Max Weber hatte einmal die „Entzauberung der Welt” als wesentliches Merkmal der Moderne beschrieben. Aber unter der wissenschaftlich rationalisierten Oberfläche unseres Alltags führen Esoterik und Aberglaube bekanntlich weiter ein munteres Leben und halten sogar Einzug in den geistigen Hort der Entzauberung der Welt, in die Hochschulen.

Vor kurzem hatte Ulrich Berger in seinem Blog Wünschelruten an der Hochschule thematisiert, dass die Geomantie da und dort als Methode der Landschaftsplanung „wissenschaftlich” gelehrt wird. Die Süddeutsche Zeitung hatte das Thema Ende Dezember dann ebenfalls aufgegriffen und dabei auf die geomantische Stadtplanung in Mertingen, einer Gemeinde in der Nähe von Donauwörth, hingewiesen. Mit der Wünschelrute wurden dort Nymphen gefunden. Diesen Fall hat jetzt auch die – insgesamt empfehlenswerte – Sendung „quer” des Bayerischen Rundfunks aufgespießt. Dass die „Entzauberung der Welt” in der Stadtplanung in der Vergangenheit zu oft als einseitige Betonung ökonomisch-technischer Aspekte zum Ausdruck gekommen ist, wie manche Bausünde in historischen Altstadtkernen oder sterile Neubaugebiete mit dem spröden Charme sibirischer Tundralandschaften zeigen, mag ein Bedürfnis nach einer anderen Stadtplanung erklären, aber muss es gleich eine abergläubische Stadtplanung sein? Sollte sich der Staat nicht einer vernünftigen Sicht der Dinge verpflichtet fühlen? Aber vielleicht zeigt das Medienecho ja, dass mit der geomantischen Stadtplanung ein Punkt erreicht ist, der eine breitere gesellschaftliche Diskussion dieser Entwicklung mobilisiert.

Kommentare (26)

  1. #1 MartinB
    14. Januar 2012

    Hum Hom – jedesmal, wenn ich höre, dass Wissenschaft die Welt entzaubert, werde ich ein wenig hastig:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/03/das-ratsel-wissenshcaft.php

  2. #2 Sven Türpe
    14. Januar 2012

    Ist Stadtplanung nicht sowieso Aberglaube? Wieviel verstehen denn diejenigen, die steuernd in den Prozess Stadt eingreifen, von diesem Prozess? Welche Beispiele gibt es für den Erfolg geplanter Städte im Vergleich zu gewachsenen und welchen Anteil hat die Planung daran?

  3. #3 para
    14. Januar 2012

    @Türpe

    schöne Aneinanderreihung von Worten, Sinn? Was soll denn mal genau der “Prozess Stadt” sein und was “gewachsene Städte” ? Geplant wird in Mitteleuropa das Sieldungsbild seit Jahrhunderten. Die klar abgrenzbaren Siedlungsformen kommen nicht von ungefähr.

  4. #4 rolak
    14. Januar 2012

    Die Hastigkeit hat sich bei mir ein wenig gebremst, MartinB, zumindest in Fällen, in denen ich mir nicht sicher bin, ob mit ‘Entzauberung’ ein ‘wegnehmen von Schönheit/Bezaube­rung’ gemeint ist oder doch ein ‘wegnehmen von (Magie ist einzige Erklärung)’. Beides imho im Bedeutungsraum der Formulierung, beides schon gehört — zugegeben die zweite Variante deutlich seltener.

