Are you such a dreamer
To put the world to rights?
I’ll stay home forever
Where two and two always makes a fiveRadiohead: 2+2=5
Eine Abstimmung auf Twitter
Ich habe einen Würfel geworfen und ihn noch nicht angeschaut. Dann gilt mit mehr als 83 Prozent Wahrscheinlichkeit
Wenn die geworfene Augenzahl mit 2+2 übereinstimmt, dann ist sie gleich 5.
Für den Mathematiker nicht weiter aufregend, aber Timothy Gowers, der das am 18. Oktober als Frage auf Twitter stellte, bekam bemerkenswerte 67,8 Prozent falscher Antworten. Anscheinend folgen ihm nicht nur Mathematiker.
Nicht A oder B
In der Mathematik jedenfalls könnte man ohne die korrekte Definition der Subjunktion
nicht arbeiten. Wenn man etwa sehen will, dass der
ein topologischer Raum ist, muss man beweisen, dass die leere Menge offen ist. Dafür muss man beweisen, dass es zu jedem
ein
mit
gibt…
Vor Jahrzehnten (in den 70er Jahren?) gab es mal in einer Mathematikolympiade eine Aufgabe, in der gefordert war zu zeigen, dass aus einer Ungleichung A verschiedener geometrischer Größen in einem 3-dimensionalen Objekt (ich glaube, ein Quader?) eine andere Ungleichung B folgt. Tatsächlich konnte man mit nichttrivialen Argumenten B aus A herleiten, man konnte aber auch einfach zeigen, dass Ungleichung A nie erfüllt sein kann. Reingefallen waren diejenigen Teilnehmer, die nur die Unmöglichkeit von Ungleichung B bewiesen und damit scheinbar die Aufgabe widerlegt hatten. (Auf https://mathematikalpha.de/wp-content/uploads/2019/09/Loesungen_MaOlympiade.pdf findet man – auf 2418 Seiten! – die Aufgaben und Lösungen der Olympiaden von 1960 bis 1994. Aber ich habe es nicht geschafft, die Aufgabe – an die ich mich noch aus einer alten „Alpha“ erinnere – dort wiederzufinden.)
Zwiedenk
Die Rechnung 2+2=5 ist heute vor allem bekannt als Motiv aus George Orwells Roman “1984”. Am Anfang der Handlung meint der Protagonist Winston Smith noch, Freiheit sei die Freiheit zu sagen, dass zwei plus zwei vier ergeben. Am Ende des Romans sitzt er in einem Café und zeichnet „2 + 2 = 5“ in den Staub auf seinem Tisch.
Positive Deutungen
Tatsächlich ist 2+2=5 als Mem schon sehr viel älter, es kommt bei Descartes und Bakunin vor, bei Moliére, Balzac und Dostojewski. Die englisch-sprachige Wikipedia (wie auch die meisten anderen Sprachversionen, jedoch nicht die deutsch-sprachige) hat einen langen Artikel über 2+2=5.
Bemerkenswert ist die positive Umdeutung von 2+2=5 für den sowjetischen Fünfjahrplan:
“Арифметика встречного промфинплана” heißt “Arithmetik des industriellen Finanzplans”, “плюс энтузиазм рабочих” bedeutet “plus Enthusiasmus der Arbeiter”. Gemeint sind Jahre, der Fünfjahrplan sollte in vier Jahren erfüllt werden. Es soll dieses Plakat gewesen sein, was Orwell zur Verwendung der Gleichung motivierte.
Eine andere positive Deutung stammt von Antonio Spadaro, einem der Autoren von “Amoris laetitia”, dem Schreiben, mit dem Papst Franziskus 2016 “mehr Barmherzigkeit in der Anwendung der kirchlichen Morallehre zulassen” wollte. Er erkl\”arte damals auf Twitter: “Theologie ist nicht Mathematik. 2 + 2 kann in der Theologie 5 ergeben. Weil sie mit Gott und dem wirklichen Leben der Menschen zu tun hat”.
Eine ganz andere Debatte hat vor drei Monaten Laurie Rubel (Professorin für Mathematikdidaktik an der City University of New York) angesto\ss en, ebenfalls auf Twitter: “2+2=4 reeks of White supremacist patriarchy”. [2+2=4 stinkt nach weißer supremazistischer Hierarchie]
Auch bei Vadim Shershenevich hatte die Falschrechnung eine positive Bedeutung. Bei ihm war es allerdings nicht die Addition, sondern die Multiplikation: “2 x 2 = 5” nannte er sein 1920 erschienenes Manifest des Imaginismus, der kurzlebigen russischen Variante des Imagismus.
Und “deux et deux font cinque” ist der Titel einer Textsammlung von Alphonse Allais (1895), in der dann aber überhaupt keine Zahlen vorkommen.
Fehler im Weltgewebe
Gewollte Falschrechnungen in der Werbung sind wohl nicht so häufig. Leser der scienceblogs wiesen immerhin auf dieses Plakat aus dem Jahr 1955 hin. Es ging um einen Dreizylinder, der sich fahre wie ein Sechszylinder.
Häufiger sind dann schon unbeabsichtigte Fehler wie dieser.
Oder wie dieser Tweet vom 3. März, der immerhin von einem bekannten Nachrichtenmoderator und von einer Herausgeberin der New York Times retweetet wurde.
Oder etwas anspruchsvoller der aus einem Spot, mit dem die Training and Development Agency for Schools 2011 Lehrer anwerben wollte: an der Tafel löste eine Lehrerin
mit
auf.
Ließe sich noch lange fortsetzen.
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