf:
    War das schon der Punkt von DF? So einfach?

  5. #5 Thilo
    14. Juni 2019

    Ich habe den Brief in den abgelaufenen Auktionen auch nicht gekommen. Vielleicht wurde er noch nicht verkauft und man bereitet eine zweite Auktion vor. Der angekündigte Wert von 30 bis 50 Tausend Dollar war ja auch ziemlich heftig. Ein anderer Brief Einsteins an Epstein (ein 1921 geschriebenes Empfehlungsschreiben) war für 6750 Euro versteigert worden.

  6. #6 rank zero
    14. Juni 2019

    “Gleichnamig” stimmt nicht ganz – der Physiker hieß mit ganzem Namen (wie ja auch richtig in der Wikipedia verlinkt) Paul Sophus Epstein und hat auch praktisch durchgängig mit zumindest Initial S. publiziert – https://zbmath.org/authors/epstein.paul-s gegenüber Paul Epstein https://zbmath.org/authors/epstein.paul .

    Paul Sophus Epstein hat übrigens auch schon in den 1910er Jahren an der Quantenmechanik gearbeitet.

  7. #7 Frank Wappler
    14. Juni 2019

    Braunschweiger (DE) schrieb (#3, 14. Juni 2019):
    > Kann man den Text des Briefes

    … von Albert Einstein an Paul Sophus Epstein, Princeton, 28 November 1945 …

    > in einer Transkription irgendwo nachlesen? […]

    Erste Seite:
    ( https://i1.wp.com/scienceblogs.de/mathlog/files/2019/06/Ohne-Titel-min-1.png )

              Lieber Herr Epstein!

      Ihr Einwand ist neu für mich und recht überzeugend: Man kann den
    Impuls des Systems (Kasten + Photon) nicht genau messen mit einem Spektral-
    Apparat, das [sic] auf dem Kasten sitzt. Durch den veränderlichen Impuls des Kastens
    allein verliert das Beispiel seine Einfachheit. Ich bin Ihnen dankbar
    für die wertvolle Aufklärung.

      Es ist mir aber andererseits noch nicht klar, ob die Schwierigkeit
    im Prinzip der Sache liegt, oder ob nur mein Gedanken-Experiment
    schlecht gewählt war. Deshalb habe ich meine Konstruktion abgeändert
    und bitte Sie, auch diese mit Ihrem kritischen Auge zu betrachten.
    Als Mittel zur Schaffung der Impuls-Unschärfe nehme ich eine Platte S,
    die gewöhnlich ganz durchsichtig ist, aber durch einen Akt eines auf
    ihr sitzenden Beobachters für eine Zeit völlig reflektierend gemacht
    werden kann, die wenigen Schwingungen des benutzten Lichtes gleich
    ist.

      Die Platte S sei längs der x-Axe eines festen Systems frei beweglich.

                  [ Fig. 1 ]

    Sie sei dauernd von links bestrahlt durch ein Bündel monochromatischer
    Strahlung mit Hilfe eines fest angeordneten halbdurchlässigen Spiegels,
    etwa so:

                  [ Fig. 2 ]

    Wenn der auf S befindliche Beobachter seine magische Vorrichtung bethätigt,
    reflektiert S Strahlung nach links, die wegen der kurzen Reflexionsdauer
    ihre Farbenschärfe verliert. Diese Strahlung (Photon) wird dann (günstigen Falles) auf
    dem (weit davon entfernten) Schirm S aufgefangen und die Zeit des Eintreffens
    __oder__ die Farbe festgestellt.

          Im Übrigen geht die Sache wie bei dem ersten Beispiel.

      1) Der Beobachter in S bestimmt genau den Impuls seines Systems S gegenüber
        dem festen System. Der Impuls möge so sein, dass er von 0 sehr schwach abweicht.

    Zweite Seite:
    ( https://i0.wp.com/scienceblogs.de/mathlog/files/2019/06/IMG_3240-min-1.png )

      2) Der Beobachter bethätigt den Momentan-Reflexions-Mechanismus, wobei günstigen Falls
        unter Rückstoss ein Quant nach links reflektiert werde.

      3) Der Beobachter macht __darauf__ eine der 2 Messungen a) oder b)

        a) er bestimmt mit langwelligem Licht wieder den Impuls seines Systems
        b) er bestimmt den Ort der Platte gegenüber dem festen System.

      Im Falle a) kann er die Farbe des in S’ ankommenden Quants prophezeien.
        ”   ”   b)   ”   ”   ”   Zeit des Eintreffens des Quants in S’ prophezeien (bezw. den momentanen Ort des Quants angeben)

    Wenn die nachträgliche Messung 3) keine “reale” Rückwirkung auf des [sic]
    forteilende Quant hat, so muss das Quant die betreffende Charakteristik
    auch dann haben, wenn die betreffende Messung gar nicht ausgeführt
    wird, d. h. es muss Ort __und__ Farbe scharf haben, wenn man auch niemals
    __beide__ prophezeien kann. Ein solcher Sachverhalt lässt sich nicht
    durch eine Wellenfunktion vollständig beschreiben.

              ——————

    Die meisten zeitgenössischen Physiker würden zur Kritik sagen,
    dass sie zwar auch nicht an eine nachträgliche Beeinflussung des
    Quants glauben, dass es aber im Prinzip unerlaubt sei, nach
    einem “realen Sachverhalt” bezüglich des forteilenden Quants
    zu fragen. Diese Auffassung ist es, gegen die mein Instinkt
    revoltiert.

            Mit herzlichen Grüssen

                     Ihr
                            A. Einstein

  8. #8 Uli Schoppe
    15. Juni 2019

    @Frank: Danke 🙂

  9. #9 Braunschweiger (DE)
    15. Juni 2019

    @Frank W: dito (wie Uli S.)

    Schön wäre es natürlich, das eine oder andere Dokument von A. Einstein (außerhalb der wiss. Veröffentlichungen) aus einem Archiv nachlesen zu können. Es soll ja Bücher dazu geben… Das Einstein-Archiv gibt anscheinend nur die Dokumenteninfo heraus, nicht das digitalisierte Dokument selbst.

  10. #10 Paul
    15. Juni 2019

    @Braunschweiger

    Hier zwei Links mit jeder Menge digitalisierter Dokumente zu Einstein:

    ETH Zürich

    Princeton