Mit diesem Ansatz war die Modularität elliptischer Kurven dann Teil des Langlands-Programms geworden. Ein wichtiger Vorteil war die Analogie zu Modulfomen vom Gewicht 1: hier kann man das Bild durch 2-dimensionale komplexe Darstellungen ersetzen, deren Konstruktion 1974 von Deligne und Serre gegeben worden war, und die wesentliche Umkehrung für auflösbare Darstellungen war ein Spezialfall von Langlands Reziprozitätsvermutung für Artinsche L-Funktionen (nämlich die Holomorphie der Zetafunktion für nichttriviale Darstellungen), er wurde von Langlands in seinem Buch “Basiswechsel für GL(2)” (mit einigen Details in einer Arbeit von Tunnell) bewiesen. Das war der erste nichtelementare Fortschritt zur Artin-Vermutung, welche Holomorphie Artinscher L-Funktionen behauptet. 1987 hatte Serre dann eine Modularitätsvermutung aufgestellt: jede (absolut irreduzible, stetige und ungerade) Galois-Darstellung über einem endlichen Körper soll auf diese Weise durch eine Darstellung im Raum der Spitzenformen (in der Charakteristik des endlichen Körpers und mit Koeffizienten im endlichen Körper) gegeben sein. Die Wirkung der Galois-Gruppe ist durch Hecke-Operatoren und es gelten die obigen Formeln für Spur und Determinante. Diese Vermutung ist stärker als die Modularität elliptischer Kurven.

Auch den im 19. und 20. Jahrhundert lange verfolgten Ansatz über die Klassenzahl zyklotomischer Körper kann man als Frage über Galois-Darstellungen interpretieren. Zum Beispiel ist die Bestimmung der Klassenzahl von {\bf Q}(\sqrt{-q}) äquivalent zur Berechnung des Kerns eines gewissen Homomorphismus in der Kohomologie mit Koeffizienten in einer Galois-Darstellung. Obwohl es bei solchen Problemen viel Fortschritt gab, hatten sich keine überzeugenden Vermutungen gefunden, aus denen der große Satz von Fermat folgen würde. Letztlich würde der Beweis aus einer anderen Quelle kommen, obwohl er auch auf einer verallgemeinerten Klassenzahlformel beruhte.

Bewiesen wurde die Modularität der Frey-Hellegouarch-Kurve und damit der große Satz von Fermat dann von Andrew Wiles mit Unterstützung von Richard Taylor. Sein Beweis benutzte so ziemlich alles, was in den letzten Jahren an neuen Methoden entwickelt worden war – einen “postmodernen Beweis” nannte es Mumford später. Aber er benutzte nicht nur die neuentwickelten Methoden, er führte alles immer noch etwas weiter als jeder andere und fand verblüffende Tricks, wenn die Methoden zu versagen schienen.

Sein Zugang war nicht über elliptische Kurven, sondern über Galois-Darstellungen. Er wollte also zeigen, dass jedes kompatible System l-adischer Galois-Darstellungen von einer Neuform vom Gewicht 2 mit rationalen Koeffizienten auf Γ0(N) kommt. Tatsächlich betrachtete er Formen auf Γ1(N) und schränkte sich auf l-adische Darstellungen für ein einzelnes l ein. Der Beweis begann mit der wesentlichen Beobachtung, dass für jede elliptische Kurve über Q die Darstellung auf den 3-Teilungspunkten modular ist: das folgt unmittelbar aus dem von Langlands und Tunnell bewiesenen Satz. Wenn die Darstellung irreduzibel ist, dann ist jede Hebung zu einer GL(2,Z3)-Darstellung modular (was hier nicht bedeutet, über einem endlichen Körper definiert, sondern von einer Modulform kommend). Das ist Teil einer allgemeineren Theorie, welche Bedingungen beschreibt, unter denen Hebungen modularer Darstellungen modular sind und folgt aus einer überraschenden Verbindung zu einer verallgemeinerten Klassenzahlformel. Letztlich erhält er Modularität für alle elliptischen Kurven von semistabilem Typ, d.h. im Wesentlichen nur Doppelpunkte als Singularitäten nach Reduktion modulo Primzahlen, was für den Beweis der Fermat-Vermutung ausreicht (Faltings formulierte: “wenn man Glück hat, ist die Hebung modular, wenn nicht, zeigt man, dass die Kurve nicht semistabil ist“).

