Whitney’s Approximationssatz: stetige Funktionen können durch differenzierbare approximiert werden.

Wir hatten letzte Woche begründet, warum man auf Flächen Differentialrechnung treiben kann (soll heißen: warum es auf Flächen eine differenzierbare Struktur gibt). Das wird zum einen nützlich sein, um weitere Beweise für die Klassifikation der Flächen zu geben, oder auch um Zusammenhänge zwischen Topologie und Vektorfeldern und Flüssen herzustellen. Zum anderen ist Differenzierbarkeit aber auch nützlich, um Abbildungen zwischen Flächen (und analog auch höher-dimensionalen Mannigfaltigkeiten) zu untersuchen.

In der Topologie interessiert man sich meist für Abbildungen bis auf Homotopie. Zwei Abbildungen heißen homotop, wenn man die eine stetig in die andere deformieren kann.
Präzise: Zwei Abbildungen f,g:M–>N heißen homotop, wenn es eine stetige Abbildung H:Mx[0,1]–>N gibt mit H(x,0)=f(x) und H(x,1)=g(x) für alle x.
Das Bild zeigt eine Homotopie zwischen zwei Abbildungen des Intervalls in die Ebene.

i-ba555c8fecf70a38852f45cbf164d255-Homotopy_curves.png

Topologen sehen also homotope Abbildungen sozusagen als ‘gleich’ an, d.h. sie untersuchen nur solche Eigenschaften von Abbildungen, die von Homotopien erhalten werden. Es ist nun so, daß jede stetige Abbildung homotop zu einer differenzierbaren Abbildung ist (wir sagen gleich etwas zum Beweis), weshalb man als Topologe, der sich sowieso nur für Abbildungen bis auf Homotopie interessiert, nur differenzierbare Abbildungen zu untersuchen braucht. (Warum das Vorteile bringt, wird man vielleicht in den Beispielen der nächsten Wochen sehen.)

Jede stetige Abbildung ist homotop zu einer differenzierbaren Abbildung.

Wir beschreiben hier der Einfachheit halber den Beweis für Flächen, der höherdimensionale Fall geht aber völlig analog.

Warum also ist jede stetige Abbildung f:S—>T (zwischen zwei Flächen S,T) homotop zu einer differenzierbaren Abbildung?

Zunächst wissen wir, z.B. aus der Klassifikation der Flächen, daß sich jede (kompakte, orientierbare) Fläche T in den euklidischen Raum R3 einbetten läßt, und daß sie dort eine ‘Tubenumgebung’, d.h. eine Umgebung der Form Tx[0,ε) hat.
Das gilt ganz allgemein auch in höheren Dimensionen, ganz allgemein folgt es aus dem Whitney-Einbettungssatz und dem Satz über Tubenumgebungen. Für die bekannten kompakten, orientierbaren Flächen braucht man aber nicht den allgemeinen Satz, sondern kann die Einbettung und ihre Tubenumgebung einfach explizit angeben.


Tubenumgebung einer Kurve in der Ebene

Die Tubenumgebung einer Fläche kann man auf die Fläche projizieren (und diese Projektion ist homotop zur Identität). Wenn wir unsere stetige Abbildung f:S–>T in eine differenzierbare Abbildung g:S–>R3 deformieren, die nur geringen Abstand von f hat, dann liegt das Bild in der Tubenumgebung, und wir können g (ebenso wie die gesamte Homotopie) auf T projizieren und bekommen eine Abbildung g:S–>T.
Um Abbildungen f:S–>T in differenzierbare Abbildungen g:S–>T zu deformieren, genügt es also schon, wenn man Abbildungen f:S–>R3 in differenzierbare Abbildungen g:S–>R3 deformieren kann. (Wobei während der Homotopie der Abstand der Bilder vom ursprünglichen f(x) stets kleiner als ε bleiben soll.)

Der Vorteil des Bildraumes R3 (statt der ursprünglichen Fläche T) ist, daß man dort addieren und mit Skalaren multiplizieren kann, was im Beweis recht nützlich sein wird.

Der Trick, mit dem man nun arbeitet, heißt ‘Zerlegung der 1’: zu jeder Überdeckung einer Fläche durch offene Mengen Ui gibt es differenzierbare Funktionen φi, so daß φi außerhalb Ui‘s 0 ist und daß in jedem Punkt die Summe aller φi(x) 1 ergibt.
Das Bild unten zeigt eine Zerlegung der 1 für eine Überdeckung des Intervalls. Auch für Flächen kann man Zerlegungen der 1 explizit angeben.
Man kann auch allgemein beweisen, daß es zu jeder Überdeckung einer Mannigfaltigkeit (beliebiger Dimension) eine Zerlegung der 1 gibt.

i-2761adffb8b0df20f59535a1b140a1a0-500px-Partition_of_unity_illustration.svg.png

Zu unserer Abbildung f:S–>R3 wählen wir jetzt eine Überdeckung von S, so daß die Werte von f auf den einzelnen Mengen dieser Überdeckung nur um ε variieren. (D.h. wir überdecken S durch offene Mengen Ui, so daß für alle x,y aus Ui der Abstand IIf(x)-f(y)II kleiner als ε ist.) Das ist möglich, weil f stetig ist.

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