Unter den gesetzlichen Krankenkassen hat zwar seit geraumer Zeit der Wettbewerb Einzug gehalten – bis dahin, dass man jetzt vor der Frage steht, wo sie dem Wettbewerbsrecht und wo dem Sozialrecht unterstehen sollen, aber die gesetzlichen Krankenkassen gehören dennoch nach wie vor zur „mittelbaren Staatsverwaltung”.
Sie erfüllen öffentliche Aufgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter den speziellen rechtlichen Regularien des Sozialgesetzbuchs. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nach § 1 SGB X „Behörden”. Das erlegt ihnen auch besondere Pflichten zur Neutralität in weltanschaulichen Positionen auf.
Im SPIEGEL 7/2011 wird jetzt der Fall der BKK IHV (Betriebskrankenkasse für Industrie, Handel und Versicherungen) aufgerollt. Die Krankenkasse kooperiert mit „ProLife”, einem Anti-Abtreibungsverein in der Schweiz, und zahlt als freiwillige Leistung bei der Geburt eines Kindes eine Prämie von 300 Euro. Allerdings ist diese Leistung an eine Bedingung geknüpft:
Gegenüber ProLife verzichtet jedes Mitglied aus Gewissensgründen freiwillig auf Abtreibung. Es steht jeder Versicherten und jedem Versicherten frei, freiwillig auf Abtreibung zu verzichten.
Nun könnte man sagen, das ist eben ein etwas schräges Angebot im Wettbewerb, die BKK IHV bietet schließlich auch Homöopathie und Gesundheitsreisen an, da kommt es darauf auch nicht mehr an. Aber ProLife steht – so kann man bei Wikipedia nachlesen, in Verbindung mit dem 2002 aufgelösten “Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis”, dem sektenartige Strukturen nachgesagt wurden. Auch der SPIEGEL-Beitrag geht auf diese Verbindung ein. Sind solche Kooperationen bei der Ausübung öffentlicher Aufgaben, nämlich des Krankenversicherungsschutzes, für eine “Behörde” noch zulässig? Die wettbewerblichen Instrumente der Krankenkassen führen offensichtlich zu seltsamen Blüten.
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