  5. #5 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    @ MartinB: Dass die Wissenschaft die Welt langweilig und kalt macht, glaube ich auch nicht. Es spricht ja empirisch auch alles dagegen, wie nicht zuletzt deine Profession immer wieder vorführt, von den Quantenverschränkungen bis zu den Quarks – alles irgendwie “merkwürdige” Sachen. Die Formulierung von Max Weber ist, wenn ich das recht sehe, dagegen ziemlich wörtlich zu nehmen, als Ersatz von Magie durch Wissenschaft in der Erklärung der Welt, jedenfalls ist es hier so gemeint. In diesem Sinne entzaubert die Wissenschaft zurecht die Welt. Problematisch wird es, wenn das so verstanden wird, als würde die Welt dadurch etwas von ihren (echten) Erstaunlichkeiten verlieren und sie würde ärmer, wenn die Nymphen und Engel aus dem Kanon der anerkennungsfähigen Entitäten verschwinden. Ich habe auch nichts gegen lotusblattförmige Neubausiedlungen wie in Mertingen, ich frage mich nur, ob man dazu geomantische Methoden braucht.

  6. #6 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    @ rolak: ts ts, schreibt nur 5 Zeilen dazu und ist dann schneller 😉

  7. #7 pirx
    14. Januar 2012

    @para, Türpe:

    Was soll denn mal genau der “Prozess Stadt” sein

    Ich vermute, er meint eher den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Und weil der in einigen prominenten Beispielen schmerzhaft falsch eingeschätzt wurde (z. B. Gropiusstadt, Berlin), kurzschließt er, dass die Stadtplaner ihn garnicht verstehen.

    Geplant wird in Mitteleuropa das Sieldungsbild seit Jahrhunderten.

    Aber der Vergleich mit außereuropäischen Großstädten zeigt – auch wenn andere Faktoren wie Kultur und Wirtschaft sicher ebenfalls zu berücksichtigen sind – wie drastisch systematische Stadtplanung die Lebensqualität der Bewohner verbessern kann. Insofern ist mit enigen Ausnahmen wahrscheinlich jede systematisch geplante Stadt ein Beispiel für städteplanerischen Erfolg gegenüber wild gewachsenen Städten. Nur sind die Absolutergebnisse eben unterschiedlich gut.

    Meines Wissens ist das klassische Beispiel für den Nutzen von Stadtplanung Neu-Milet.

  8. #8 pirx
    14. Januar 2012

    @Türpe

    Ist Stadtplanung nicht sowieso Aberglaube?

    Nein. Stadtplanung ist nichtmal ein Überzeugungssystem. Stadtplanung ist eine Tätigkeit. Und die wird in aller Regel recht weitgehend auf der Basis belastbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeübt.

  9. #9 cydonia
    14. Januar 2012

    Zur “Entzauberung”: Es handelt sich um ein (umgangs)sprachliches Problem.
    Niemand würde von “Entzauberung” sprechen, wenn es beispielsweise um die Erklärung der Funktionsweise eines Wankelmotors ginge. Menschen, die sich hinstellen und sagen: “Hey, das Auto läuft einfach, jetzt lass mich diesen Zauber doch einfach genießen!” dürften recht selten zu finden sein.
    Bei dieser Geschichte haben uns hauptsächlich manche Romantiker einen bösen Streich gespielt, indem sie ihre Weltsicht sprachlich überzeugend und wortmächtig in die Welt getragen haben. Seitdem gilt es ganz besonders im deutschsprachigen Raum als “unfein”, grob und unsensibel, bestimmte Dinge genauer wissen zu wollen. Der Natur manche Geheimnisse “entreißen” zu wollen, das Lüften des Schleiers, wird mit einer Art Vergewaltigung gleichgesetzt.
    Und weil diese Sicht der Dinge immer noch vermittelt und gepflegt wird, haben selbst die abgefahrensten Esoteriker gute Karten, wenn sie auf der Klaviatur der romantisierenden Sprache spielen können. Der Wünschelrutengänger ist ein “Guter”, während der schnöde nach Wasser Grabende im Vergleich ein Vergewaltiger ist.
    Diese schräge Einschätzung sollte öfter thematisiert, und die Gründe sollten schonungslos offengelegt werden, was aber natürlich auch wieder grob und unsensibel ist…..

