“Wenn wir 33 Millionen Atomkraftwerke hätten, würde nur eines havarieren.”

Wie man hört, wurden Atomkraftwerke in Japan auf eine Erdbebenstärke von 7,5, in besonders gefährdeten Regionen sogar von 8,2 ausgelegt.

Die Stärke von Erdbeben wird seit gut 100 Jahren gemessen, in diesem Zeitraum hatte das weltweit stärkste Erdbeben (Chile 1960) eine Stärke von 9,5.
In und bei Japan gab es 1923 ein Beben der Stärke 7,9, 1933 ein Beben der Stärke 8,4 (mit 29 m hohem Tsunami), 1944 eines der Stärke 8,1, 1946 ebenfalls 8,1, das Kobe-Erdbeben 1995 war mit 6,9 vergleichsweise schwach.
Auch in früheren Jahrhunderten gab es immer wieder Beben, von denen man vermutet, daß sie stärker als 8,0 waren: 1703 wird auf 8,0 geschätzt, 1707 (mit 40000 Toten) auf 8,4, 1891 und 1896 (mit 23 m hohem Tsunami) jeweils auf 8,0.
Ganz naiv sollte man meinen, daß eine Erdbeben-Stärke höher als 8,2 für Japan nicht besonders unwahrscheinlich ist.

In den vergangenen Tagen geistert die Zahl 1 : 33 Millionen durch die Nachrichten, als Wahrscheinlichkeit für einen Atomunfall. Für den Mathematiker stellen sich da natürlich sofort zwei Fragen:
– ist diese Wahrscheinlichkeit gering genug, daß man Atomkraftwerke als sicher ansehen kann?
– und wie ist diese Wahrscheinlichkeit überhaupt definiert, was wurde hier berechnet?

Ab wann ist eine Wahrscheinlichkeit so gering, daß man mit dem entsprechenden Ereignis nicht mehr rechnen muß? Irgendwann vor 20 Jahren habe ich mal in der Schülerzeitschrift “Die Wurzel” einen Artikel zu dem Thema gelesen, von einem russischen Professor, der tatsächlich einen genauen Zahlenwert hierfür angab. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es die Anzahl der Atome im Universum (1078) oder die Anzahl der Sekunden eines Menschenlebens (weniger als 1010) war, deren Reziprokes er als Wahrscheinlichkeit postulierte, unterhalb derer ein Ereignis als praktisch unmöglich angesehen werden könne. Natürlich sind solche Festlegungen völlige Willkür, aber, ja, auf irgendeinen Wahrscheinlichkeitswert für die Unmöglichkeit eines Ereignisses wird man sich wohl einigen müssen, vielleicht per Volksabstimmung?

Was bedeutet: die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls beträgt 1 : 33 Millionen?

Wahrscheinlichkeit kennt man in der Naturwissenschaft zunächst nur auf atomarer Ebene: man kann nicht vorherberechnen, wann ein Radiumatom zerfällt – man kennt aber Erfahrungswerte, aus denen man die Wahrscheinlichkeit berechnen kann, daß es bis zum Zeitpunkt t zerfallen ist: P(t)=1-e-0,000436 t.

Hingegen wissen wir seit Newton, daß makroskopische Vorgänge wie das Rollen von Lottokugeln dank Impulserhaltung streng deterministisch sind. Wahrscheinlichkeiten hier gehen von Erfahrungswerten und idealisierten Annahmen aus, strenggenommen reine Willkür:

Die Aufgabe, den realen Inhalt des Begriffes der “mathematischen Wahrscheinlichkeit” von philosophischer Seite aufzuklären, kann man daher von vornherein als hoffnungslos ansehen

heißt es im Lehrbuch von Gnedenko in Paragraph 1.1. Anders gesagt: ein Zahlenwert einer mathematischen Wahrscheinlichkeit macht nur dann Sinn, wenn man weiß, unter welchen Annahmen er berechnet wurde.
Bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen, wie man sie in der Schule lernt, ist das natürlich recht banal: es gibt Y mögliche Ergebnisse beim 6 aus 49, davon sind X Erfolge (mehr als zwei Richtige), wenn man jetzt annimmt, daß die Lottokugeln nicht deterministisch rollen, sondern alle Ergebnisse die gleiche Wahrscheinlichkeit haben, kann man die Erfolgswahrscheinlichkeit berechnen, als hypergeometrische Verteilung.

