Das Titelbild zeigt einen Teil einer seltsamen Immersion des Torus in den R3 (von Cassidy Curtis).

Andererseits hat man natürlich auch die übliche Einbettung des Torus in den R3

und man fragt sich, ob solche verschiedene Immersionen des Torus eigentlich topologisch dieselben sind – so wie (nur mal als Analogie) scheinbar kompliziert aussehende Knoten ja auch manchmal trivial sein können:

und so wie wir in den letzten Wochen diskutiert hatten, dass die Umstülpung einer Sphäre topologisch dasselbe ist wie die übliche Einbettung der Sphäre in den R3:

Wobei “topologisch dasselbe” für 2 Immersionen bedeuten sollte, dass es eine reguläre Homotopie gibt, d.h. eine Homotopie, die zu jedem Zeitpunkt eine Immersion ist.

Für Immersionen von Sphären hatten wir in den letzten beiden Wochen das Resultat aus Steven Smales Dissertation von 1957 diskutiert: zu jeder Immersion S2–>R3 hat man eine Abbildung S2–>V2(R3) in die Stiefel-Mannigfaltigkeit und diese Abbildung ist 0-homotop genau dann, wenn die ursprüngliche Immersion regulär homotop zur Standardeinbettung ist. (Und wegen π2V2(R3)=0 folgt daraus, dass jede Immersion, insbesondere die Umstülpung, regulär homotop zur Standard-Einbettung ist.)

Man kann dann natürlich fragen, ob sich dieser Zugang auf andere Flächen verallgemeinern läßt. Das wurde (für Mannigfaltigkeiten beliebiger Dimension) 1958 in der von Smale betreuten Dissertation von Morris Hirsch untersucht. (Betreuer Smale war bei Abschluß der Promotion knapp 28, was ziemlich rekordverdächtig klingt.)

Hirschs Ansatz benutzt eine Triangulierung der Fläche:

Hirsch beweist das zu Smales Resultat für Sphären analoge Resultat für Simplizes: zwei auf dem Rand übereinstimmende Immersionen eines Simplex in den R3 sind genau dann (bei festgehaltenen Rändern) regulär homotop, wenn die entsprechende Abbildung in die Stiefel-Mannigfaltigkeit (anschaulich die “Differenz” der Bilder der beiden jeweiligen Basisvektoren) nullhomotop bei festgehaltenem Rand ist.
Damit kann man dann per Induktion (über die Anzahl der Simplizes) den entsprechenden Satz für die gesamte Fläche beweisen: die regulären Homotopieklassen von Immersionen entsprechen den Homotopieklassen von Abbildungen der Fläche in die Stiefel-Mannigfaltigkeit. (Aus heutiger Sicht ist das ein Spezialfall des sogenannten h-Prinzips.)

Analog zur Sphäre, wo es letzte Woche darum ging, π2V2(R3) zu berechnen, muss man dann also auch für die anderen Flächen Sg mit g>0 Henkeln jeweils die Mengen der Homotopieklassen [Sg,V2(R3)] berechnen. Das geht recht einfach, wenn man ein wenig algebraische Topologie kennt: weil die Flächen mit g>0 Henkeln alle asphärisch sind (die höheren Homotopiegruppen sind 0) entsprechen die Homotopieklassen gerade den Homomorphismen der Fundamentalgruppen: [Sg,V2(R3)]=Hom(π1Sg1V2(R3).
Wir hatten letzte Woche gesehen, dass V2(R3) dasselbe ist wie SO(3) und letzteres von SU(2) zweifach überlagert wird, welches wiederum dasselbe ist wie S3. Also wird V2(R3) von der einfach zusammenhängenden S3 zweifach überlagert, woraus mit Überlagerungstheorie π1V2(R3)=Z/2Z folgt.
Damit ist dann also [Sg,V2(R3)]=Hom(π1Sg1V2(R3))=Hom(π1Sg,Z/2Z)=H1(Sg;Z/2Z)=(Z/2Z)2g. Es gibt also 4g verschiedene Immersionen einer Fläche in den R3.

