Gestern hat das Robert Koch-Institut Daten einer europäischen Prävalenzstudie zu Krankenhausinfektionen veröffentlicht.

Dieses Thema ist nicht gerade mein Fachgebiet, aber ein paar Punkte finde ich trotzdem ganz interessant. Beispielsweise ist die Datenlage bei diesem Thema bemerkenswert beweglich. Auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums kann man zur Häufigkeit von Krankenhausinfektionen lesen:

„In Deutschland erkranken jährlich 400.000 bis 600.000 Menschen an nosokomialen Infektionen – das sind Infektionen, die im Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten Behandlung erworben werden und die umgangssprachlich auch als Krankenhausinfektionen bezeichnet werden. 7.500 bis 15.000 Menschen sterben jährlich daran.”

Diese Zahlen hielten medizinische Fachgesellschaften schon im letzten Jahr für zu gering. Sie sprachen von mindestens 700.000 Krankenhausinfektionen jährlich und bis zu 30.000 Sterbefällen durch diese Infektionen – nachzulesen in einer Stellungnahme der Fachgesellschaften zur Änderung der gesetzlichen Vorschriften zur Krankenhaushygiene. Die Zahlen, die das Robert Koch-Institut nun für Deutschland vorlegt, bestätigen die Einschätzung der Fachgesellschaften. Das RKI weist eine Prävalenzrate (Häufigkeit) von 4,52 % der Patient/innen aus. Geht man einmal davon aus, dass bei diesem Sachverhalt Behandlungsfälle und Patient/innen gleichgesetzt werden dürfen, dann ergibt das bei ca. 18,4 Mio. Behandlungsfällen in deutschen Krankenhäusern im Jahr 2010 ca. 830.000 Krankenhausinfektionen.

Dass die Datenlage hier so divergiert, verwundert wenig. Es gibt nicht viele repräsentative Studien dazu und die Krankenhäuser haben verständlicherweise auch wenig Interesse, ihre Daten dazu an die große Glocke zu hängen. Eine hohe Prävalenz an Krankenhausinfektionen wird in der Öffentlichkeit nämlich schnell als Ausdruck mangelhafter Hygiene wahrgenommen. Ob das wirklich so stimmt, wäre zu diskutieren. So treten die höchsten Raten bei Intensivpatient/innen auf – 18,6 % weist das RKI hier aus. Aber hat das nicht auch damit zu tun, dass wir heute intensivmedizinische Möglichkeiten nutzen, die es früher gar nicht gab, beispielsweise bei Organtransplantationen, in der Unfallchirurgie oder der Versorgung von Frühgeborenen? All das geht mit einem nicht immer vermeidbaren Infektionsrisiko einher. Ist ein Teil der Krankenhausinfektionen also der Preis des medizinischen Fortschritts?

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Dinge, die man nicht wirklich verstehen kann. Warum wird bei bis zu 30.000 Sterbefällen infolge von Krankenhausinfektionen jährlich in Deutschland nicht viel mehr in die Krankenhaushygiene investiert? Das unverzichtbare Händewaschen des Personals kostet zwar nicht viel, aber man muss eben auch qualifizierte Hygieniker ausbilden und einstellen. Die sind in Deutschland Mangelware. An den Universitäten ist die Hygiene ein aussterbendes Fach. „Hygiene” klingt ja auch nicht so sexy wie „klinischer Protonenbeschleuniger” – wobei ich das eine nicht gegen das andere ausspielen will, aber Krankenhaushygiene ist eben auch keine Sache von gestern. Vielleicht sollte man etwas von den vielen Millionen aus der High-Tech-Forschung zur individualisierten Medizin in die Ausbildung von Hygienikern umlenken?

Zum Trost taugt vielleicht dieses Ergebnis der zitierten Prävalenzstudie: Im internationalen Vergleich scheint Deutschland gar nicht so schlecht dazustehen, die Rate hierzulande liegt, so das RKI, im internationalen Vergleich eher niedrig. Hoffen wir mal, dass auch dieses Ergebnis nicht demnächst revidiert werden muss.