Wenn man ein Ereignis oft genug wiederholt, wird sich die relative Anzahl des Eintreffens eines bestimmten Ergebnisses der Wahrscheinlichkeit dieses Ergebnisses annähern. (Wenn nicht, dann sind wir von der falschen Wahrscheinlichkeitsverteilung ausgegangen. Wenn doch, dann kann man sogar die Wahrscheinlichkeit berechnen, daß ab einer bestimmten Zahl von Ereignissen die angenommene Wahrscheinlichkeit mit einer bestimmten Genauigkeit erreicht wird.) In jedem Fall bekommt man nur eine Aussage über eine große Zahl von Ereignissen, wie es Max Frisch in “Homo Faber” auf den Punkt bringt:

Die Mortalität bei Schlangenbiß (Kreuzotter, Vipern aller Art) beträgt drei bis zehn Prozent, sogar bei Biß von Kobra nicht über fünfundzwanzig Prozent, was in keinem Verhältnis steht zu der abergläubischen Angst vor Schlangen, die man allgemein noch hat.

[…]
“Wenn ich hundert Töchter hätte, alle von einer Viper gebissen, dann ja! Dann würde ich nur drei bis zehn Töchter verlieren. Erstaunlich wenig!”

(Die Tochter stirbt dann nicht am Schlangenbiss, sondern an einer nichtdiagnostizierten Fraktur der Schädelbasis, die durch chirurgischen Eingriff ohne weiteres hätte behoben werden können.)

Nun paßt dieses Zitat hier nur bedingt, denn bei solchen Mortalitätsraten geht es ja tatsächlich nicht um berechnete Wahrscheinlichkeiten, sondern schlicht um statistische Erhebungen: X Menschen wurden im vergangenen Jahr von Schlangen gebissen, Y sind gestorben.

Dagegen handelt es sich bei Wahrscheinlichkeiten extrem unwahrscheinlicher Ereignisse offensichtlich nicht um Erfahrungswerte. Sondern, ja, um was eigentlich?
Wer von einer Wahrscheinlichkeit 1 : 33 Millionen spricht, sollte schon dazusagen, um welche 33 Millionen Ereignisse es sich handelt, von denen nur eines zum Mißerfolg führt. Sonst kann man mit der Zahl nichts anfangen.

Kommentare (35)

  1. #1 Ulrich Berger
    15. März 2011

    In den vergangenen Tagen geistert die Zahl 1 : 33 Millionen durch die Nachrichten, als Wahrscheinlichkeit für einen Atomunfall.

    Wenn schon, dann wäre auch ein Zeitintervall nicht schlecht. Bleibt aber trotzdem bullshit. Was da passiert ist, war ein black swan (nach Taleb).

    Übrigens glaube ich nicht, dass Lottokugeln deterministisch rollen, aber das ist eine andere Geschichte…

  2. #2 Christoph
    15. März 2011

    Ist es überhaupt mathematisch möglich von einem Ereignis eine fundierte Wahrscheinlichkeitsaussage zu treffen, wenn man die Menge aller möglichen Ereignisse nicht begrenzt ist?

    In meinen Augen, sollte das doch schlichtweg unmöglich sein… Auf einen 1D-Fall runtergebrochen:
    Wie kann ich sicher sein, dass selbst wenn eine Wahrscheinlichkeitsdichte über einem Intervall von -1000 und 1000 praktisch perfekt Normalverteilt ist, wer sagt mir, dass es bei 1e6 nicht noch einen Verteilungspeak gibt?

