Neue Methoden zum Verständnis von Differentialstrukturen kamen dann überraschend aus der mathematischen Physik.

1954 hatten Yang und Mills eine Verallgemeinerung der seit Maxwell bekannten einheitlichen Theorie des Elektromagnetismus vorgeschlagen, mit der die starke und schwache Wechselwirkung beschrieben werden sollte. Während man, etwa in der Quantenelektrodynamik, bisher kommutative Eichgruppen verwendet hatte, ging es nun um nichtkommutative Eichgruppen wie SU(n).

Die physikalischen Theorien verwendeten Prinzipalbündel, deren mathematische Theorie erst entwickelt wurde. Man verglich den Status der Theorie mit dem in den Frühzeiten der Infinitesimalrechnung, als korrekte und verwendbare Ergebnisse erhalten wurden bevor es überhaupt rigorose Definitionen gab. Yang und Mills benutzten die Krümmungsform F eines Prinzipalbündels, um das Wirkungsfunktional als \int \frac{1}{4}Spur(*F\wedge F) zu definieren, also als L2-Norm der Krümmungsform. Mit dem Prinzip der kleinsten Wirkungen bekommt man eine Gleichung für die Krümmungsform. Wenn das Prinzipalbündel ein SO(2)-Bündel ist, bekommt man die linearen Gleichungen des Elektromagnetismus, aber für SU(n)-Bündel erhält man die nichtlineare Gleichung d*F=0. Die Zusammenhänge, deren Krümmungsform diese Gleichung löst, nennt man Instantonen. 

Für SU(2)-Bündel über einer 4-Mannigfaltigkeit kann man den Raum der 2-Formen in die +1- und -1-Eigenräume des *-Operators zerlegen und hat dann eine Zerlegung der Instantonen in selbstduale und anti-selbstduale Instantonen. Wegen der Bianchi-Identität dF=0 folgt aus F=*F oder F=-*F bereits die Gleichung d*F=0. Man kann also die selbstdualen bzw. anti-selbstdualen Instantonen betrachten und hat statt einer Gleichung zweiter Ordnung jetzt Gleichungen erster Ordnung. Ihre Lösungen sind absolute Minima (statt nur kritische Punkte) des Funktionals.

SO(2)-Bündel über M werden durch H2(M;R) klassifiziert, also durch harmonische 2-Formen, die den Eichklassen von Zusammenhängen mit harmonischer Krümmungsform entsprechen. Ähnlich werden SU(2)-Bündel über einer 4-Mannigfaltigkeit wegen π3SU(2)=Z durch die zweite Chern-Klasse c2 in H2(M;R) klassifiziert. Zu jedem solchen SU(2)-Bündel will man dann den Modulraum der Lösungen der Yang-Mills-Gleichung bestimmen.

Mathematiker unterstützten die Physiker bei der Suche nach Lösungen dieser Gleichung. Atiyah, Singer und Hitchin konnten die Dimension des Lösungsraums von F=*F durch eine einfache Anwendung des Indexsatzes bestimmen (in Abhängigkeit von der Chern-Klasse des Bündels und den Betti-Zahlen der zugrundeliegenden Mannigfaltigkeit), was gleichzeitig auch Albert Schwarz in Moskau gelungen war und zur Popularisierung des Atiyah-Singer-Indexsatzes unter mathematischen Physikern beitrug.
Die Berufung des Physikers Roger Penrose nach Oxford, den Atiyah noch aus seiner Studentenzeit als algebraischer Geometer in Cambridge kannte, ermöglichte lange Diskussion über Twistortheorie, die für Atiyah einfache Mathematik war – im Wesentlichdn Felix Kleins Theorie der Geraden im P3, mit der er sich als Student beschäftigt hatte – für die Physiker aber mysteriös. Mit Penroses Studenten Richard Ward nutzte Atiyah die Twistortheorie, um Lösungen der Instantonengleichung zu konstruieren: ein selbstdualer Zusammenhang auf S4 hebt sich zu einem algebraischen Bündel über CP3 mit einer reellen Struktur. Kaum waren sie mit der Arbeit fertig, erhielten sie schon Preprints von Physikern, die mit anderen Methoden dieselben Lösungen entdeckt hatten. Atiyah bezeichnete das später als erste Erfahrung des anderen Tempos, mit dem sich in der theoretischen Physik neue Ideen verbreiteten und die Produktion von Preprints in großem Stil stimulierten.

Mit der Twistorkonstruktion war die Suche nach Lösungen freilich nicht beendet, sondern nur auf ein Problem der algebraischen Geometrie zurückgeführt, nämlich die Konstruktion bestimmter Vektorbündel über CP3. Für die gab es jedoch schon Methoden und Atiyah und Hitchin gelang es damit, die Lösungen explizit zu beschreiben. Unmittelbar, nachdem sie fertig waren, erhielten sie einen Brief von Manin, der mit Drinfeld im wesentlichen dieselbe Beschreibung der selbstdualen Instantonen auf S4 gefunden hatte. Die vier veröffentlichten diese Ergebnisse 1978 als gemeinsame Arbeit „Construction of Instantons“ in den Physical Letters A. Der Lösungsraum ist eine 5-dimensionale Kugel B5, ihr (nicht zum Modulraum gehörender) „Rand“ S4 entspricht Familien von Instantonen, die sich mehr und mehr in einem Punkt konzentrierten.
Spezielle Instantonen auf dem R4 waren zuvor von den Moskauer Physikern Belavin, Polyakov, Schwarz und Tyupkin gefunden wurden. Polyakov bezeichnete die ADHM-Klassifikation der Instantonen auf der S4 später als das erste Mal, das abstrakte moderne Mathematik von irgendeinem Nutzen gewesen wäre.

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Kommentare (3)

  1. #1 Haju Reck
    Erlangen
    14. Juni 2021

    Ich würde diese Artikel so gerne verstehen. Leider liest es sich für mich wie Rauschen. Was kann ich tun? (Außer Mathe studieren, dazu bin ich zu alt)

  2. #2 Quanteder
    Bielefeld
    14. Juni 2021

    Physik lesen. Das eigene Alter mittels Raumzeit überlisten.
    Ma und Ph verhalten sich wie eine Quantenkatze . . . ..

  3. #3 Theorema Magnum – Mathlog
    2. September 2021

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