Kommentare (44)

  1. #1 Hanno
    3. Juli 2012

    Hat nichts mit dem Blogeintrag zu tun, aber mir grad aufgefallen: In Deiner Sidebar/Blogroll ist ein Link auf
    http://www.www.badscience.net
    Das ist ein www zu viel 😉

  2. #2 someone
    3. Juli 2012

    Oder: man investiert mehr in die Raumfahrt.
    Ich erinnere mich an einen Vortrag bei der lrt-konferenz 11 in Bremen, bei der die Nutzung der Technologie zum reinhalten von raumsonden (stichwort planetary protection) ifür Krankenhäuser vorgeschlagen wurde. (Ionisierende gase wenn ich mich recht erinnere.) Der Vorteil bestände darin, dass wegen der unterschiedlichsten Zusammensetzungen keine immunization eintritt. Wenn ich zuhause bin such ich das Paper nochmal raus.

  3. #3 michael
    3. Juli 2012

    > Vielleicht sollte man etwas von den vielen Millionen aus der High-Tech-Forschung zur individualisierten Medizin in die Ausbildung von Hygienikern umlenken?

    Sie wollen unsere Medizin Industrie ruinieren ?

    > …hierzulande liegt, so das RKI, im internationalen Vergleich eher niedrig…

    interessanter ist ja der Vergleich mit den benachbarten Ländern. Wie steht D denn da dar.

  4. #4 MoritzT
    4. Juli 2012

    Wirklich interessant wird die Diskussion dann, wenn man sich vor Augen hält, welche Infektionen mit perfekter Hygiene überhaupt verhinderbar wären – das sind nämlich gar nicht so viele, die ernst zu nehmenden Schätzungen sprechen von etwa einem Drittel. Ironischerweise ist nämlich der Patient selbst sein eigenes Risiko – weil jeder Mensch von unglaublich vielen Bakterien besiedelt ist. Nur: den Rachenraum wird man definitiv nie keimfrei bekommen, und daher wird jeder Beatmungstubus auch immer ein Infektionsrisiko sein. Genau wie jeder Blasenkatheter und jeder dauerhafte Zugang zum Gefäßsystem (die Haut kriegt man auch nie dauerhaft keimfrei).

    Natürlich wäre es super, wenn wir wenigstens die vermeidbaren Infektionen nicht mehr hätten – aber dann gäb es immer noch eine Menge Krankenhausinfektionen.

  5. #5 michael
    4. Juli 2012

    > das sind nämlich gar nicht so viele, die ernst zu nehmenden Schätzungen sprechen von etwa einem Drittel.

    “ernst zunehmenden Schätzungen” ? Hört sich genauso vertrauenserweckend an wie die berüchtigte “Dunkelziffer”.

  6. #6 Statistiker
    4. Juli 2012

    Ich hab den verdacht, wir haben einen neuen Troll….

  7. #7 Joseph Kuhn
    4. Juli 2012

    @ Hanno: Danke für den Hinweis, ist korrigiert.

    @ michael: Wie es in den Nachbarländern aussieht, ist im Epidemiologischen Bulletin noch nicht zu finden:

    “Die vorliegenden Daten aus Deutschland können zurzeit noch nicht mit den Daten der anderen europäischen Länder verglichen werden, weil in vielen europäischen Ländern die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist.”

    Der Hinweis auf die international höheren Raten stammt aus einer älteren Studie. Auch deswegen der “Warnhinweis” am Ende des Blogbeitrags.

    Und was die Schätzung des vermeidbaren Anteils angeht: Ja, das ist man auf schwankendem Boden, siehe z.B. dieses Interview. Aber das ist in anderen Bereichen auch nicht anders, präventive Potentiale abzuschätzen ist immer schwierig, weil das von vielen Einflussgrößen abhängt. Aber bei der großen Anzahl an Krankenhausinfektionen und dadurch verursachten Sterbefällen wäre ein präventives Potential von einem Drittel auf jeden Fall genug, um sich intensiv darum zu kümmern und auch langfristige Weichenstellungen, z.B. im Hochschulwesen, vorzunehmen.

  8. #8 Wechmitdem Gesocks
    4. Juli 2012

    Ärzte sind einfach Schweine. Ende!

  9. #9 Chris
    4. Juli 2012

    Hygiene ist die eine Sache, hier gibt es viele Beispiele, wie es besser gehen kann. Wenn nämlich die Patienten selbst darauf achten, dass jeder Arzt sich erstmal die Hände desinfiziert, bevor er weiter macht.