    Dieses kann ich doch höchstens durch Experimente herausfinden, die jedoch für AKWs ja eigentlich ausgeschlossen werden sollten…

  3. #3 Christoph
    15. März 2011

    Entschuldigt die teils etwas wirren Sätze, ich hätte noch einmal Korrektur lesen sollen.

  4. #4 Ex-Esoteriker
    15. März 2011

    1:33 Mio?

    von was, von allen Atomkraftwerken dieser Welt?
    Oder haben die die Wahrscheinlichkeit “nur” von dem Kraftwerk in Japan errechnet?

    Und was ist mit Zeiträumen? 1:33 Mio in 1 Jahr? 10 Jahren oder 100 Jahren?

    Also ohne zusätzliche Zahlen ist der Wert eigentlich Sinnlos.

  5. #5 Ralf
    15. März 2011

    Eine andere Deutung:
    Selbst die Wahrscheinlichkeit 0 bedeutet nicht unmöglich.

    Nemen wir eine mechanische Uhr und ziehen sie auf
    Irgendwann bleibt die Uhr stehen.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass der große Zeiger zwischen 12 und 1 Uhr stehen bleibt ist 1/12
    Die Wahrscheinlichkeit, dass der große zeiger auf 12 Uhr sthen bleibt ist 0.
    Ist es deshalb unmöglich?
    🙂

  6. #6 Ralf
    15. März 2011

    Eine andere Deutung:
    Selbst die Wahrscheinlichkeit 0 bedeutet nicht unmöglich.

    Nemen wir eine mechanische Uhr und ziehen sie auf
    Irgendwann bleibt die Uhr stehen.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass der große Zeiger zwischen 12 und 1 Uhr stehen bleibt ist 1/12
    Die Wahrscheinlichkeit, dass der große zeiger auf 12 Uhr sthen bleibt ist 0.
    Ist es deshalb unmöglich?
    🙂

  7. #7 Thomas R.
    16. März 2011

    @Ralf

    Der Fehler in Ihrer Argumentation (die natürlich ein Scherz ist) ist der, dass der kleine Strich, der die zwölf markiert, natürlich selbst eine gewisse Breite hat, die ein gewisses Bruchteil des Laufweges des Zeigers ausmacht. Die Wahrscheinlichkeit ist also >0, dass der Zeiger genau auf 12 zum Stehen kommt. Null ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es bei 13 passiert.

  8. #8 Ex-Esoteriker
    16. März 2011

    Denke mal soagr, dass Wahrscheinlichkeiten von Dingen und Situationen niemals gleich Null ist, sondern, dass selbst kleinste Wahrscheinlichkeiten noch einen Zahlenwert hinterm Komma haben.

  9. #9 JLN
    16. März 2011

    Ralf hat trotzdem nicht ganz unrecht, aber das physikalische Beispiel ist natürlich unglücklich 😉 Geometrisch gehts besser.

    Angenommen wir wählen zufällig eine Gerade in der Ebene aus (d.h. wir haben 4 zufällig gewählte Parameter mit stetiger Verteilungsfunktion). Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere zufällige Gerade parallel zur x-Achse ist, 0. Trotzdem gibt es parallele Geraden… Sie sind nur nicht per Zufall zu finden.

  10. #10 regow
    16. März 2011

    1 : 33 Mio pro Steuervorgang?
    1 : 33 Mio pro Ventil, Schraube, Hilfsmotor, usw.?
    1 : 33 Mio pro Mitarbeiter in der Steuerzentrale?
    1 : 33 Mio pro Betriebs- stunde, tag, Jahr?
    Ja, das sollte man dazu immer dazusagen.

