Jeder kennt den Witz vom Mathematiker, der in der Wüste einen Löwen fangen will, deshalb einen Zaum um sich herum baut und dann definiert: ich bin außen.

Und natürlich gibt es viele Variationen dieser Geschichte, sowohl für andere Fächer als auch für spezielle Teilgebiete der Mathematik.

Francis (th)E mule hatte letzte Woche einen Artikel mit Verlinkungen zu Sammlungen solcher Witze aus dem Jahr 1938 (von H.Pétard), von 1968 (O.Morphy), von 1976 (J.Barrington) und 1996. Die Mathematik-Geschichte des 20.Jahrhunderts veranschaulicht durch Löwen-Witze.

1938 war natürlich Hilberts axiomatische Methode das Angesagteste:
Wir stellen einen Käfig auf einen gegebenen Punkt der Ebene. Dann definieren wir das folgende logische System:
Axiom I: Die Klasse der Löwen in der Sahara ist nicht leer.
Axiom II: Wenn es einen Löwen in der Sahara gibt, dann gibt es einen Löwen im Käfig.
Schließregel: Wenn p ein Theorem ist und ‘wenn p, dann q’ ein Theorem ist, dann ist q ein Theorem.
Theorem 1: Es gibt einen Löwen im Käfig.

Von der axiomatischen Methode kommt man leicht auf inversive oder projektive Geometrie. Der Beweis mittels Inversion an der Sphäre ist eigentlich sehr anschaulich und naheliegend:
Stelle einen sphärischen Käfig in die Wüste, gehe hinein und verschließe ihn. Wir führen eine Inversion an der Sphäre (am Käfig) durch. Danach ist der Löwe im Käfig und wir sind außen.
Weiter gibt es die Bolzano-Weierstraß-Methode (im Prinzip Fangen durch Einschachtelung), die “mengentheoretische” Methode (benutzt die Separabilität der Wüste) und die Verwendung von Peano-Kurven:
Konstruiere eine stetige Kurve, die durch jeden Punkt der Wüste geht. Man kann diese Kurve in beliebig kurzer Zeit durchlaufen(Hilbert). Mit einem Speer bewaffnet durchqueren wir die Wüste in einer kürzeren Zeit als der Löwe sich um seine eigene Länge bewegen kann.
Es gibt noch eine andere topologische Methode, bei der die Wüste im 4-dimensionalen Raum so deformiert wird, daß der Löwe im 3-dimensionalen Raum dann verknotet und damit hilflos ist, und schließlich fehlen natürlich nicht die Lösungen mit dem Cauchyschen Integralsatz (Bild links oben) und mit Wieners (damals noch recht aktuellen) Tauber-Satz.

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francisthemulenews.wordpress.com/2011/08/03/humor-para-matematicos-34-maneras-de-atrapar-un-leon/

In den 30 Jahren bis 1968 gab es viele Umbrüche in der Mathematik, an erster Stelle kommt jetzt die Chirurgie-Theorie:
Ein Löwe ist eine orientierbare 3-Mannigfaltigkeit mit nichtleerem Rand. Nach Kervaire-Milnor kann der Löwe durch eine Folge von Chirurgie-Operationen (“sphärische Modifikationen”) kontrahierbar gemacht werden. Man kann für ihn dann einen Kontrakt bei Barnum and Bailey unterschreiben. (Barnum and Bailey war ein bei Tierschützern sehr umstrittener Wanderzirkus.)
Weitere topologische Ansätze:
die Kobordismusmethode:
For the same reasons the lion is a handlebody. A lion that can be handled is trivial to capture.,
die garbentheoretische Methode:
Der Löwe ist ein Schnitt in der Garbe der Löwenkeime in der Wüste. Versehe die Wüste mit der diskreten Topologie. Die Halme der Garbe fallen auseinander und geben die Keime frei, welche den Löwen töten.,
die Postnikov-Methode:
Der Löwe ist behaart und deshalb ein Faserraum. Konstruiere die Postnikovzerlegung. Ein zerlegter Löwe ist natürlich längst tot.,
die universelle Überlagerung:
Überlagere den Löwen durch seinen einfach-zusammenhängenden Überlagerungsraum. Weil der Raum keine Löcher hat, ist der Löwe gefangen. ,
neben den topologischen Ansätzen gibt es noch die spieltheoretische Methode: Befolge die optimale Strategie. und die Feit-Thompson-Methode: Man kann (evtl. durch Hinzufügen eines Löwen) annehmen, daß die Anzahl der Löwen ungerade ist. Das macht das Problem auflösbar. .