Im Falle des Torus sind das also 4 verschiedene Immersionen, die natürlich schon ausführlich untersucht wurden. Eine Arbeit eines Computergrafikers (aus der das Bild unten stammt) mit vielen weiteren schönen Bildern ist hier.

Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26, Teil 27, Teil 28, Teil 29, Teil 30, Teil 31, Teil 32, Teil 33, Teil 34, Teil 35, Teil 36, Teil 37, Teil 38, Teil 39, Teil 40, Teil 41, Teil 42, Teil 43, Teil 44, Teil 45, Teil 46, Teil 47, Teil 48, Teil 49, Teil 50, Teil 51, Teil 52, Teil 53, Teil 54, Teil 55, Teil 56, Teil 57, Teil 58, Teil 59, Teil 60, Teil 61, Teil 62, Teil 63, Teil 64, Teil 65, Teil 66, Teil 67, Teil 68, Teil 69, Teil 70, Teil 71, Teil 72, Teil 73, Teil 74, Teil 75, Teil 76, Teil 77, Teil 78, Teil 79, Teil 80, Teil 81, Teil 82, Teil 83, Teil 84, Teil 85, Teil 86, Teil 87, Teil 88, Teil 89, Teil 90, Teil 91, Teil 92, Teil 93, Teil 94, Teil 95, Teil 96, Teil 97, Teil 98, Teil 99, Teil 100, Teil 101, Teil 102, Teil 103, Teil 104, Teil 105, Teil 106, Teil 107, Teil 108, Teil 109, Teil 110, Teil 111, Teil 112, Teil 113, Teil 114, Teil 115, Teil 116, Teil 117, Teil 118, Teil 119, Teil 120, Teil 121, Teil 122, Teil 123, Teil 124, Teil 125, Teil 126, Teil 127, Teil 128, Teil 129, Teil 130, Teil 131, Teil 132, Teil 133, Teil 134, Teil 135, Teil 136, Teil 137, Teil 138, Teil 139, Teil 140, Teil 141, Teil 142, Teil 143, Teil 144, Teil 145, Teil 146, Teil 147, Teil 148, Teil 149, Teil 150, Teil 151, Teil 152, Teil 153, Teil 154, Teil 155, Teil 156, Teil 157, Teil 158, Teil 159, Teil 160, Teil 161, Teil 162, Teil 163, Teil 164, Teil 165, Teil 166, Teil 167, Teil 168, Teil 169, Teil 170, Teil 171, Teil 172, Teil 173, Teil 174, Teil 175, Teil 176, Teil 177, Teil 178, Teil 179, Teil 180, Teil 181, Teil 182, Teil 183, Teil 184, Teil 185, Teil 186, Teil 187, Teil 188, Teil 189, Teil 190, Teil 191, Teil 192, Teil 193, Teil 194, Teil 195, Teil 196, Teil 197, Teil 198, Teil 199, Teil 200, Teil 201, Teil 202, Teil 203, Teil 204, Teil 205, Teil 206, Teil 207, Teil 208, Teil 209, Teil 210, Teil 211, Teil 212, Teil 213, Teil 214, Teil 215, Teil 216, Teil 217, Teil 218, Teil 219, Teil 220, Teil 221, Teil 222, Teil 223, Teil 224, Teil 225, Teil 226, Teil 227, Teil 228, Teil 229, Teil 230, Teil 231, Teil 232, Teil 233, Teil 234, Teil 235, Teil 236, Teil 237, Teil 238, Teil 239, Teil 240, Teil 241, Teil 242, Teil 243, Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248

Kommentare (9)

  1. #1 Sim
    13. Dezember 2012

    Sorry wenn ich hier so reinplatz Thilo, aber ich hätte da mal eine Frage mit Bezug zur algebraischen Topologie und es hat den Anschein als ob du dich damit etwas auskennst. Wie kann ich aus einem Fundamentalpolynom die Fundamentalgruppe erschließen wenns etwas komplizierter wird?