  10. #10 MartinB
    14. Januar 2012

    @Joseph, rolak
    Ja, ist vermutlich ein Problem der Doppelbedeutung. Wenn ich “Entzauberung” höre, denke ich immer an Leute wie Keats, die traurig sind, weil Gnomen und so nicht mehr als real gelten. Siehe auch den Kommentar von cydonia. Und das macht mich dann doch immer etwas hastig – zumal dieselben Leute es vermutlich nicht gelten lassen würden, dass ein Musikkenner Bach (oder ein Literaturkenner Shakespeare) weniger genießen kann als ein laie, weil er ja alles “versteht” und alles “entzaubert” ist.

    Hätte es zu Keats’ zeit Antibiotika gegeben, hätte der der Wissenschaft vielleicht auch wesentlich weniger ablehnend gegenübergestanden (und ein paar Jahrzehnte länger gelebt…)

  11. #11 rolak
    14. Januar 2012

    Tja Joseph, eine Kombination aus Lebenserfahrung, Textlänge, Glück und Coffein…

    Ja, cydonia, diese Autoimmunisierung der Esoterik vermittels ‘wer nicht erfahren hat, kann nicht mitreden’ in Kombination mit ‘wer nachfragt, hat schon verloren’ ist eine perfide double bind Strategie, die mich manchmal… Kennst Du auch diese Situationen, in denen Du erst mal gründlich abwägst, ob das aktuelle Strafmaß für Körperverletzung nicht viel­leicht doch akzeptabel ist? Ok, bisher immer ‘nein’, doch allein die Überlegung^^

    Die Replik via Bach/Shakespeare ist ein wunderbarer Schuß vor den Bug, MartinB, das merk ich mir für den höchstwahrscheinlich schon bald anstehenden nächsten Fall.

  12. #12 cydonia
    14. Januar 2012

    Ich habe mich angesichts der offensichtlichen Perfidie vor längerer Zeit umkonditioniert, rolak, und nutze die innere Wut um eine möglichst doppeldeutige, erst einige Zeit nach der Wahrnehmung ätzende sowie möglichst verletzende rein sprachliche Äußerung zu formen.
    Was wäre das Leben ohne eiskalte Rache gegenüber den Richtigen zur richtigen Zeit?
    Und das ist jetzt auch nicht ganz OT, weil ich wirklich denke, dass die gezielte sprachliche und argumentative Zerschlagung blödsinniger und auch der Gemeinschaft objektiv Schaden zufügenden Positionen von denen geleistet werden muss, die die Instrumente einigermaßen beherrschen.
    Wer z.B. die Ursachen und Mechanismen einer rassistischen Sichtweise durchschaut, und im akuten Fall nicht konsequent eingreift, handelt in meinen Augen unmoralisch. Das Gleiche gilt aber eben auch für auf den ersten Blick harmlosere Phänomene. Es gibt eine begründbare Pflicht zur Aufklärung, und es gibt basierend auf dieser Denkweise sogar eine begründbare Pflicht zum Atheismus, selbst wenn man sich damit nicht ganz wohlfühlen sollte. Diese Position habe ich mir übrigens teilweise von Dürrenmatt geklaut.

  13. #13 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    @ MartinB: Ich frage mich ohnehin, woher das Bedürfnis kommt, Dingen, die man (noch) nicht ganz versteht, so leicht einen höheren Wert zuzugestehen als den Dingen, die man versteht, siehe auch Wolf Singers “Weihnachtsinterview”. Vermutlich liegt in dieser unreflektierten Höherbewertung ein Teil der Überzeugungskraft esoterischer Konzepte, sozusagen als Erbschaft des Lückengottphänomens. Aber in Mertingen geht es um trivialere Vorgänge, über die man sich nur wundern kann. Wie können Menschen einerseits an Nymphen und Engel glauben und andererseits daran, dass ihr Auto oder ihre Kaffeemaschine ohne überirdische Eingriffe jeden Tag berechenbar funktionieren? Das ist eine ganz besondere Art der Parallelweltentheorie.

