Fußnoten, noch dazu vergessene Fußnoten, haben im letzten Jahr durch das Plagiat Karl-Theodor zu Guttenbergs eine enorme Aufmerksamkeit erfahren. Und wie seltsam manchmal das Leben spielt: Ein (in der Kurzform) namensgleicher Verwandter zu Guttenbergs hatte ein paar Jahrzehnte früher ein Buch geschrieben, das ausgerechnet den Titel „Fußnoten” trägt. Es ist antiquarisch übrigens deutlich billiger zu haben als das Buch mit den vergessenen Fußnoten.
Vor ein paar Tagen hatte ich über ein Papier von Standard & Poor´s berichtet, in dem es um den Zusammenhang zwischen einer alternden Bevölkerung und steigenden Gesundheitsausgaben geht. Mit diesem Thema wurde schon in der Weimarer Zeit und natürlich im Nationalsozialismus Politik gemacht, damals nicht Finanzpolitik, sondern Bevölkerungspolitik. Bei der Durchsicht alter Texte dazu ist mir jetzt wieder ein altes Plagiat aus der dieser Zeit untergekommen. Ich weiß allerdings nicht, wer von wem abgeschrieben hat. Die zeitlich frühere Literaturstelle ist die von Arthur Gütt in der Einführung zu dem von ihm mit einem Herrn Möbius 1935 herausgegebenen Buch „Der öffentliche Gesundheitsdienst”. Dort steht auf Seite 21:
„Die Zahl der Geburten, die noch um die letzte Jahrhundertwende über 2 Millionen im Jahr, d.s. (bei damals 56 Millionen Einwohnern) 36 aufs Tausend der Bevölkerung, betragen hatte und die seitdem in unaufhaltsamem Aufstieg bis auf 957 000 oder 14,7 a. T. im Jahre 1933 – d.h. der absoluten Zahl nach unter die Geburtenzahl Italiens (1933: 987 000) und der relativen Geburtenhäufigkeit nach unter die Geburtenziffer Frankreichs (16,3 a. T.!) – abgesunken war, ist im Jahr 1934 erstmals wieder angestiegen, und zwar auf rund 1 170 000 oder 17,9 a. T. der Bevölkerung.”
Genau der gleiche Passus, mit der gleichen Zeichensetzung und den gleichen Abkürzungen, steht auch bei Friedrich Burgdörfer in dessen Buch „Bevölkerungsentwicklung im Dritten Reich. Tatsachen und Kritik” aus dem Jahr 1938, hier zu finden auf Seite 58. Es fehlt nur – die Fußnote!
Ob die Beiden ihr Plagiat als solches empfanden, ist nicht überliefert, aber die eigentlichen Verbrechen dieser Herren waren ohnehin anderer Art. Beide waren ziemlich finstere Gestalten. Arthur Gütt war bis 1939 einer der einflussreichsten Medizinalbeamten im Nationalsozialismus, er starb 1949, Friedrich Burgdörfer war Bevölkerungswissenschaftler mit rassenhygienischer Ausrichtung, nach dem Krieg „Ehrenmitglied” der Deutschen Statistischen Gesellschaft, er starb 1967, über beide finden sich für Interessierte ausreichend Informationen im Internet.
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