Einen geometrischeren Zugang entwickelte wenig später Erhard Schmidt. Wie Hilbert nutzt er die Zerlegung stetiger Funktionen als trigonometrische Reihen, um sie als Punkte im „Hilbert-Raum“ l2 aufzufassen. Anders als Hilbert, der immer nur von einem „Wertsystem x1,x2,… mit konvergenter Quadratsumme“ spricht, denkt Schmidt sich den l2 als unendlich-dimensionalen Vektorraum mit einem Skalarprodukt und benutzt die geometrische Anschauung, die man für gewöhnlich mit endlich-dimensionalen Vektorräumen verbindet, insbesondere die Länge und Orthogonalität von Vektoren und die orthogonale Projektion. Er verwendet regelmäßig die Cauchy-Schwarz-Ungleichung und die Parseval-Identität und er beweist in diesem allgemeinen Kontext das heute als Gram-Schmidt-Orthonormalisierung bezeichnete Verfahren. Er erhält – teilweise unter etwas allgemeineren Voraussetzungen – alle von Hilbert bewiesenen Aussagen über die Existenz von Eigenwerten und Eigenvektoren und daraus synthetisch die Fundamentalformel \langle Tx,y\rangle =\sum_k e_k\langle x,e_k\rangle\langle y,e_k\rangle. Sein Zugang hatte den Vorteil der Direktheit: anders als Hilbert, der mit einem vollständigen Orthonormalsystem die Integralgleichung in ein unendliches lineares Gleichungssystem überführte und dessen Lösungsaussagen über einen Grenzübergang zu erschließen versuchte, muß Schmidt das unendliche System nicht mehr als den Grenzfall endlicher Systeme verstehen.

Hilberts Ansatz – über die Wahl eines vollständigen Orthonormalsystems – führte zu einem unendlichen linearen Gleichungssystem in einem Folgenraum, dessen Folgen nach der Besselschen Ungleichung alle quadratisch summierbar sind, also im l2 liegen. Er entwickelte dann in einer der Mitteilungen die Theorie der selbstadjungierten Operatoren auf l2, die sich genauso auch auf alle Vektorräume mit vollständigem Skalarprodukt erweitern läßt. Letztere werden später nach ihm benannt, obwohl er selbst sagte, er verstehe sie nicht.

Sowohl Hilbert als Schmidt benutzten noch den Riemannschen Integralbegriff und konnten deshalb den Spektralsatz nur auf stetige Funktionen anwenden. (Sie arbeiteten also nicht mit dem gesamten Hilbert-Raum L2, sondern nur mit dem Unterraum der stetigen Funktionen.) Mit dem einige Jahre zuvor von Lebesgue entwickelten Integralbegriffe ließ sich die Theorie aber ohne Änderungen auf quadratisch-integrierbare Funktionen f∈L2 übertragen.

Issai Schur beweist 1909, dass nicht nur symmetrische Matrizen (A=AT) sondern allgemeiner auch normale Matrizen (AAT=ATA) durch orthogonale Basiswechsel diagonalisiert werden können. Entsprechend kann man auch Hilberts Spektralsatz nicht nur für selbstadjungierte, sondern auch für normale Operatoren beweisen.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:David_Hilbert,_1907.jpg

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