Zu Zariskis Studenten in Harvard gehörten Abhyankar, Hironaka, Mumford und M. Artin. Mumford arbeitete ebenso wie Zariski daran, die italienische Schule der algebraischen Flächen algebraisch und rigoros zu machen und sie auf den Fall von Grundkörpern positiver Charakteristik auszudehnen. Er untersuchte pathologisches Verhalten in der algebraischen Geometrie, einerseits Effekte in Charakteristik p, die man aus der Kenntnis der Eigenschaften in Charakteristik 0 nicht erwarten würde, andererseits unerwartete Effekte in Modulräumen. Er versuchte, Enriques’ Klassifikation algebraischer Flächen auf Charakteristik p>0 auszudehnen, wo viele neue Probleme erscheinen. Er widerlegte eine Vermutung von Severi über Unirationalität des Modulraums komplexer Kurven, aber in anderen Fällen konnte er mit den modernen Methoden die Intuition der Italiener bestätigen. Mumford benutzte früh die neuen Methoden Grothendiecks und konnte insbesondere mit der von ihm entwickelten „Geonetrischen Invariantentheorie“ zahlreiche Modulräume konstruieren.

Nicht nur bei Kompaktifizierungen von Modulräumen treten häufig Singularitäten auf. Auch die Klassifikation algebraischer Flächen ließe sich auf höhere Dimensionen verallgemeinern, wenn man sogenannte kanonische Singularitäten verstünde.

Zariski hatte seine Beweise der Auflösbarkeit von Varietäten der Dimension 2 und 3 in Charakteristik 0 so formuliert, dass klar war, welche Probleme zu lösen seien, um den Beweis auch in Charakteristik p>0 zu haben. Sein Student Abhyankar bewies 1956 die Auflösbarkeit in diesen Dimensionen (im 3-dimensionalen Fall für p>5).

Die Auflösbarkeit von Singularitäten in beliebigen Dimensionen – über Grundkörpern der Charakteristik 0 – bewies 1964 Zariskis Student Heisuke Hironaka, auch hieran hatte Zariski großen Anteil.

Das von Hironaka bewiesene Resultat in Charakteristik 0 besagt: es gibt eine Auflösung durch endlich viele Aufblasungen, deren Zentren ganz in Sing(X) liegen, und entlang derer X normal-flach ist. Der Beweis war allgemein, er ließ sich auch beispielsweise auf Schemata über formalen Potenzreihen in Charakteristik 0 anwenden.

Die Auflösbarkeit von Singularitäten wurde der wohl am häufigsten angewandte Satz der algebraischen Geometrie. Wie man auflöst, also durch Aufblasungen, spielte hingegen für die Anwendungen keine Rolle. (Mit einer Ausnahme: Auflösungen projektiver Varietäten sind wieder projektiv, wofür man die Auflösung durch Aufblasungen benötigt.)

Der Beweis war zwar konstruktiv, aber eine so komplexe induktive Konstruktion, dass sie niemand wirklich durchschaute. Außerdem war der Auflösungsprozeß so ineffektiv, dass im konkreten Fall niemand in der so beschriebenen Weise auflösen würde. Im Laufe der Zeit wurde Hironakas ursprünglich 220 Seiten langer Beweis aber immer weiter vereinfacht.
Grothendieck, der später die Laudatio für Hironakas Fields-Medaille hielt, betonte, dass es sich nicht um ein platonisches Resultat handele, sondern um ein sehr nützliches Werkzeug, das wichtigste das wir haben, um algebraische oder analytische Varietäten (in Charakteristik 0) zu untersuchen, auch die nicht-singulären insbesondere im nicht-kompakten Fall. Die typische Anwendung betrifft im projektiven Raum mit nicht-abgeschlossenem Bild einbettbare Varietäten, deren Abschluß man nun desingularisieren kann. Man erhält, dass die ursprüngliche Varietät dann in einer kompakten nicht-singulären Varietät das Komplement eines Divisors mit normalen Kreuzungen ist, was extrem nützlich sei. Zu den zahllosen Anwendungen gehöre zum Beispiel, dass man die komplexe Kohomologie mittels eines Komplexes algebraischer Differentialformen berechnen könne, ebenso wie Resultate über die etale Kohomologie.