  14. #14 cydonia
    14. Januar 2012

    Ich denke, Menschen trennen die Bereiche oft recht konsequent. Oder hat schon mal jemand von Menschen gehört, die einem homöopathischen Verhütungsmittel vertrauen?

  15. #15 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    @ cydonia:

    Erster Satz: Sehe ich auch so, verstehe aber nicht, warum das so gut funktioniert, siehe z.B. die Theorie der kognitiven Dissonanz.

    Zweiter Satz: Gibt´s so was überhaupt?

  16. #16 Sven Türpe
    14. Januar 2012

    Was soll denn mal genau der “Prozess Stadt” sein und was “gewachsene Städte” ?

    a) Der Vorgang, der mit der Besiedlung eines Ortes beginnt und später für einem gewissen Zeitraum Zustände hervorbringt, die wir zum Begriff der Stadt abstrahieren.

    b) Städte, deren Zustand das Resultat weitgehend ungesteuerter Handlungen ihrer Bewohner oder Dritter ist. Mit Steuerung sind dabei solche Eingriffe gemeint, die von einer Vorstellung künftiger Stadtzustände ausgehen und darauf zielen, diese Vorstellung umzusetzen.

  17. #17 ZetaOri
    14. Januar 2012

    @cydonia· 14.01.12 · 14:02 Uhr

    […] Oder hat schon mal jemand von Menschen gehört, die einem homöopathischen Verhütungsmittel vertrauen?

    Och, da kenne ich `ne ganze Menge Mütter und Väter. >;-)
    Wobei der bekannte ‘Apfel’ als rein pflanzliches und nebenwirkungsarmes Verhütungsmittel ja durchaus zuverlässig und evident wirkt! ;-p

  18. #18 Sven Türpe
    14. Januar 2012

    Meines Wissens ist das klassische Beispiel für den Nutzen von Stadtplanung Neu-Milet.

    Warum in die Ferne schweifen? Nehmen wir doch Eisenhüttenstadt als Beispiel, das kann man sich leichter vor Ort anschauen.

    Stadtplanung ist eine Tätigkeit. Und die wird in aller Regel recht weitgehend auf der Basis belastbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse ausgeübt.

    Ach?! Auf welche Faktoren ist zurückzuführen, dass die Stadtplanung erfolgreicher ist als vergleichbare Versuche auf anderen Gebieten, etwa die Planwirtschaft? Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse erfordern Stuttgart 21?

  19. #19 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    @ Sven Türpe:

    Naja, es wäre vermutlich nicht ganz verkehrt, wenn man die Kitas dorthin baut, wo viele junge Familien wohnen und nicht ins Industriegebiet, oder den Bahnhof dorthin, wo die Bahnlinien nicht alle anderen Verkehrswege durchschneiden. Zwischen “Planwirtschaft” und “Planung” gibt es schon noch Unterschiede, Planlosigkeit ist jedenfalls beim Städtebau keine besonders gute Alternative.

  20. #20 pirx
    14. Januar 2012

    @Türpe:

    Warum in die Ferne schweifen?

    Du fragtest nach einem Beispiel. Neu-Milet ist nunmal meines Wissens das klassische. Und das plakativste, das mir auf anhieb einfällt. Deshalb.

    Nehmen wir doch Eisenhüttenstadt als Beispiel, das kann man sich leichter vor Ort anschauen.

    Ehrliche Antwort? Keine Lust. So wichtig, dass ich deswegen jetzt nach Eisenhüttenstadt gurke, ist mir das Ganze dann doch nicht. Wenn irgendetwas interessantes aus dem Beispiel Eisenhüttenstadt folgt, kannst Du es sicher auch ohne Ortsbegehung erläutern. Nur bedenke dabei bitte eines: Es geht im Artikel und folglich auch in der Diskussion um Geomantie in der Stadtplanung und nicht um Sinn und Unsinn der Stadtplanung an sich. Ich denke, es wäre respektlos dem Autor gegenüber, seine Diskussion für fremde Zwecke zu kapern.

