Hyperbolische Dynamik – Katzen dehnen und stauchen.

Wir hatten u.a. in TvF 69 gesehen, daß Flächen mit mindestens 2 Henkeln eine hyperbolische Metrik (d.i. eine Metrik mit Krümmung -1) haben. Was kann man damit anfangen (außer mit Gauß-Bonnet die Euler-Charakteristik zu berechnen)?

Eine wichtige (mathematische) Anwendung: Hyperbolische Geometrie hilft beim (qualitativen) Verständnis dynamischer Prozesse – das sozusagen regelmäßigste (und berechenbare) Beispiel eines chaotischen Flußes ist der “geodätische Fluß” auf hyperbolischen Flächen.

Bei “dynamischen Systemen” geht es um die zeitliche Entwicklung irgendeines Systems.
(Dazu hatte Astrodicticum Simplex schon mal einige Artikel.)

Die ‘Punkte’ bewegen sich entlang irgendwelcher Flußlinien, wie im Bild rechts (aus der Mathematica 7-Werbung) und man möchte gern wissen, was langfristig passiert.

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Ein einfaches Beispiel: alle Abstände verringern sich während des Flußes (um einen Faktor q<1): der Banachsche Fixpunksatz (TvF 37) sagt dann, daß der Fluß einen Fixpunkt hat und jede Flußlinie gegen diesen Fixpunkt konvergiert.

Oder der umgekehrte Fall, alle Abstände werden vergrößert: dann gehen alle Punkte (evtl. bis auf einen) gegen Unendlich.

Aus mathematischer Sicht sind diese beiden Extremfälle ziemlich langweilig: man weiß, was passiert, zumindest qualitativ, langfristig.

Interessanter sind Fälle, in denen beides vorkommt: Abstandsverringerung in einer Richtung, Abstandsvergrößerung in einer anderen.

Als hyperbolische Dynamik bezeichnet man Flüsse, bei denen man (in jedem Punkt) Richtungen hat, in denen kontrahiert, und andere Richtungen, in denen expandiert wird. Das Bild unten von Jos Leys soll das veranschaulichen: man hat einen periodischen Orbit (rot) und in jedem Punkt die braune und grüne Richtung – Abstände in brauner Richtung werden während des Flußes verringert, Abstände in grüner Richtung werden während des Flußes vergrößert.

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Quelle: Jos Leys

Ein Beispiel (das erst mal noch nichts mit hyperbolischer Geometrie zu tun hat):
Arnold’s Katzen-Abbildung: die Katze wird in einer Richtung gestaucht, in der anderen gestreckt. Wenn es sich um eine Abbildung der Ebene handelte, würde die Katze natürlich einfach immer dünner und länger. Man soll sich aber jeweils die gegenüberliegenden Seiten des Rechtecks verklebt denken, d.h. die Katze befindet sich auf einem Torus und man hat einen Fluß auf dem Torus. Die Bilder zeigen überzeugend, daß sich der Fluß völlig chaotisch verhält, die Katze verteilt sich beliebig über den Torus.

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Etwas überraschend ist, daß man für t=300 wieder die ursprüngliche Katze erhält. Das ist aber nur ein Rechenfehler durch die Berechnung im Computer. Man kann einerseits beweisen, daß die Katze nie in ihre ursprüngliche Form zurückkommt, andererseits kann man aber auch beweisen, daß bei jeder Berechnung im Computer (der ja immer eine Zerlegung des Bildes in Pixel zugrundeliegt), egal wie gut die Auflösung ist, man immer Periodizität hat, also früher oder später die Katze in ihrer ursprüngliche Form zurückkommt.

Nächste Woche dann zum geodätischen Fluß auf hyperbolischen Flächen – das Standardbeispiel für hyperbolische Dynamik (woher wohl auch die Bezeichnung ‘hyperbolische Dynamik’ stammen dürfte, nehme ich mal an.)

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