Männer haben in Deutschland eine um ca. 5 Jahre niedrigere Lebenserwartung als Frauen. Sie sind – gesundheitlich gesehen – das schwache Geschlecht. Vergleicht man die altersspezifischen Sterberaten von Männern und Frauen, also die Sterbefälle bezogen auf die Bevölkerung der jeweiligen Alters- und Geschlechtsgruppe, so haben Männer in jeder Altersgruppe eine höhere Sterberate als Frauen. Das fängt bei der Geburt an und hört leider nicht mehr auf.
Warum Männer so zerbrechlich sind, darüber lässt sich streiten. Die höhere Säuglingssterblichkeit deutet auf genetische Faktoren hin. Und sonst? Männer rauchen mehr, trinken mehr Alkohol, fahren „sportiver” Auto, bringen sich häufiger um, haben gefährlichere Jobs usw. – manches davon ließe sich auch vermeiden. Aber über das Thema Prävention will ich nicht schon wieder reden, das war erst dran. Stattdessen will ich ein Bild mit den altersspezifischen Sterberaten für Männer und Frauen mit einer statistischen Stolperstelle zeigen:
Bei den jüngeren Altersgruppen sieht man bei dieser Skalierung praktisch nichts, aber so viel darf hier mal geglaubt werden, auch bei den Jüngeren sind die Sterberaten der Männer höher als die der Frauen. Also überall, nur in der letzten Altersgruppe scheint es anders zu sein. Man könnte auf die Idee kommen, das muss so sein, weil ja irgendwann auch die Frauen sterben. Dass alle Frauen sterben, stimmt zwar, aber die letzte Sterberate erklärt das noch nicht, da fehlt noch ein Teil der Erklärung, nämlich der interessante Teil. Bei den Sterberaten der Hochaltrigen hat man es mit einer statistischen Grauzone zu tun, bei der die empirischen Raten, die sich aus den Gestorbenen und der fortgeschriebenen Bevölkerung ergeben, nicht mehr verlässlich sind. Umgeht man diese Unsicherheiten, z.B. durch eine Glättungsfunktion der Sterbewahrscheinlichkeiten bei den Hochaltrigen, liegt die Rate der Männer wieder höher als die der Frauen. Das sieht man z.B. schön an den Sterbewahrscheinlichkeiten aus der Sterbetafel, die sind bei den Männern immer höher als bei den Frauen:
Falls jemand wissen will, wo all die schönen Zahlen aus dem Beispiel herkommen, dem sei die Seite der Bundesgesundheitsberichterstattung ans Herz gelegt, eine tolle Datenfundgrube.
Und warum haben die Frauen nun am Ende keine höheren Sterberaten, obwohl sie doch auch alle sterben müssen? Das ist wie bei zwei Zügen, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit von A nach B fahren. Der langsamere Zug (die Frauen) muss am Ende ja auch nicht schneller fahren, um nach B zu kommen, er kommt nur später an (d.h. die Frauen leben länger). Das wäre also geklärt. Die Frage bleibt, warum Männer früher sterben. Ob die Gene und die gängigen Risikofaktoren wie das Rauchen oder das Autofahren schon alles erklären?
Nachtrag 3.2.2012: In der ursprünglichen Fassung dieses Blogbeitrags habe ich die höhere Sterberate der hochaltrigen Frauen auf einen Kumulationseffekt zurückgeführt, einem Fall des Simpson-Paradoxes, mit der schönen Anmerkung, dass dieses Phänomen nicht immer einfach zu erkennen ist und oft zu falschen Schlüssen verleitet. Das war, anders als gedacht, wohl auch hier der Fall, weil ich etwas leichtfertig von den Sterbewahrscheinlichkeiten der Sterbetafel auf die jahresspezifischen Sterberaten der abgebildeten Statistik rückgeschlossen hatte. Die Sterberaten der Hochaltrigen nach Einzelaltersjahren sind nämlich nicht ohne Weiteres verfügbar. Für Bayern habe ich sie jetzt prüfen können und dort ergeben sich (Jahr 2010) bei den hochaltrigen Frauen tatsächlich höhere Sterberaten als bei den Männern – möglicherweise durch eine stärkere Überschätzung der Zahl der hochaltrigen Männer. Das Max Planck Institut für demografische Forschung in Rostock hatte vor einiger Zeit einmal berechnet, dass die Zahl der hochaltrigen Männer (über 90) um ca. 40 % überschätzt wird, die der hochaltrigen Frauen um ca. 15 %. Dies sorgt bei den Männern für künstlich niedrige Sterberaten. Was lernt man daraus: Manches ist auf den zweiten Blick anders als auf den ersten und auf den dritten Blick anders als auf den zweiten. Mögen mir weitere Korrekturen dieses Beitrags erspart bleiben.
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