  11. #11 Thomas R.
    16. März 2011

    @JLN

    Wenn du ein Szenario konstruierst, in dem es eine unendliche Zahl von gleich wahrscheinlichen, möglichen Ereignissen gibt und eine endliche Zahl von tatsächlich eintretenden, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes davon eintritt, eben nicht “0”. Sie mag unendlich klein sein, aber sie ist vorhanden.

  12. #12 Thilo
    16. März 2011

    In der Mathematik spricht man in diesem Zusammenhang tatsächlich von Wahrscheinlichkeit 0. (Zum Beispiel ist eine zufällig gewählte reelle Zahl mit Wahrscheinlichkeit 0 eine rationale Zahl.) Trotzdem ist das Ereignis natürlich nicht unmöglich.

  13. #13 Stefan W.
    17. März 2011

    Wenn Du oder sonstwer die Lottozahlen vorhersagen könnt, dann demonstriert es bitte.

    Es gibt einfach viel zu viele winzige Parameter, die eine Rolle spielen, und sich ständig ändern (Staub), und gar nicht erfasst werden können, so schnell nicht erfasst werden können. Dass man es dann vorhersagen könnte ist reine Spekulation.

  14. #14 Ex-Esoteriker
    17. März 2011

    @ Thilo,

    Zum Beispiel ist eine zufällig gewählte reelle Zahl mit Wahrscheinlichkeit 0 eine rationale Zahl

    verstehe ich nicht.

    Eine reelle Zahl z.B. 7,5 kann man doch auch als rationale Zahl schreiben, z.B. 75/10?
    Also praktisch alle Kommazahlen in ein Bruch umwandeln, für mich bekannt aus der Schulzeit, damit für mich ist die Wahrscheinlichkeit gleich 100%

    oder habe ich da was falsch verstanden?

  15. #15 rolak
    17. März 2011

    Rationale Zahlen sind nur ein kleiner Teil der reellen Zahlen, ExEso, oder anders gesagt

    aleph0<<(2^^aleph0).

    Siehe Kardinalzahlen.

  16. #16 Thilo
    17. März 2011

    Eine reelle Zahl z.B. 7,5 kann man doch auch als rationale Zahl schreiben, z.B. 75/10?

    Endliche Dezimalbrüche kann man auf diese Weise als rationale Zahlen schreiben. Auch periodische Dezimalbrüche kann man als rationale Zahlen schreiben, z.B. 0,333333333… als 1/3.

    Für unendliche nicht-periodische Dezimalbrüche geht das aber nicht, zum Beispiel Pi oder die Wurzel aus 2.

  17. #17 Thilo
    17. März 2011

    Ich habe jetzt noch einen Beitrag zu der mathematischen Frage nach “Wahrscheinlichkeit Null” geschrieben: https://www.scienceblogs.de/mathlog/2011/03/wahrscheinlichkeit-null.php

  18. #18 Christian 2
    17. März 2011

    Die Wahrscheinlichkeit für einen Atomunfall ist völlig unkalkulierbar. Es ist ein Argument der Pro- Atomlobby, das man aufgrund berechneter Unwahrscheinlichkeit ein Ereignis wie den Supergau ausschließen kann (Welches jetzt hoffentlich ausreichend entkräftet wurde).

    Am Beispiel Fukushima oder Tschernobyl sieht man sehr deutlich, das Atomkraftwerke viel gefährlicher sind- Wahrscheinlichkeiten werden hier auf einzelne Ereignisse bezogen.

    Große Erdbeben an Japans Küste z.B. können aber jederzeit auch mit großen Tsunamis einhergehen. Das kann alle hundert Jahre vorkommen, da dort große Beben und Kontinentalverschiebungen ein Problem sind.

    Das scheint aber niemand berücksichtigt zu haben. Warum, ist mir ein wenig schleierhaft. Ein Atomkraftwerk an eine tsunamigefährdete Küste zu bauen macht Wahrscheinlichkeiten für einen Supergau völlig unkalkulierbar bzw. in diesem Fall eher sehr wahrscheinlich.
    In Tschernobyl war es menschliches Versagen, welches sich ebenfalls nicht an Wahrscheinlichkeiten hält, und somit größtes Gefährdungspotenzial innehat. Da kann man nicht mehr mit 1:1 Mio. für einen Supergau rechnen, sondern mit 1:10000.