    Die andere Sache ist der Umgang mit Antibiotika. Hier haben die Niederlande zB ein Vorzeige-Konzept, dass in NRW schon modifiziert angewendet wird. Zudem werden in manchen Krankenhäusern die Patienten auf mögliche Resistenzen bei der Ankunft getestet. Ggf. dann isoliert oder spezielle behandelt, damit die resistenten Keime nicht die Runde machen.

    Aber es wäre schon viel getan, wenn sich die Ärzte besser die Hände reinigen, im Klinik-Alltag. Hier gibt es eine klare Hierarchie: Der Student nutzt die Desinfektions-Spender am Häufigsten, der Chefarzt nur, bevor er nach Hause fährt (stark übertrieben)

  10. #10 Wolf
    4. Juli 2012

    “[…]aber man muss eben auch qualifizierte Hygieniker ausbilden und einstellen. Die sind in Deutschland Mangelware. An den Universitäten ist die Hygiene ein aussterbendes Fach.[…]”

    Schon einen Blick ins Infesktionsschutzgesetz geworfen? §23 Abs. 8

    “[…]Dabei sind insbesondere Regelungen zu treffen über
    1. hygienische Mindestanforderungen an Bau, Ausstattung und Betrieb der Einrichtungen,
    2. Bestellung, Aufgaben und Zusammensetzung einer Hygienekommission,
    3. die erforderliche personelle Ausstattung mit Hygienefachkräften und Krankenhaushygienikern und die Bestellung von hygienebeauftragten Ärzten einschließlich bis längstens zum 31. Dezember 2016 befristeter Übergangsvorschriften zur Qualifikation einer ausreichenden Zahl geeigneten Fachpersonals,
    4. Aufgaben und Anforderungen an Fort- und Weiterbildung der in der Einrichtung erforderlichen Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker und hygienebeauftragten Ärzte,
    5. die erforderliche Qualifikation und Schulung des Personals hinsichtlich der Infektionsprävention,
    6. Strukturen und Methoden zur Erkennung von nosokomialen Infektionen und resistenten Erregern und zur Erfassung im Rahmen der ärztlichen und pflegerischen Dokumentationspflicht,
    7. die zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderliche Einsichtnahme der in Nummer 4 genannten Personen in Akten der jeweiligen Einrichtung einschließlich der Patientenakten,
    8. die Information des Personals über Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind,
    9. die klinisch-mikrobiologisch und klinisch-pharmazeutische Beratung des ärztlichen Personals,
    10. die Information von aufnehmenden Einrichtungen und niedergelassenen Ärzten bei der Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patienten über Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind.[…]”

    Fraglich ist noch was mit den entstehenden Kosten passiert. Nachdem sich die Kranken Kassen ja erfolgreich auf Kosten der Krankenhäuser gesundgestoßen haben, wollen die natürlich nicht auf die 20 Milliarden Überschuß verzichten. Und da das Budget gedeckelt ist, soll es das Problem der Krankenhäuser bleiben.

    Wenn mich nicht alles täuscht soll vor und nach jedem Patientenkontakt eine Händedesinfektion durchgeführt werden (da ich zur Zeit im Urlaub bin, kann (und will) ich das nicht eruieren, lass mich aber gerne korrigieren). Mindestdauer 30 Sekunden. Macht eine Minute pro Patientenkontakt. Bei 30 – 40 Patientenkontakten pro Schicht und Nase (wenn zu wenig oder zu viel: ich lass mich gerne korrigieren) macht das 30 – 40 Minuten pro Schicht “nur” für die Händedesinfektion. Man kann in der Zeit auch maximal mit Patienten und / oder Angehörigen / Ärzten sprechen, denn sobald man einen Stift aufnimmt, um etwas zu schreiben, darf man von vorne beginnen.
    Wer sich ein wenig mit der Realität im Pflegeberuf in deutschen Krankenhäusern auskennt, weiß dass das nicht zu leisten ist ohne Personal einzustellen. Und das ist der Knackpunkt.

    Das soll keine Entschuldigung sein, es soll nur aufzeigen, dass es etwas kosten wird. Ob dies (unbedingt) durch Beitragserhöhungen sein muss, oder ob das nicht doch eine gute Anlagemöglichkeit für die Überschüsse bei den Kranken Kassen wäre?