    Bei einem Fundamentalpolynom wie a b a^-(1) b^(-1) brauch ich ja nur die Kanten zu verkleben und dann sieht man dass es sich um einen Torus handelt und dann ist einfach zu erkennen dass die Fundamentalgruppe isomorph zu ( Z² , + ) ist

    Aber sagen wir mal ich hab das Fundamentalpolynom a b c b^(-1) d d a^(-1) c

    Das kann ich mir nicht mehr so locker vorstellen ohne dass mein Hirn einen Knoten bekommt. Wie kann ich denn da vorgehen um da auf die Fundamentalgruppe zu kommen? Und wie geb ich die überhaupt an?

  2. #2 Thilo
    13. Dezember 2012

    Es ist (allgemein bei CW-Komplexen) so, dass alle Erzeuger der Fundamentalgruppe vom 1-Skelett und alle Relationen zwischen diesen Erzeugern vom 2-Skelett kommen. D.h. man schaut sich zunächst die Kanten an, diese geben (je nachdem, wie sie sich zu geschlossenen Wegen zusammenfügen) einen oder mehrere Erzeuger der Fundamentalgruppe, und das Fundamentalpolynom (als einzige 2-Zelle) gibt dann eine Relation zwischen diesen Erzeugern.

    Im Beispiel prüft man leicht nach, dass alle 8 Ecken demselben Punkt in der Fläche entsprechen, alle Kanten sind also geschlossene Wege, die Fundamentalgruppe hat die Erzeuger a,b,c,d mit der Relation abcBddAc.

    Eine Referenz ist S.50ff. in https://www.math.cornell.edu/~hatcher/AT/ATch1.pdf

  3. #3 Sim
    14. Dezember 2012

    Vielen Dank schon mal für die Antwort.

    Nur was ich am Beispiel nicht verstehe ist: wieso alle 8 Ecken demselben Punkt entsprechen sollen? Ich nehme den Anfangspunkt von a und sehe, dass es sich gleichzeitig um den Endpunkt von c handelt und dann damit auch um den Endpunkt von b und dann noch den Anfangspunkt von c, aber dann kann ich keine weiteren Identifizierungen mehr feststellen. Dahingegen ist der Endpunkt von a = der Anfangspunkt von b = der Anfangs und Endpunkt von d.

    Oder seh ich da etwas falsch?

  4. #4 Thilo
    15. Dezember 2012

    Jetzt hab ichs mir 3mal aufgezeichnet und war mal ueberzeugt, das es nur eine Eckeist und dann wieder nicht. Bei dritten Mal seh ichs jetzt aber ein, dass es zwei Ecken sind. Die geschlossenen Wege sind dann ab, c und BddA (und nochmal c), man hat also drei Erzeuger, deren Produkt das Inverse des zweiten Erzeugers ist

    Andererseits handelt es sich bei der Fläche wegen Eulercharakteristik (korrigiert)2-4+1=-1 um die nichtorientierbare Fläche vom Geschlecht 2, d.h. Man nimmt eine Brezel, schneidet eine Kreisscheibe heraus und klebt ein Möbiusband stattdessen hinein. Die übliche Präsentation der Fundamentalgruppe bekommt man dann mit Seifert-van Kampen: a,b,c,d,e | [a,b][c,d]=2e>, wobei die eckigen Klammern den Kommutator meinen. Ich bin jetzt zu müde, um einen Isomorphismus der obigen zur üblichen Präsentation der Fundamentalgruppe zu suchen. Vielleicht morgen.

  5. #5 Sim
    17. Dezember 2012

    Vielen Danke auf jeden Fall nochmal für deine Mühe. Das hilft mir schon weiter.

  6. […] Teil 239, Teil 240, Teil 241, Teil 242, Teil 243, Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil […]

  7. […] Teil 239, Teil 240, Teil 241, Teil 242, Teil 243, Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil […]

  8. […] Teil 239, Teil 240, Teil 241, Teil 242, Teil 243, Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil […]

  9. […] Teil 239, Teil 240, Teil 241, Teil 242, Teil 243, Teil 244, Teil 245, Teil 246, Teil 247, Teil 248, Teil 249, Teil 250, Teil 251, Teil 252, Teil 253, Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil […]