Dass es im Gesundheitswesen um viel Geld geht, weiß jeder. Im Jahr 2009 waren es in Deutschland 278 Mrd. Euro, davon trug die gesetzliche Krankenversicherung 161 Mrd. Euro. 33 Mrd. Euro entfielen auf allein auf Arzneimittel. Bei so viel Geld wird mit harten Bandagen gekämpft und dabei bleibt die Moral schnell auf der Strecke.
Pharmakonzerne manipulieren Studien und bestechen Ärzte, Ärzte machen seltsame Nebengeschäfte, Unikliniken verkaufen ihre Forschung unter Wert an die Industrie, Kritiker werden zum Schweigen gebracht. Das ist der Stoff, aus dem man Krimis macht, die informativ wie Sachbücher sind. Einen solchen Krimi hat jetzt Wolfgang Schorlau geschrieben. Die „letzte Flucht” heißt das Buch, in dem es um einen Mord im Medizinermilieu geht und bei dem die Pharmaindustrie die Strippen zieht.
“Ich schrieb diesen Roman, um zu verstehen, wie das Gesundheitswesen funktioniert. Nun weiß ich es (…). Die großen Pharmakonzerne kontrollieren große Teile der Ärzteschaft, sie korrumpieren die öffentliche Forschung und Wissenschaft. (…) Sie reißen einen Löwenanteil der Versichertenbeiträge an sich und erzielen Gewinne, wie sie sonst nur bei illegalen Geschäften, im Drogenhandel oder im Waffengeschäft zu realisieren sind”, sagt der Autor. Harte Worte, über die man streiten kann. Das Problem an sich ist dagegen unstrittig, selbst im Deutschen Ärzteblatt wird darüber offen debattiert.
Für seinen Krimi hat Wolfgang Schorlau fleißig recherchiert. Man lernt beim Schmökern einiges über die Pharmaindustrie und ihre Marketingstrategien. Nicht ganz sorgfältig war das Lektorat, es gibt einige kuriose Druckfehler im Buch, das tut der Spannung aber keinen Abbruch. Modern geschrieben, mit hohem Erzähltempo, geht es in dem Buch, wie es sich für einen zünftigen Krimi gehört, um Mord, Intrigen, Lügen, Geld, viel Geld, um Liebe und um aufrechte Helden. Ermittler ist der Stuttgarter Privatdetektiv Georg Dengler, der Serienheld in Wolfgang Schorlaus Kriminalromanen. „Die letzte Flucht” ist Denglers sechster Fall. Die anderen Krimis von Wolfgang Schorlau sind übrigens genauso spannend, auch wenn sich vielleicht der eine oder andere Leser erst an die deutliche politische Färbung der Krimis gewöhnen muss. Zu empfehlen sind auch die Materialsammlungen zu den Krimis auf der Internetseite des Autors, im vorliegenden Fall mit Büchern und Quellenmaterial zur Pharmaindustrie.
Bleibt die Frage: Was muss man der Pharmaindustrie an kriminellen Machenschaften wirklich zutrauen? Und wenn es in der Gesundheitsbranche schon so zugeht, was ist dann erst in anderen Branchen los?
Wolfgang Schorlau: Die letzte Flucht. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011. ISBN 978-3-462-04279-5. 351 Seiten, 8,99 Euro.
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