    Auf welche Faktoren ist zurückzuführen, dass die Stadtplanung erfolgreicher ist als vergleichbare Versuche auf anderen Gebieten, etwa die Planwirtschaft?

    Vielleicht solltest Du das einen Experten für Planwirtschaft fragen. Aber im Groben würde ich sagen, dass der wesentliche Unterschied zwischen Stadtplanung und Planwirtschaft nicht in der Wissenschaftlichkeit der jeweiligen Methoden oder zugrundeliegenden Erkenntnisse liegt sondern schlicht in der Zielsetzung: Stadtplanung versucht, Lebensräume so zu gestalten, dass Menschen darin optimal nach ihren Bedürfnissen leben und agieren können. Planwirtschaft gestaltet Lebensräume gezielt so, dass Menschen gezwungen werden (sollen) diametral entgegen ihrer Bedürfnisse zu leben und zu agieren. Ersteres kann, wenn man es richtig macht, ganz gut funktionieren. Letzteres ist schlichtweg unrealistisch.

    Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse erfordern Stuttgart 21?

    Vielleicht verstehe ich ja nicht richtig, worauf Du mit dieser Frage hinaus willst. Aber mir erscheint sie recht widersinnig. Stuttgart 21 erfordert keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse als andere vergleichbare Projekte. Jeder städtebauliche Vorgang bedient sich des Kenntnisstandes seiner Zeit. Und je weiter selbiger fortgeschritten ist und je besser er zur Anwendung kommt, desto besser ist das Ergebnis – im Sinne einer Erreichung der gesetzten Ziele.

  21. #21 BreitSide
    14. Januar 2012

    Oh je, TürpelTölpelTroll ist wieder aufgeschlagen, der von fast nichts eine Ahnung hat (was er ja auch immer gerne zugibt), aber überall seinen unqualifizierten Senf dazugibt.

    Meine Güte, was hat der schon Komentatorenkapazitäten verschwendet. Und jedes Mal kommt dasselbe Ergebnis raus: NICHTS.

    Aber irgendwie muss er ja wohl seine Graphorrhö ausleben…

  22. #22 cydonia
    14. Januar 2012

    @Joseph Kuhn
    Nein, gibts natürlich nicht. Unter anderem, weil die Wirkung von den Anwendenden sehr deutlich überprüft werden könnte, und es sofort aus wäre mit dem Glauben an die Wirksamkeit von Wasserinformation oder Ähnlichem.
    Die Aussage “Ich glaube, dass es geholfen hat, und ich trotz ausbleibender Regel, erheblicher Gewichtszunahme, sowie einem Kugelbauch und spürbaren Bewegungen nicht schwanger bin” ist nämlich nur bis zu den Wehen und der anschließenden Geburt aufrecht zu erhalten. Danach ist das Kind deutlich sichtbar, schreit rum und wird trotz Homöopathieglaubens nicht ganz so leicht ignoriert werden können.

  23. #23 MJ
    14. Januar 2012

    Ich kenne mich da wirklich nicht aus, aber es scheint mir etwas abwegig anzunehmen, das Stadtplanung mit der Planung einer Stadt gleichzusetzen sei. Letzteres dürfte tatsächlich etwas schwierig sein, wie das Beispiel Brasília zeigt. Aber zum Thema Stadtplanung schien mir immer Paris das Musterbeispiel schlechthin zu sein. Bis vor weniger als 100 Jahren, als selbst der Eiffelturm schon ein paar Jahre auf dem Buckel hatte, wurden dort vor dem Hintergrund billigen Geldes massiv ganze Viertel umgebaut – das hatte, wie sich in ihren Biographien nachlesen lässt, auch einen Impact auf Marie Curies Leben.

