Entropie spielt auch in der Differentialgeometrie eine Rolle. Otto und Villani hatten 2000 entdeckt, dass auf Riemannschen Mannigfaltigkeiten nichtnegativer Krümmung die Entropie ein konvexes Funktional ist. Von Renesse und Sturm bewiesen 2005 auch die Umkehrung, also die Charakterisierung unterer Ricci-Krümmungsschranken durch Konvexitätseigenschaften des Entropiefunktionals.
In der Differentialgeometrie war damals, vor allem angestoßen durch Gromov und eine neue Version seines Buches über metrische Strukturen, die Untersuchung von Mannigfaltigkeiten mit einer unteren Schranke für die Ricci-Krümmung ein vielbeachtetes Thema. Das spektakulärste Resultat der 1981 erschienenen ersten Fassung von Gromovs Buch war ein Präkompaktheitssatz für Manigfaltigkeiten mit einer unteren Schranke für die Ricci-Krümmung und einer oberen Schranke für den Durchmesser gewesen. Er benutzte dabei wesentlich die Bishop-Gromov-Ungleichung, nach der eine untere Schranke für die Ricci-Krümmung Kontrolle über das Volumenwachstum gibt. Cheeger und Colding hatten dann starke Resultate für Mannigfaltigkeiten mit unterer Ricci-Krümmungsschranke bewiesen und Gromov hatte gezeigt, dass man mit einer unteren Ricci-Krümmungsschranke das isoperimetrische Profil der Mannigfaltigkeit kontrollieren kann. Der Beweis benutzte wesentlich geometrische Maßtheorie, die Minima mit vernünftigen Singularitäten liefert. Die 1999 herausgebrachte neue, wesentlich umfangreichere Fassung seines Buches schlug metrische Maßräume als den richtigen Rahmen der Geometrie vor und begründete dies mit philosophischen Gedanken über die Bedeutung der Wahrscheinlichkeit, der Molekülbewegung und der statistischen Mechanik. In der Differentialgeometrie Riemannscher Mannigfaltigkeiten war das Volumenmaß bisher immer als aus der Metrik abegeleitet angesehen worden, aber nun sollte man es als ein eigenständiges grundlegendes Objekt betrachten. Ähnlich wie er die Gromov-Hausdorff-Metrik auf der Menge aller metrischen Räume definiert hatte, betrachtete Gromov auch eine Metrik auf der Menge aller metrischen Maßräume und entsprechend einen Konvergenzbegriff. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Konvergenzbegriffen ist, dass bei metrischen Maßräumen Nullmengen vernachlässigt werden. Er definierte auch ein Spektrum metrischer Maßräume und zeigt, dass man den obervablen Durchmesser gegen den ersten Eigenwert abschätzen kann.
Entropie war seit ihrer Definition 1872 stets verwendet worden, um die die Unumkehrbarkeit einer Entwicklung, den Übergang von einem unwahrscheinlichen zu einem wahrscheinlichen Zustand auszudrücken. Ihre sich aus der Arbeit von Otto und Villani ergebende Anwendung in der Differentialgeometrie für eine synthetische Definition von Nichtnegativität der Ricci-Krümmung kam als eine Überraschung. Dieser Ansatz ließ sich verallgemeinern: statt Konkavität des Entropiefunktionals brauchte man allgemeiner Abschätzungen für seine zweite Ableitung als synthetische Definition für untere Ricci-Krümmungsschranken. Das ließ sich dann sogar verallgemeinern auf metrische Maßräume: man ersetzt die untere Schranke für die zweite Ableitung durch die Ungleichung H(\mu_t)\le (1-t)H(\mu_0)+tH(\mu_1)-K\frac{t(1-t)}{2}W_2(\mu_0,\mu_1) für alle Geodätischen bzgl. der Wasserstein-Metrik W2 im Raum der Wahrscheinlichkeitsmaße.
Otto arbeitete eigentlich in der angewandten Analysis, zum Beispiel über Mikromagnetismus, die Entmischungsprobleme in diversen Materialien und die Ausbreitung von viskosen Flüssigkeiten. Beim Mikromagnetismus handelt es sich um ein Skalenproblem, das gelöst werden muss, bevor man magnetische Nanopartikel auf dünne Filme aufträgt, um sie als Informationsträger in digitalen Medien zu verwenden. Oft kann man dafür numerische Simulationen einsetzen, aber nicht immer. Otto hatte eine Theorie für dünne magnetische Schichten erstmals rigoros hergeleitet und damit auch Verhältnisse behandelt, die sich den aktuellen Rechenkapazitäten noch entzogen.
Unter seinen zahlreichen Forschungsthemen war auch ein Thema der Operations Research, mit dem sich Leonid Kantorowitsch, der Erfinder der linearen Optimierung, schon vor dem zweiten Weltkrieg beschäftigt hatten: das Transportproblem. Klassisch geht es darum, eine endliche Menge von Gütern zwischen verschiedenen Orten so zu transportieren, dass eine Kostenfunktion minimiert wird. Dieses Problem löst man mit linearer Optimierung. Allgemeiner bezeichnet man als optimalen Transport das folgende Problem: man hat zwei Massenverteilungen, die man sich als Wahrscheinlichkeitsmaße auf einem kompakten Raum X denkt und eine Kostenfunktion c:XxX—>R. Man sucht eine meßbare Abbildung T:X—>X, für die das Integral von c(x,Tx) minimiert wird.
Die klassische Kostenfunktion ist c(x,y)=d(x,y)2. Hier waren Existenz und Eindeutigkeit der minimierenden Abbildung T zunächst in den 80er Jahren für den Rn und dann in den 90er Jahren für allgemeine Riemannsche Mannigfaltigkeiten bewiesen worden.
Man hat sogenannte Wasserstein-Metriken auf der Menge aller Wahrscheinlichkeitsmaße und durch Arbeiten von Jordan, Kinderlehrer und Otto war in den 90er Jahren dieser Abstand im Sinne einer unendlich-dimensionalen Riemannschen Geometrie auf dem Raum der Wahrscheinlichkeitsmaße interpretiert worden. Otto konnte damit die Formel für die Entropie als einen Gradientenfluß für diesen metrischen Tensor interpretieren. 2000 entdeckten Otto und Villani dann die Konkavität der Entropie bei nichtnegativer Ricci-Krümmung. Man kann dann auch die Ricci-Krümmung und das Volumenmaß durch äquivalente Begriffe ersetzen und mit dieser Heuristik konnten Otto und Villani eine große Zahl von Ungleichungen der Analysis und Geometrie einheitlich herleiten wie etwa Konzentrationsungleichungen oder W1,2-Ungleichungen für logarithmische Normalverteilungen.

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Kommentare (2)

  1. #1 wereatheist
    17. Dezember 2021

    Abschnitte der 1. Seite sind redundant.
    Sieht für mich nicht beabsichtigt aus.

  2. #2 Thilo
    17. Dezember 2021

    Redundanz ist in Texten über Mathematik immer gut. In Fachzeitschriften soll man Wiederholungen ja vermeiden, aber hier geht das schon.