    Um die MRE einzudämmen bedarf es meiner Ansicht nach einer grundlegenden Schulung der Ärzteschaft. Da werden viel zu häufig Antibiotika eingesetzt, quasi wie Bonbons verteilt.
    leichte CRP Erhöhung -> Antibiose
    Leukos leicht erhöht -> Antibiose
    unspezifischer Husten und leichtes Fieber -> Antibiose
    Leukos im Harn positiv -> Antibiose
    All das ohne zu wissen um welche Keime es sich überhaupt handelt, und bei Leuten die ich ansonsten als “völlig gesund und belastungsfähig” einstufen würde; also keine Leute nach Organtransplantation oder nach Chemotherapie….

  11. #11 Wolf
    4. Juli 2012

    @Chris:
    Kennen Sie nicht den Spruch: Ein Chefarzt ist per definitionem keimfrei.

  12. #12 WolfgangK
    4. Juli 2012

    In diesem Kommentar im 2. Absatz hatte ich es schon einmal beschrieben. Es ist nicht so, dass nicht genügend Vorkehrungen getroffen wurden. Die meisten Krankenhäuser sind zertifiziert und erfüllen alle Hygienestandards – auf dem Papier. In Wirklichkeit jedoch schert sich niemand um die vorgeschriebene Händehygiene.

  13. #13 Chris
    4. Juli 2012

    @WolfgangK
    In Wirklichkeit jedoch schert sich niemand um die vorgeschriebene Händehygiene
    Nichts anderes habe ich gesagt 😉
    Es gibt ein System der FH Gelsenkirchen, bei dem der Verbrauch und die Verwendung der Spender drahtlos kommuniziert wird. Dann kann man gucken, welche Spender wie oft genutzt wird und die entsprechende Abteilung darauf ggf. sensibilisieren.

  14. #14 noch'n Flo
    4. Juli 2012

    @ Wechmitdem Gesocks:

    Ärzte sind einfach Schweine. Ende!

    Da bitte ich als Arzt doch mal um eine Begründung. Ansonsten: Strafanzeige wegen Nötigung.

    @ alle:

    Tja, ich erinnere mich noch gut an unseren Hygiene-Kurs im 9. Semester. Der bestand nämlich ausschliesslich aus eine Vorlesung ohne Anwesenheitskontrolle. Und die Abschlussklausur war ein absoluter Witz, die wurde vom Semester quasi als Gruppenarbeit erledigt, Durchfallquote 0%. Lehrbücher hat sich sowieso niemand gekauft, und im Kompendium für die Vorbereitung auf das 2. Staatsexamen hat der Autor immer wieder völlig unpassend versucht, das Thema mit seltsamen Witzen zu verkaufen.

    Wundert einen dann noch etwas?

  15. #15 noch'n Flo
    4. Juli 2012

    @ Chris:

    Der Student nutzt die Desinfektions-Spender am Häufigsten, der Chefarzt nur, bevor er nach Hause fährt (stark übertrieben)

    Wieso “übertrieben”?

    @ WolfgangK:

    Die meisten Krankenhäuser sind zertifiziert und erfüllen alle Hygienestandards – auf dem Papier. In Wirklichkeit jedoch schert sich niemand um die vorgeschriebene Händehygiene.

    Ach komm. Ich habe noch kein Qualitätszertifikat gesehen, dass auch nur das Papier wert gewesen wäre, auf dem es gedruckt war.

  16. #16 Chris
    4. Juli 2012

    @Flo
    Wieso “übertrieben”?
    Weil ich Pauschalisierungen vermeiden möchte und es sicherlich bestimmt auch irgendwo Chefärzte gibt, die sich richtig die Hände reinigen, vielleicht, hoffentlich…

  17. #17 beka
    4. Juli 2012

    Am Akademisch Ziekenhuis Amsterdam / Vrije Universiteit Medisch Centrum, Amsterdam hat man Anfang der 90-ger Jahre ein rigorosen screening der eingewiesenen Patienten auf MRSA-Belastung eingeführt und so die Anzahl der erworbenen Infektionen mit MRSA-Keimen fast auf Null gebracht. Aufgenommenen Patienten mit diesen Keimen werden sofort isoliert, so dass die erworbene Infektion im Alltag praktisch keine Rolle mehr spielt.

    In het afgelopen jaar (vanaf 1 juni 2005 tot en met 31 mei 2006) zijn ruim
    1500 MRSA-isolaten ontvangen en getypeerd en was de incidentie 9,6 per 100 000 personen.