Für Singularitäten komplexer Hyperflächen ließen sich stärkere Resultate beweisen. Für eine Singularität P einer algebraischen Hyperfläche V in CPn ist der Schnitt der Hyperfläche mit einer (hinreichend kleinen) ε-Sphäre genau dann eine reelle (2n-3)-Sphäre, wenn V in P eine topologische Mannigfaltigkeit ist. Für algebraische Flächen in CP3 hat man genau dann eine 3-Sphäre, wenn der Schnitt einfach zusammenhängend ist. Mumford zeigte für normale Singularitäten dass man die Fundamentalgruppe des Schnitts aus dem Auflösungsdiagramm der Singularität berechnen und insbesondere also die Regularität auf diese Weise entscheiden kann. Insbesondere muß die Fundamentalgruppe trivial sein, wenn die Fläche eine topologische Mannigfaltigkeit ist. Für Hyperflächen in höheren Dimensionen konnte Hirzebruchs Student Brieskorn in seiner Dissertation nicht nur die simultane Auflösbarkeit beweisen, sondern später auch eine explizite Beschreibung exotischer Sphären als Umgebungsränder gewisser isolierter Hyperflächensingularitäten erhalten. Besonders schwierig war die Auflösung der E8-Singularität gewesen: unter Verwendung sehr klassischer algebraischer Geometrie, insbesondere einer Arbeit von Max Noether über rationale Doppelebenen und Eigenschaften exzeptioneller Kurven auf rationalen Flächen, die durch das Aufblasen von 8 Punkten auf einer ebenen Kubik entstehen, hatte er letztlich 21435527 simultane Auflösungen gefunden, also soviele wie es Elemente der zum Wurzelsystem zugehörigen Spiegelungsgruppe gibt. Diese Untersuchungen hatten ihn dann auch zur Untersuchung allgemeiner Quotientensingularitäten C2/G für endliche Untergruppen von SL(2,C) geführt. In seinen weiteren Arbeiten fand Brieskorn dann topologisch triviale Singularitäten, die also als Umgebungsrand eine topologische Sphäre haben. Das zeigte, dass Mumfords Charakterisierung regulärer Punkte in höheren Dimensionen die Differentialstruktur (und nicht nur die topologische Struktur) der Sphäre benötigte. Brieskorn fand durch explizite Berechnung, dass die Gruppe der 7-dimensionalen exotischen Sphären vom Umgebungsrand der Ikosaedersingularität erzeugt wird und insbesondere also alle exotischen 7-Sphären als Umgebungsränder von Singularitäten vorkommen. Manche exotischen Sphären beranden parallelisierbare Mannigfaltigkeiten und auch das ließ sich im Singularitätenbild wiederfinden: für eine Umgebung Bε der Singularität und eine Scheibe Dδ um 0 in C sowie X:=f^{-1}(D_\delta)\cap B_\epsilon (für das die Hyperfläche definierende Polynom f) ist X-f-1(0) ein Faserbündel über C-0 und die Faser ist die vom Umgebungsrand berandete Mannigfaltigkeit.

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Kommentare (4)

  1. #1 hzekl
    4. Februar 2021

    Interessant. Mit Singularitäten hatte ich in der Physik immer wieder zu tun. Aber die konnte ich in der Regel mit den Mitteln der Funkionentheorie umschiffen. Das hier ist für Mathematiker Deshalb habe ich beim ersten Lesen weniger als die Hälfte verstanden. Ich denke, ich muss erst einmal meine alten Mathematik-Lehrbücher aus dem Studium hervor kramen.

  2. #2 rolak
    5. Februar 2021

    umschiffen

    ..und zwar im Wortsinne. Die darauf beruhenden Techniken waren damals™ in der Physik die verblüffendsten. Lieblingstricks…

    Die mathematischen Grundlagen für die meisten dieser und anderer Methoden lagen allerdings jenseits des fürs Physikstudium formal Erforderlichen – und so wurde ihre Erarbeitung geopfert zugunsten wichtiger Scheinendem.
    Gilt immer noch – und so langts bei mir nicht einmal annähernd für die Hälfte. Trotzdem, mit dem Variablisieren von Zeichengruppen vorerst unbekannter Bedeutung, also stehenlassen und drumrum, lesen sich selbst solche Texte hier bei Thilo sehr angenehm.

  3. #3 Bernd Nowotnick
    23. März 2021

    Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hängen zusammen da an jeder Position der Raumzeit ein ähnliches, nicht das Selbe aber das gleiche Universum existieren.

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