Unter dem Titel „Die Unbestechlichen” kam 1976 ein Film von Alan Pakula in die Kinos. Er handelte von der Watergate-Affäre und den Recherchen der Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward. Im Jahr 2012 müsste man diesen Filmtitel für ein anderes Thema vergeben: Am vergangenen Freitag entschied der Bundesgerichtshof, dass niedergelassene Ärzte unbestechlich sind.
Aus Prinzip. Nicht weil sie moralisch wirklich über jeden Zweifel erhaben wären. Dass es im Gesundheitswesen nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wird angesichts der Milliardensummen, die hier umgesetzt werden, niemanden überraschen und gibt Stoff für die spannendsten Krimis ab. Auch die Richter sprechen sprachschöpfend von “korruptivem” Verhalten. Aber, so das Gericht, niedergelassene Ärzte sind ihre eigenen Herren, weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen. Die Rechtsvorschriften für Korruption greifen daher nicht, und wo kein Recht, da auch kein Richter. Vor den Bundesgerichtshof ist übrigens kein Arzt gezogen, sondern eine Pharmareferentin, die vom Landgericht Hamburg wegen Bestechung verurteilt worden war. Sie profitiert nun davon, dass Ärzte unbestechlich sind.
§ 299 (1) des Strafgesetzbuchs lautet:
“Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
§ 332 (1) des Strafgesetzbuchs lautet:
“Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Der Versuch ist strafbar.”
Der nächste Absatz in § 332 behandelt die Bestechlichkeit von Richtern und Schiedsrichtern. Man könnte auch einen Absatz über niedergelassene Ärzte einfügen, zumindest für Kassenärzte, weil die über die gesetzliche Krankenversicherung finanziert werden, also über die mittelbare Staatsverwaltung. Aber das will man nicht. Der SPIEGEL (26/2012) sagt, Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, habe sogar angekündigt, man werde bei einer anderen Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Rechtslage so ändern, dass keine Verurteilung von Ärzten wegen Bestechlichkeit mehr möglich sei. Die Arbeit kann er sich nun sparen. Seltsamerweise soll der gleiche Mann vor wenigen Wochen noch beim Ärztetag in Nürnberg die Zahlungen von Kliniken an Ärzte, damit diese mehr Patienten einweisen, als „illegal und völlig inakzeptabel” bezeichnet haben.
Standesrechtlich ist die Lage übrigens eindeutig: § 31 und 32 der ärztlichen Berufsordnung verbieten es Ärzten, sich bestechen zu lassen. Da heißt es:
§ 31 Unerlaubte Zuweisung
(1) Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.
(2) (…)§ 32 Unerlaubte Zuwendungen
(1) Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. (…)
Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs sollte daher nun die Last der Überwachung und Ahndung ärztlichen Fehlverhaltens ganz auf der ärztlichen Selbstverwaltung liegen. Mal sehen, ob das funktioniert oder ob man damit den Bock zum Gärtner gemacht hat. Die Bundesärztekammer freut sich erst einmal über das Urteil, weil es bestätige, dass der Arztberuf ein „freier” Beruf sei. Hoffen wir, dass nicht zu viele als Subtext hier „moralfrei” lesen. Wir wollen schließlich unbestechliche Ärzte.
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