    Quelle: [1] Seite 23

    MRSA-Infektionen verursachen schwere Organschäden und wenn man ganz viel Glück hat, bleibt man danach tot. Im Vergleich dazu stieg die Infektionsrate in Deutschland zwischen 2006 und 2009 um ca. 200% (Zahlen der Techniker Krankenkasse).

    Nach über 15 Jahren ist die Uniklinik Münster meines Wissens das einzige Krankenhaus, das kürzlich ein ähnliches Screening eingeführt hat.

    Studien zeigen, dass in Deutschland mehr als die Hälfte aller MRSA in einem Krankenhaus bereits bei Aufnahme des Patienten nachgewiesen werden. Aus diesem Grund ist die Umsetzung der Empfehlungen zum Umgang mit MRSA in Krankenhäusern dringend notwendig.

    Quelle: [2]

    In den Niederlanden hält sich der Anteil durch konsequente “search and destroy” – Politik seit Jahren stabil auf unter 3%. Dennoch werden in den Niederlanden seit zwei Jahren vermehrt so genannte “community acquired” (CA-)MRSA Verweis auf externe Website [Link], d.h. ambulant erworbene MRSA beschrieben, die eine Gefahr für die gesunde Bevölkerung außerhalb von Krankenhäusern darstellen.

    Quelle: [3]

    Man könnte unter Hinweis auf evidence-based medicine und ein seit über 15 Jahren funktionierendes System am Amsterdamer Krankenhaus die gesamte Medizinische Landschaft in Deutschland jedes Jahr hunderttausenfach in Grund und Boden klagen.

    Kein Autohersteller wagt es, seine Modelle mit Lackschäden auszuliefern. Das wird sofort abgestellt.

    [1] MRSA-beleid in Nederland
    [2] Wie häufig gibt es MRSA in Deutschland
    [3] Informationen zum MRSA-net Projekt / Informaties op MRSA-net

  18. #18 Chris
    4. Juli 2012

    @Beka
    Das stimmt so nicht, gerade NRW ist hier in vielen Bereichen weiter gewesen als die jüngste Gesetzesgebung auf Bundesebene. Das Screening sämtlicher Patienten wird hier bei mehreren Krankenhäusern durchgeführt, viele machen das bei “Risikogruppen”, das ist vor allem eine Kostenfrage.

  19. #19 Wolf
    4. Juli 2012

    “[….]Man könnte unter Hinweis auf evidence-based medicine und ein seit über 15 Jahren funktionierendes System am Amsterdamer Krankenhaus die gesamte Medizinische Landschaft in Deutschland jedes Jahr hunderttausenfach in Grund und Boden klagen.[…]”

    Auf Basis welcher gesetzlichen Grundlage?
    Na?

    Wäre möglich das alles wie in den Niederlanden auch in D durchzuziehen. Aber wer bezahlt das? Die Kranken Kassen? Mit Sicherheit nicht, die weigern sich ganz einfach.

  20. #20 Daniela Hirschburg
    4. Juli 2012

    Ich finde Chris Vorschlag eigentlich ziemlich gut: Wenn jeder Patient darauf achtet, dass er nur von Ärzten behandelt wird, die mehrfach ihre Hände waschen, sinkt das Risiko enorm. Durch die regelmäßige Kontrolle der Patienten entsteht somit vielleicht wieder eine Routine, die am Anfang des Berufs selbstverständlich war.

    Trotdzdem daf man hier nicht pauschalisieren: Es gibt immer solche und solche Ärzte!

    Viele Grüße
    Daniela Hirschburg

  21. #21 roel
    4. Juli 2012

    @Chris und Daniela Hirschburg Mein bisher letzter Krankenhausaufenthalt war mit 6 Jahren. Und seit dem hat sich so manches geändert.

    Wie kann ich als Patient darauf achten, dass der mich behandelnde Arzt, seine Hände desinfiziert hat?