    Und diese Zahl wird auch nicht durch die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen unwahrscheinlicher, da es immer eine Verkettung von Zwischenfällen geben kann, die diesen Wert oder darunter erreicht. Die zunehmende Menge an Reaktoren in der Welt erhöht die Wahrscheinlichkeit, das ein solches Szenario auch irgendwann eintrifft.

    Fazit: Wahrscheinlichkeiten in Atomkraftwerken waren schon immer in höchstem Maße fahrlässig. Die Katastrophe in Fukushima war aus meiner Sicht definitiv vorhersehbar, und vermeidbar.
    Nur wenn man sich vor den Möglichkeiten solcher Szenarien auch in etwas katastrophalerer Form verschließt und diese nicht richtig untersucht, sollte man besser weltweit ganz auf diese brandgefährliche Technologie verzichten.

  19. #19 BreitSide
    17. März 2011

    regow: gemeint mit solchen Riesenzahlen sind immer katastrophale Ereignisse. Die Definition “katastrophal” muss natürlich auch kommen:
    – Kernschmelze?
    – GAU?
    – Kontaminierung der Umgebung?
    – wie stark?
    – SuperGau?

    Das ist der Trick mit den “Katastrophenuhren”, die in mancher Anlage liefen: man hat die Wahrscheinlichkeiten einfach multipliziert, dass zB eine Pumpe ausfällt oder ein Notstromaggregat. Rechnerisch erhält man so für ein AKW leicht einige tausend/millionen Jahre.

    zB: Wahrscheinlichkeit Ausfall einer Pumpe pro Jahr: 1/10,
    heißt Wahrscheinlichkeit Ausfall zweier Pumpe pro Jahr: 1/100,

    dann wird erzählt, dass es 10.000 Jahre dauert, bis alle Pumpen einmal (innerhalb eines Jahres) ausfallen.

    Entsprechend laufen diese Uhren dann auch 20 Jahre, und die ersten 6 oder mehr Stellen stehen immer noch auf null.

    Was natürlich Quatsch ist, denn der Zufall wartet nicht, bis er an die Reihe kommt.

  20. #20 Ketzu
    17. März 2011

    Und diese Zahl wird auch nicht durch die Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen unwahrscheinlicher, da es immer eine Verkettung von Zwischenfällen geben kann, die diesen Wert oder darunter erreicht. Die zunehmende Menge an Reaktoren in der Welt erhöht die Wahrscheinlichkeit, das ein solches Szenario auch irgendwann eintrifft.

    Das zeigt ein seltsames Verständnis von Wahrscheinlichkeit. Die Verkettung von unglücklichen Umständen ist noch unwahrscheinlicher als ein unglücklicher Umstand allein – eben bedingte Wahrscheinlichkeit.
    Worauf du hinaus willst ist legitim: Die Kalkulation der Wahrscheinlichkeit ist Blödsinn. Aber deine “Methode” zeugt von fehlerhaftem Verständnis.

  21. #21 Christian 2
    17. März 2011

    Da kann man mal sehen, wie bescheuert die Annahmen bisher gewesen sein müssen. Wenn es stimmt wie du sagst. Man muss die Wahrscheinlichkeiten ganz anders gegeneinander abwägen, multiplizieren bringt da nichts.