    Aber nicht nur das: selbst Standard-Wahrzeichen wie das Centre Pompidou, das einen massiven Einfluss Gestalt auf Aussehen und Leben im Marais, einem der architektonisch berühmtesten Stadtviertel der Welt, hatte, ist eben erst ein paar Jahrzehnte alt. Mit la Défense andererseits ist das größte Büro-Viertel der Welt an die pariser Peripherie gebaut worden, und erst unter Mitterrand wurde die Grande Arche dort als neues Wahrzeichen hingebaut und fügt sich der “Axe historique” der Stadt hinzu. Gerade eben findet ein massiver Umbau mitten Im pariser Zentrum bei “Les Halles”, also im 1. Bezirk, statt, der das Stadtbild dort stark verändern wird.

    Übrigens ein Klassiker der pariser Stadtplanung dürfte die Symmetrie der Fassade des Institut de France sein (das auch die Académie des Sciences enthält), die nicht im geringsten der Anordnung des dahinterliegenden Räumlichkeiten und Gebäude entspricht: das hatte den einfachen Grund, dass die Fassade parallel gegenüber dem Palais du Louvre ausgerichtet werden sollte, wenn man über den Pont des Arts blickt (ist auch auf google maps gut zu sehen) – ein atemberaubender Ausblick, von beiden Seiten, übrigens!

    Ich weiß schon, das sind rein ästhetische Merkmale (abgesehen von la Défense, die von wirtschaftlich großer Bedeutung ist), und es gibt andere, vermutlich wichtigere. Aber die Annahme, stadtplanerische Elemente könnten nicht zum Vorteil der Stadt gereichen, scheint mir angesichts dessen etwas fehlgeleitet…

  24. #24 Joseph Kuhn
    14. Januar 2012

    Geomantie scheint im Bereich der Stadtplanung keine Seltenheit zu sein. Interessant, was man da beim googeln alles findet. Auf der Seite einer “Gruppe für Geomantie” gibt es sogar einen Verhaltenskodex für Geomantiker. Sie haben “im Falle von Krankheit oder sonstigen Beeinträchtigungen von Handlungen Abstand zu nehmen, die zur energetischen Schädigung der Erde und ihrer Wesen führen könnten”. Das dürfen sie also nur, wenn sie gesund sind.

    Sehr schön ist auch dieses Angebot einer anderen Firma: “Das ganze Universum besteht aus sich immer wieder verändernden Energien, unser Zuhause mit eingeschlossen. Indem man diese Energien erkennt, reinigt und anhebt, transformiert man sein Umfeld in einen Raum der Harmonie, des Friedens und der Liebe.” Vermutlich hat das Herr Westerwelle mit seiner Libyen-Politik gemeint, man hat ihn nur nicht verstanden.

    Auch die Internetseite des schon in Ulrich Bergers Blog gewürdigten Herrn Brönnle lohnt einen Besuch. Neben der Geomantie ist dort z.B. auch das “Hellsehen” oder Psychoesoterisches wie “Focusing” im Angebot. Zu Focusing steht da z.B.: “Der Verstand mag schlau sein, aber weise ist er nicht. (…). Der Körper dagegen ist weise. Er hat die Fähigkeit, in der Gegenwart präsent zu sein und somit bewusst zu machen, was tatsächlich auf uns wirkt.” Möge Herr Brönnle öfter auf seinen Körper hören.

    Und so geht es weiter, mit wilden Verbindungen zu Geistheilern, astrologischen Unternehmenberatungen und anderem. Da wird einem doch etwas unwohl bei der Vorstellung, auf welchen geistigen Grundlagen die Stadtplanung in Deutschland mancherorts beruhen mag.

  25. #25 Joseph Kuhn
    15. Januar 2012

    @ MJ:

    Ich kenne mich da wirklich nicht aus, aber es scheint mir etwas abwegig anzunehmen, das Stadtplanung mit der Planung einer Stadt gleichzusetzen sei

    So ist es. “Stadtplanung” meint als terminus technicus in der Regel nicht die Planung einer neuen Stadt, sondern Planung für existierende Städte.

  26. #26 oliver
    16. Januar 2012

    @cydonia

    Ach, das ist doch nur die Anfangsverschlechterung 😉