  22. #22 Bazill2003
    4. Juli 2012

    Vor rund 12 Jahren lag ich nach einen Unfall für einige Zeit im Krankenhaus. Es handelte sich um die größte Uniklinik des Landes. Wie es so kommt handelte ich mir einen MRSA ein, wobei es nicht klar war ob dies infolge der Sepsis war oder ob ich mir den Keim im Spital zugezogen hatte. Der Umgang mit MRSA Patienten (damals 2 auf der Station) war gelinde gesagt interessant. Vor allem für mich da ich Mikrobiologe bin. Ums rund raus zu sagen, bis auf den Dermatologen hatten die Ärzte, alles Chirurgen, schlicht keine Ahnung und das Pflegepersonal war überfordert (aber sehr bemüht). Ein befreundeter Arzt zeigte mir einmal seine Mikrobiologieunterlagen und danach wunderte ich mich zu mindestens weniger.
    Aber auch Händewaschen ist nur ein Teil. Ich erinnere mich dass ich später mal eine nette Veröffentlichung in The Lancet gefunden habe, die einen interessanten Teilaspekt dazu beleuchtet
    https://www.lancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(05)78182-4/fulltext

  23. #23 Wolf
    4. Juli 2012

    @roel:”[…]Wie kann ich als Patient darauf achten, dass der mich behandelnde Arzt, seine Hände desinfiziert hat? […]”

    Ganz einfach: wenn der Arzt den Spender mit der blauen Flüssigkeit neben der Tür benutzt, siehst du es. Benutzt er ihn nicht: Einfach darauf hinweisen, dass er ihn doch benutzen soll.

  24. #24 Wolf
    4. Juli 2012

    Nachtrag:
    Ja OK, ist keine blaue Flüssigkeit, ist eine blaue Flasche.
    Und ja, es mag durchaus Krankenhäuser geben, bei denen sich in den Zimmern keine Spender befinden.

  25. #25 Roland
    4. Juli 2012

    Die Problematik Krankenhausinfektionen/resistente Erreger ist komplexer als es in einigen Kommentaren aufscheint. Es besteht die Gefahr, dass Öffentlichkeit u. Politik simple Schlussfolgerungen ziehen, so nach dem Motto, es bräuchte nur mehr Händedesinfektion in den Krankenhäusern. Diskussionswürdig ist v.a. der (zu) großzügige Antibiotikaeinsatz, gerade in der Veterinärmedizin! Interessant ist auch eine Einschätzung von Prof. Daschner, Freiburger Hygieneemeritus, der in seiner aktiven Zeit
    immer wieder Kopfschütteln in der Fachwelt hervorgerufen hat, jetzt aber auf eine wichtige Entwicklung und Erklärung hinweist: “Hygiene: Hysterie in Deutschland”
    https://www.aerzteblatt.de/archiv/127066/Hygiene-Hysterie-in-Deutschland

  26. #26 Chris
    4. Juli 2012

    @roland
    Diese Perspektive sollte man mehr betonen, ist aber auch wieder sehr einseitig

  27. #27 roel
    4. Juli 2012

    @Wolf Danke. Ich achte mal bei meinem nächsten Krankenbesuch darauf.

  28. #28 MoritzT aka der neue Troll
    4. Juli 2012

    Bei uns gabs einen besonderen Geniestreich: im Neubautrakt sind an der Tür zu den Patientenzimmern keine Desinfektionsmittelspender mehr zu finden – das Zeug ist brennbar und darf sich daher nicht in Fluchtwegen befinden. Octenisept (nichtalkoholisch) ist für die Hände aber einfach unpraktisch – außer, man will den ganzen Tag mit glitschigen Händen rumlaufen.
    BTW, wir machen auch ein MRSA-Screening, wir haben eine Datenbank mit allen bekannten Patienten mit multiresistenten Erregern (die werden bei Wiederaufnahme grundsätzlich isoliert und erneut gescreent, wenn die Abstriche von Po, Nase und Mund negativ sind, gelten sie erst als nicht infektiös), und mein Scheff desinfiziert sich die Hände gescheit. Patienten mit multiresistenten Erregern werden in den einzelnen Funktionsabteilungen wenn möglich am Ende des Programms untersucht, damit die danach nötige Grundreinigung danach nicht unter Zeitdruck durchgeführt werden muss. All das an einem Münchner Uniklinikum.

    Und wenn man die Zahlen des RKI richtig liest, dann ist zwar die Zahl der MRSA-Infektionen in den Niederlanden deutlich geringer, die Gesamtzahl der nosokomialen Infektionen aber ungefähr vergleichbar und international sogar eher niedrig. Joseph Kuhn hat das auch erwähnt. Man würde selbstverständlich gern was anderes lesen – nämlich von den rumferkelnden Ärzten. Sorry dafür.