    Ein Containment beispielsweise hält vielleicht 50 Jahre, bevor es leckt. Das kann sich jeder ausmalen, der in seinem Leben mit Metall zu tun hat oder hatte.
    Stahl hält nicht ewig. Stahl arbeitet, verzieht sich durch Wärme und Druck, korrodiert besonders an Nahtstellen. Gleiches gilt für die Zuleitungen der Kühlung usw. Das ist eine ganz natürliche Geschichte.
    Was beteutet das? Die Wahrscheinlichkeit liegt nach diesen 50 Jahren bei nahezu 1, das ein solcher Druckbehälter leckt, und somit eine ernste Gefahr bzw. einen gravierenden Störfall bis zur schnellen Kernschmelze darstellt.

    Und sowas hat man bislang nicht berücksichtigt? Vor allem bei Laufzeitverlängerungen nicht? Sehr interessant.

    Gleiches gilt natürlich für die gesamte restliche Anlage, in der viel Stahl Verwendung findet. Das Problem am Druckbehälter ist auch, das man ihn im Gegensatz zu den Leitungen nicht austauschen oder mal eben reparieren kann.

    Ersatzteile falsch montiert aufgrund fehlender richtiger Ersatzteile oder unzureichend abgedichtet sind menschliche Fehlerquellen, die man als Wahrscheinlichkeit nicht multiplizieren, sondern von der angenommenen Grundwahrscheinlichkeit eines großen Störfalls immer für eine reelle Ausgangseinschätzung subtrahieren muss.

    So wird ein AKW doch bei zunehmenden Gefahrenquellen sehr schnell immer unsicherer, was auch viel realistischer ist.
    Die angenommene Unwahrscheinlichkeit von 1: 33Mio. ist somit totaler Bullshit.

    Es ist schon beinahe ein Wunder, das vorher so wenig passiert ist. Das Ende kommt dann natürlich irgendwann richtig Dick.
    Wird Sicherheit in Kraftwerken wirklich so auf die leichte Schulter genommen wie ich es befürchte, müssen wir und unsere Nachbarn schnellstmöglich ermutigt werden, auszusteigen.

  22. #22 BreitSide
    19. März 2011

    Zustimmung!

  23. #23 Belzer
    20. März 2011

    Die angenommene Unwahrscheinlichkeit von 1: 33Mio. ist somit totaler Blödsinn.
    Vollkommene Zustimmung.

    Mit solchen Zahlen wird nur eine angebliche Seriosität sugeriert, die nicht gegeben ist.