1976 gab es 15 neue Ansätze, darunter die Moore-Smith-Methode (der Löwe wird mit einem Netz gefangen), die PL-Methode (der Löwe wird mit einem Kragen versehen), die Singularitätenmethode (der Löwe ist o.B.d.A eine stabile Singularität ohne Selbstschnitte, also ein Cusp, der Schnitt der Komplexifizierung mit der 3-Sphäre ist ein Kleeblatt-Knoten, der verknotete Löwe ist hilflos) oder die Thom-Zeeman-Methode (ein Löwe in der Wüste ist eine Katastrophe in einer Variablen mit 3 Kontrollparametern, nach Thoms Klassifikation also ein Schwalbenschwanz (swallowtail), ein Löwe, der seinen Schwanz verschluckt hat – “that has swallowed his tail” – kann keinen Widerstand leisten).

1996 kamen dann viele informatik-spezifische Ansätze dazu, wie parallele Suche, Monte-Carlo-Methode, der “common language approach” (If only everyone used ADA/Common Lisp/Prolog, this problem would be trivial to solve. ) oder auch die Methode der ‘Hardware Sales People’, die Kaninchen fangen, gelb streichen und als Desktoplöwen verkaufen.

Kommentare (6)

  1. #1 ChristianW
    8. August 2011

    Du hast noch die Informatiker vergessen, die einen Löwenfang-Algorithmus formulieren, der beginnend mit Kapstadt über alle afrikanischen Stäfte iteriert, und dann einen Löwen in Kairo platzieren, damit der Algorithmus auch mit Sicherheit terminiert.

  2. #2 MartinB
    9. August 2011

    Und der Physiker fliegt mit nahezu lichtgeschwindigkeit über die Wüste – dann ist der Löwe wegen der Längenkontrkation ganz flach und kann einfach aufgerollt werden.

  3. #3 JK
    9. August 2011

    Desweiteren die stochastische Methode: Man braucht ein Laplace-Rad, einen Würfel und eine Gauß’sche Glocke.

    Auf dem Laplace-Rad fährt man in die Wüste und wirft dem Löwen den Würfel an den Kopf. Wenn er dann wütend gerannt kommt, stülpt man die Gauß’sche Glocke über ihn.

    Der Löwe ist jetzt mit der Wahrscheinlichkeit p=1 darunter gefangen.

  4. #4 JK
    9. August 2011

    Desweiteren die stochastische Methode: Man braucht ein Laplace-Rad, einen Würfel und eine Gauß’sche Glocke.

    Auf dem Laplace-Rad fährt man in die Wüste und wirft dem Löwen den Würfel an den Kopf. Wenn er dann wütend gerannt kommt, stülpt man die Gauß’sche Glocke über ihn.

    Der Löwe ist jetzt mit der Wahrscheinlichkeit p=1 darunter gefangen.

  5. #5 JK
    15. August 2011

    @ JK, hallo, ich bin ein anderer JK, was noch eine Löwenfangmethode eröffnet:

    Die Identität der Zeichen JK und JK, denen eine Nichtidentität des Bezeichneten korrespondiert, so dass zu fragen wäre, ob JK überhaupt etwas bezeichnet, verwirrt den Löwen derart, dass er freiwillig in den Käfig geht, um den Rest seines Lebens über dieses Rätsel nachzudenken.