  29. #29 BreitSide
    4. Juli 2012

    Im “Euregio”-Projekt versucht ja D, die Erkenntnisse aus NL auf das eigene System umzusetzen. Seit einigen Jahren… Und damit die schlimmsten Klopfer im Gesundheitssystem auszuräumen:
    – das schlampige Händedesinfizieren,
    – die schlampige Antibiotikagabe.

    Den eigentlichen Skandal, die Massengabe von Antibiotika an Schlachtvieh – profühlaktisch, nur zur Gewichtssteigerung! – geht unsere Regierung sicher nicht gerne an.

    Apropos: HändeWASCHEN ist längst out. Das macht nur kaputte Hände. Denn dreckig sind die ja nicht. Man trägt doch hoffentlich Handschuhe?!? Ausnahme natürlich ein paar Sporenbildner.

    Dass Händedesinfektion wegen Brandgefahr weg sollte, halte ich für einen typischen beamtischen Schildbürgerstreich. Da würd ich mal nachfragen. Kreisbrandmeister sind manchmal schon komisch, aber so übertrieben? Die Realität gibt das nicht her.

    Zu infektiösen Ärzten: Vor kurzem wurde ein Verwandter am Auge behandelt (Einblutung) und holte sich prompt einen Augenvirus. Keiner klärte ihn auf, so bekam ihn natürlich seine Frau auch, war (mit 82) wochenlang blind. Der näxte Arzt wiederum verbot ihr – richtigerweise – jeden Kontakt ohne Desinfektion und klappte sogar die Armlehnen an ihrem Stuhl weg.

    Eine Untersuchung an Zahnärzten in Thüringen durch das Gesundheitsamt zeigte auch Erschreckendes: Wenn der Arzt gut war, wurden die Winkelstücke (auf die die Fräs- und Bohrköpfe aufgesteckt werden) einmal pro Tag sterilisiert. Das Gesundheitsamt wurde dann auch gleich von weiteren Untersuchungen abgezogen…

    Die 30 Sekunden sind übrigens vielfältig produktiv nutzbar:
    – Kurzpause (hat man sich verdient bei 40 Patientenkontakten pro Schicht),
    – Wegezeit zum näxten Patienten,
    – Nachdenken(!) vor dem näxten Kontakt.

    Und sag mir keiner, dass nicht viel mehr Zeit durch unnötige Dinge und Rituale verplempert werden.

    Zum Thema Intensiv: vor Kurzem war hier ein Intensivpfleger, der mit seiner anfänglichen anti-Impf-Einstellung uns die Haare zu Berge stehen ließ. Er hat sich dann weitergebildet und Vernunft angenommen. Aber wie viele tun das nicht?

  30. #30 Joseph Kuhn
    6. Juli 2012

    “Brandgefahr”

    Wie gesagt, ich bin kein Fachmann für Krankenhaushygiene. Aber die DGKH schreibt dazu recht klar:

    “Von mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln gefüllten Spendern geht kein Risiko für eine Brandentstehung in Einrichtungen des Gesundheitswesens aus.”

  31. #31 roel
    6. Juli 2012

    @Joseph Kuhn Leider bin ich da auch kein Fachmann. Bein uns (nicht im Krankenhausbereich) ist ein Mittel mit 60% Propanol und einigen anderen Stoffen im Einsatz. Es ist klar, von alleine fängt das nicht an zu brennen. Aber ich würde die Spender nicht gerade im Türbereich plazieren, wo im Falle des Brandes der Fluchtweg lang geht. Denn da, kann ich mir vorstellen, können sie als Brandbeschleuniger wirken und ggf. in Brusthöhe oder bei Kindern in Kopfhöhe einigen Schaden anrichten.

  32. #32 BreitSide
    6. Juli 2012

    @roel: Das magst Du so sehen, aber die Brandexperten sehen das anders. Es hat offenbar noch nie einen solchen Fall gegeben.

    Und die Infektionsprophylaxe durch diese Mittel wiegt wesentlich schwerer. Würde man sie aus Brandschutzgründen verstecken (wo eigentlich?), würden sie noch weniger genutzt als jetzt schon.

    Die Opferzahlen durch Infektionen in Krankenhäusern sind nunmal wesentlich höher als durch Brände. Ungefähr um den Faktor 100 bis 1.000.

