Bilder von Jos Leys hatten wir hier im Blog schon oft verwendet, vor allem in der “Topologie von Flächen”-Reihe (z.B. die Faserung des Komplements der Kleeblattschlinge oder die Verschlingungen im Lorenz-Attraktor oder den Anosov-Fluss). Und auch die Filme Dimensions und Chaos hatten wir hier besprochen.

Am Dienstag hörte ich einen Vortrag von Leys auf einer Tagung in Lyon, eine Anekdote daraus war ja schon im vorigen Artikel verarbeitet.

Ein Vergleich, der sich natürlich aufdrängt, ist der mit dem Werk von M.C.Escher. Der hatte für sein “mathematisches Werk” bekanntlich in Korrespondenz mit dem Gruppentheoretiker H.S.M. Coxeter gestanden (was man sich praktisch wohl so vorstellen muss, dass dort jeweils über Monate Berechnungen und Entwürfe in Briefen über den Ozean geschickt wurden), ähnlich wie Leys sein Werk der letzten 10 Jahre (teilweise) in Korrespondenz mit Etienne Ghys entwickelt hat. Aber es gibt natürlich auch grundsätzliche Unterschiede zwischen Escher und Leys:
Escher brauchte für seine Holzschnitte und Zeichnungen (jeweils) etwa 6 Monate, und natürlich durfte er zwischendurch keinen einzigen Fehler machen: eine einzige falsche Handbewegung und die Arbeit von Wochen war verloren. Einen Eindruck vermittelt dieser 2-minütige Film, der Escher bei der Arbeit zeigt:

Leys’ Zeichnungen brauchen auch schon mal 2-3 Tage, aber wohl nur, weil er sie auf einem handelsüblichen Laptop anfertigt und keine spezielle Hardware nutzt. (Die verwendete Software heißt übrigens Povray und ist frei.) Für die Videos braucht er dann aufwändigere Parallelrechner-Technik an der ENS Lyon.

Andererseits brauchte Escher keine seiner Berechnungen selbst durchzuführen (er besaß wohl auch keinen Taschenrechner), das erledigte Coxeter, der auch mehrere Artikel über die Mathematik zu Eschers Zeichnungen schrieb.

Heute, im Computer-Zeitalter, ist natürlich alles viel einfacher. Zum Beispiel konnte Leys viele von Eschers ebenen Mustern “hyperbolisieren”, die Ergebnisse sind auf dieser Webseite zu besichtigen.

Leys (als Ingenieur in der chemischen Industrie tätig) begann wie viele “Mathematik-Amateure” in den 80er Jahren mit Variationen der Mandelbrot-Menge. Das wurde bald langweilig und so suchte er sich andere Probleme. Eines, dass er erst viel später mit den dann leistungsfähigeren Rechnern angehen konnte, war die Suche nach 3-dimensionalen Mandelbrot-Mengen. Ein Bild, das er im Vortrag zeigte und als “the ugliest object I have ever seen” bezeichnete, sah ungefähr so aus wie das Bild unten von seiner Webseite.
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Die Weiterentwicklungen der “Community” wurden dann aber doch viel symmetrischer, wir hatten hier im Blog mal über die “Mandelknolle” geschrieben.

Später wandte er sich dann Kleinschen Gruppen und ihren Limesmengen zu, unter dem Einfluß des von Mumford, Series und Wright verfassten Buches “Indra’s Pearls”. Klassische Kleinsche Gruppen haben ja höchstens 2-dimensionale Limesmengen (oft sind es komplizierte Fraktale wie dieses) und so fragte er sich dann, ob es auch 4-dimensionale Kleinsche Gruppen mit 3-dimensionalen Limesmengen gibt und vor allem, wie man die berechnen kann. Es stellte sich heraus, dass tatsächlich zwei Japaner, Araki und Ito, eine Arbeit AN EXTENSION OF THE MASKIT SLICE FOR 4-DIMENSIONAL KLEINIAN GROUPS
geschrieben hatten, aus der sich Formeln und Berechnungen destillieren ließen. Das gab dann Bilder wie zum Beispiel dieses:
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Antwort auf die Frage, warum er nicht solche Bilder mit einem 3d-Drucker “ausdrucke”: ‘first of all I do not want to open a jewellery shop’ und vor allem aber: die Sphären berühren sich jeweils in nur einem Punkt – wenn also der 3d-Drucker gute Arbeit leistet, dann liefert er nur eine Kiste Murmeln …

Die Zusammenarbeit mit Ghys begann dann vor dem ICM 2006 mit der Produktion des Videos für Ghys’ Vortrag in Madrid – den man nicht nur wegen der Bilder anschauen sollte: hier der Direktlink zu “Knots and Dynamics”. Aus dem Vortrag stammt das Titelbild am Anfang dieses Artikels (der geodätische Fluss einer hyperbolischen Fläche als Beispiel eines Anosov-Flusses, der es Anfang 2007 dann auch auf den Cover der “Notices of the AMS” schaffte) und auch zahlreiche Bilder, die wir hier im Blog in der “Topologie von Flächen”-Reihe verwendet hatten.
lorenz009
Viele weitere Werke von Leys kann man sich auf seiner Webseite anschauen.
Als ein Projekt für die Zukunft erwähnte er noch die Algebraische Topologie: viel Stoff für Veranschaulichungen (Schlangenlemma, kommutative Diagramme und und und …) und ein noch weitgehend unerschlossenes Gelände für Computergrafiker…

Kommentare (1)

  1. #1 michanya
    9. Oktober 2016

    … Topologie – kenne ich auch aus meiner Tätigkeit im Maschinenbau bzw. Konstruktion. Es ist das Tuschieren und Schaben von Oberflächen – hier werden Spitzen durch Schaben abgetragen um einen größtmöglichen Flächenanteil zu erreichen. Anhand der Tuschebilder und ihrer Struktur erkennt man auch die Tragbilder.
    Besonders genau sind die Passnormalien die extra gelappt werden – hier haften die Normalen durch durch normale Adhäsion aneinander – eben höchste Präzession.

    Genau ganz präzise – biotec4u