  24. #24 bfr
    21. März 2011

    Die einzige Chance, nicht im Lotto zu gewinnen, ist es, nicht mitzuspielen. Wer mitspielt, hat leider eine sehr geringe Chance, zu gewinnen. Obwohl sie so gering ist, ist sie da. Auch wenn die Betreiber der Lottogesellschaft behaupten, es wäre vollkommen unmöglich zu gewinnen, weil sie ganz genau ausgerechnet haben, dass die Wahrscheinlichkeit genau 1:13983816 ist. Es kann also höchstens einmal in 14 Millionen Jahren passieren. Also ist es vollkommen unmöglich.
    Jetzt gab es am 12.3.2011 einen Lottogewinner. Was nach Angaben der Betreiber bestenfalls ein Beweis dafür ist, dass in den nächsten 28 Millionen Jahren keiner mehr gewinnen kann. Wir können uns also beruhigt zurücklehnen. Niemand wird mehr gewinnen.
    Die einzige Chance, nicht im Lotto zu gewinnen, ist es, nicht mitzuspielen. Wenn man öfter als einmal spielt, kann man das Risiko, zu gewinnen, erhöhen. Freundlicherweise bezahlen die Betreiber jedem Erdenbürger jedes Jahr etwa 443 Lottospiele pro Spielzyklus von einem Jahr. Sie tun das seit etwa 40 Jahren. Das ergibt schon 17720 Einzelspiele. So menschenfreundlich sind sie zu uns. Wir müssen nicht einmal etwas zahlen. Es wird alles aus unseren Gebühren finanziert. Also spielt eigentlich jeder von uns mit. Und die einzige Chance, nicht im Lotto zu gewinnen, ist es, nicht mitzuspielen. In der neuen Lotterie wird der Hauptgewinn auch nicht mehr an einen einzigen ausgezahlt. Den letzten Gewinn am 12.3.2011 können wahrscheinlich mehrere Zigmillionen Menschen bekommen. Alle gleichzeitig. Niemand kann den Betreibern Geiz vorwerfen. Und seit es dieses Lotto gibt, wurde der Hauptgewinn schon elfmal ausgezahlt. In Ontario 1952, in Idaho 1957, in Santa Susana 1959, in Idaho Falls 1961, in Michigan 1966, in Lucens und Saint-Laurent 1969, in Bohunice 1977, in Harrisburg 1979, in Pripjat 1986, in Okuma 2011.
    Also müsste es jetzt eigentlich 11 * 14 Millionen Jahre bis zum nächsten Gewinn dauern.
    Ich glaube das jetzt einmal einfach nicht. Denn wir haben ja schon gemessen, wie oft wir gewonnen haben, nämlich k=11-mal. Und wir wissen, wie oft wir gespielt haben, nämlich n=17720-mal. Der Erwartungswert bei der Binomialverteilung ist k=np. Wir können ganz grob annehmen, dass der Erwartungswert etwa den bisherigen Gewinnen entspricht. Dann kann man doch p abschätzen. p=(kgemessen)/n = 11/17720 = 1/1610.
    So freundlich sind die Betreiber der Lottogesellschaft zu uns. Sie schenken uns allen eine Lotterie mit der man mit der Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1610 gewinnt. Sie schenken uns 443-mal in jedem Jahr ein Spiel und bezahlen es kostenlos aus unseren Gebühren. Sie stellen ihr Licht vollkommen unter den Scheffel und behaupten, man könnte in ihrer Lotterie praktisch nicht gewinnen. Und sie zahlen den Gewinn großzügig an alle aus, die in der Nähe des Hauptgewinners wohnen. Wer möchte nicht so eine Lotterie haben?
    Die einzige Chance, nicht im Lotto zu gewinnen, ist es, nicht mitzuspielen.
    (PS: Die einzige Zahl, die aus der deutschen Lotterie kommt, ist die Zahl 13983816, berechnet ohne die Superzahl. Nicht dass mich die deutsche Lottogesellschaft wegen falscher Zahlen verklagt
    PPS: Und über die Liste der Hauptgewinne kann man streiten. Es sind die bei Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Kernschmelze aufgeführten)

  25. #25 Stefan W.
    22. März 2011

    13983816/52 ist aber 268920 rund, wenn Sie es schon in Jahre umrechnen – die Ziehungen sind doch wöchentlich.

  26. #26 PanosZ
    24. März 2011

    @bfr: schöner Beitrag, ich würde sogar (in der Darstellung) noch weiter verkürzen: wir hatten laut
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kernschmelze ca. 11 bekannte und weniger bekannte Fälle von partieller bzw. kompletter Kernschmelze, d.h. es kann eine empirisch ermittelte Wahrscheinlichkeit von 0,25 Unfällen dieser Art pro Jahr angenommen werden oder 1 Unfall alle 4 Jahre, die empirische ermittellte Wahrscheinlicheit für eine totale Kernschmelze (ohne Fukashima) läge demnach immerhin noch bei 0,05 pro Jahr. Klar, man kann sich streiten ob eine solche Wahrscheinlichkeit zulässig sei, warum aber sollte die Zukunft besser ausfallen als die Vergangenheit?

  27. #27 Physiker
    24. März 2011

    Die empirisch ermittelte Häufigkeitsverteilung von Kernschmelzen deckt sich auch ziemlich gut mit dem angegebenen Restrisiko von KKW, dass bei ca. 1:30000 pro Jahr und Anlage liegt (und eben nicht bei irgendwelchen utopischen 1:33Mio – schön wär’s). Genauere Zahlen, Definitionen und Links finden sich in den Kommentaren des Nachbarblogs von Georg Hoffmann über einen reißerischen Spiegel-Artikel zum Thema.