Den ersten, letztlich noch nicht korrekten Beweis hatte Andrew Wiles im Juli 1993 auf einer Tagung in Cambridge vorgetragen. Man hatte ihn eine dreiteilige Vortragsreihe halten lassen, deren Zuhörer zunächst nicht wußten, worum es gehen würde. Am zweiten Tag verdichteten sich dann aber doch die Gerüchte. Immer mehr Zuhörer machten während des dritten Vortrags Fotos, so dass der Raum schließlich mehr einem Premierentheater als einem Vortragssaal glich. Nach dem Ende seines Vortrags wurde die Nachricht per Fax und e-Mail um die Welt geschickt.

Als nach einigen Monaten kein Manuskript vorlag, mehrten sich kritische Stimmen und Gerüchte. Im Dezember, ein halbes Jahr nach seiner Vortragsreihe und kurz nach einem Artikel in “Le Monde”, schrieb Wiles eine e-Mail an zahlreiche Kollegen: „Wegen der Spekulationen möchte ich kurz berichten. Während des Reviews gab es verschiedene Probleme. Die meisten konnten gelöst werden, aber eines nicht. Die Berechnung einer oberen Schranke für eine Selmer-Gruppe ist noch nicht fertig. Ich glaube, dass ich das bald mit den Ideen aus meinem Cambridge-Vortrag fertigstellen kann. Deshalb gibt es noch kein Preprint. Im Februar halte ich Vorträge in Princeton.“

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Kommentare (3)

  1. #1 Joachim
    13. September 2021

    Danke für diesen Artikel und die historische Aufzählung der (spannenden) Ereignisse, die letztlich zu dem Beweis der Fermat-Vermutung durch Wiles führten.

    Ich kann mich gut an die Vorgänge damals erinnern, obwohl ich nicht die mathematischen Kenntnisse habe, dem komplett zu folgen. Es reicht immerhin, zu erkennen, dass der Beweis mühelvoll war, “über sieben Ecken denkt”, mit den damals aktuellsten Erkenntnissen hantierte und eine geniale Meisterleistung war.

    Trotzdem frage ich mich bis heute, was Fermat denn mit seiner Randbemerkung meinte. Vermutlich hatte er sich einfach vertan bei seiner (behaupteten) Verallgemeinerung. Dennoch, das würde ich wirklich gerne wissen…

  2. #2 rank zero
    14. September 2021

    Vielen Dank für die ausführliche Darstellung – wobei sie für meinen Geschmack noch etwas weiter reichen könnte: Die Rolle von Ribet kommt etwas kurz weg (sein Beweis der ε-Vermutung ist mE schon gewichtiger, man bei “Gespräch beim ICM” denken würde), und wie alle guten Geschichten, geht diese ja immer weiter, etwa mit den folgenden Arbeiten von Breuil, Conrad, Diamond und Taylor bis zum vollen Beweis von Taniyama-Shimura(-Weil) und allgemeiner dem Beweis der Serre-Vermutung durch Khare, Wintenberger und Kisin. Aber irgendwo muss man ja aufhören…

    Allerdings – dass die Babylonier auch nur implizit eine allgemeine Formel für Pythagoreische Tripel hatten, die von Diophantus bewiesen wurde, scheint mir doppelt ungenau: Nach aktuellem Stand der historischen Forschung liegt Plimpton 322 eher nicht eine erzeugende Formel zugrunde (Robson 2001) und die umfassende griechische Lösungsformel datiert schon von Euklid, ca. 500 Jahre vor Diophantus.

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