    Wenn man also die in sog. PSA-Studien bestimmten Risiken kannte (ich kannte sie zugegebenermaßen nicht) – dann war so ein Unfall wie in Fukushima zu erwarten.

  28. #28 CrisisMaven
    3. April 2011

    Atomkraft-Sicherheitsberechnungen sind wissenschaftliche Prostitution – es gibt naemlich nicht genuegend grosse Grundgesamtheiten, um daraus schliessende Statistik zu betreiben. Bei den genannten 1:33 Millionen betraegt naemlich die Fehlermarge mindestens 1:330 Millionen (oder beliebig mehr)! Und fuer solch einen ueblen Scherz gibt man Forschungsgelder aus!?
    Siehe auch: https://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=208416

  29. #29 Andrea N.D.
    6. April 2011

    Alles schön und gut, wenn es meine Familie ist, die an einem un-/nicht-/null-“wahrscheinlichen” Ergeignis gestorben ist, ist mir die Wahrscheinlichkeit ziemlich egal. Was sagt also die Wahrscheinlichkeitsberechnung von Katastrophen? Hoffentlich trifft’s nicht mich sondern die anderen. Hier würde ich lieber die grundsätzliche Frage stellen wollen: Warum setzten wir uns Technologien aus, die so gefährlich sind, dass wir uns die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe gegen Null rechnen müssen? Mir wäre lieber, der Super-Gau wäre ausgeschlossen und nicht nicht-wahrscheinlich. Es gibt keine Wahrscheinlichkeiten sondern nur aus oder an. Und wenn er nicht ausgeschlossen werden kann, wie ja kürzlich eindrucksvoll bewiesen wurde (vollkommen gleichgültig, ob es an menschlichem Versagen oder der Technologie selbst lag), dann macht eine Wahrscheinlichkeitsberechnung wenig Sinn.

  30. #30 CrisisMaven
    6. April 2011

    @Andrea N.D.· 06.04.11 · 15:26 Uhr – genau …
    Atomkraft-Sicherheitsforschung ist Pornographie …
    https://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=208416

  31. #31 Andrea N.D.
    7. April 2011

    @Chris:
    Ein sehr polemischer Link, damit kann ich nichts anfangen. Mein Punkt war, dass Wahrscheinlichkeitsrechnungen an einen Punkt kommen können, an dem sie nichts mehr aussagen und auf andere Bereiche rekurriert werden muss, um zu Entscheidungen zu kommen.

  32. #32 CrisisMaven
    7. April 2011

    @Andrea N.D.· 07.04.11 · 08:07 Uhr (falls ich mit “Chris” gemeint sein sollte): Die Polemik liegt auf Seiten derer, die den Verstand und die wissenschaftliche Integritaet derer, die denken koennen, mittels “Berechnungen”, deren “Fehlerhof” groesser ist als deren Aussage (“einmal in einer Million Jahre mit einer Fehlermarge von plus/minus zehn Millionen Jahren”) beleidigen. Immerhin hat diese “Polemik” das Hessische Wirtschaftsministerium unter der atomversessenen SPD derart beeindruckt, dass sie 1977 NUR aufgrund dieser Erkenntnis die Atomwende einleitete.

  33. #33 junia
    20. Mai 2011

    Moment mal! Ich hab noch nie erlebt, dass ein Jackpot nicht geknackt wurde. Oder bin ich jetzt völlig desinformiert? So gering die Wahrscheinlichkeit auch ist, im Lotto 6 richtig zu bekommen, aber es gibt immer Leute, die trotzdem gewinnen.

    Auch wenn die Wahrscheinlichkeit nahezu null ist für irgendwas. Die Wahrscheinlichkeit kann trotzdem genau dann eintreten, wenn man es nicht erwartet.

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    31. Oktober 2012

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