  33. #33 roel
    6. Juli 2012

    @BreitSide Du hast ja Recht, neben Türen sind die Spender schon gut angebracht. Ich habe mir auch durchgelesen, was die Experten meinen. Keine Gefahr der Selbstentzündung. Trotzdem möchte ich im Brandfall ungerne an einer Flasche Brandbeschleuniger vorbei. Vielleicht kann man in Zukunft auf nichtbrennbare Flüssigkeiten umrüsten.

  34. #34 BreitSide
    6. Juli 2012

    Ja, roel, unbrennbare Händedesinfektion wäre was Feines. Nur haben alle bisher bekannten Alternativen zu große andere Nachteile.

    Durch alkoholische Hautdesinfektion im Übermaß sind auch schon mal Patienten teilabgefackelt worden…

    Schau halt mal regelmäßig in die VAH-Liste rein.

  35. #35 MoritzT
    7. Juli 2012

    Würde man sie aus Brandschutzgründen verstecken (wo eigentlich?)

    Wie es sich für einen echten Schildbürgerstreich gehört: an der Wand neben dem Kopfende des Patientenbetts. Man kommt nicht gescheit hin, und wenn es brennt, wird dem Patienten der Schopf gewärmt. Grober Unfug, wenn ihr mich fragt.
    Die erlaubte Alternative ist, die Spender auf dem Visitenwagen zu installieren – die gelten dann nämlich nicht als “fest installiert”.

  36. #36 noch'n Flo
    7. Juli 2012

    @ Moritz T.:

    Die erlaubte Alternative ist, die Spender auf dem Visitenwagen zu installieren – die gelten dann nämlich nicht als “fest installiert”.

    Ich habe aber in meiner Zeit als Spitalsarzt auch öfters Visiten ohne Visitewagen, nur mit Cadex, gemacht. Da hätte ich dann schon ein Problem gehabt.

  37. #37 Dagda
    14. Juli 2012

    @ Noch’n Flo
    Nur um es gesagt zu haben; Es gibt auch so praktische Desinfektionsmittelflaschen für die Kitteltasche.

  38. #38 noch'n Flo
    18. Juli 2012

    @ Dagda:

    Die waren aber zu meinen Assi-Zeiten schon chronisch überfüllt mit Stethoskop, Reflexhammer, Massband, Goniometer, diversen Kitteltaschenbüchern etc.

  39. #39 BreitSide
    19. Juli 2012

    Kitteltaschenflaschen sind nur dann erlaubt, wenn keine Spender fest installiert werden KÖNNEN (Ambulante Dienste, Betreuung von Dementen etc.). Man kann die Flaschen auch wie weiland John Wayne mit einem Clip an den Gürtel o.ä. hängen.

  40. #41 BreitSide
    22. Juli 2012

    @Flo2: Da hast Du ja ein Expertenblatt aufgetan!

    Die schreiben ja noch dümmeres Zeug als die BLÖD! Der Flammpunkt von EtOH liegt bei 12 und nicht bei 21 Grad. Oder war das nur ein Zahlendreher?

    Immerhin stimmt der Rest einigermaßen.

    Wenn schon, dann hätten sie auf die üblichen Gefahren beim Grillen abheben können, wenn mit Spiritus nachgeholfen werden soll.

    War auf jeden Fall eine selten dämliche Aktion. Wenn schon, dann hätten sie Sauerstoff nehmen sollen. Dessen Wirkung ist eher lokal begrenzt. Wäre aber auch so eine Schnapsidee (Pun not intended, but SCNR) gewesen. Naja, das “Problem” der schlechten Brennbarkeit trat ja wohl zu einem Zeitpunkt auf, als erhebliche Mengen Ethanols schon im Blut der Herren war….

  41. #42 Verwundert
    20. August 2012

    Das Robert-Koch-Institut steht nicht umsonst in Berlin. Mannomann. Kapiert es keiner? Das RKI ist bestens verknüpft mit der Regierung. Man versteht sich, capito? Was im RKI produziert wird ist häufig unausgegoren und manches sogar richtig stümperhaft. Siehe die letzten “Studien” zur Volksgesundheit. Die Umfragen hätte meine Oma besser gemacht.

    Der Fisch stinkt vom Kopf her.

  42. #43 Joseph Kuhn
    20. August 2012

    Hat dieser Kommentar einen geheimen Sinn oder hat die Hitze zugeschlagen?

  43. #44 remko
    ch
    3. November 2012

    Spannende diskussion über desinfektion und feuer und so. Mittlerweile gibt es übrigens wasser basierte desinfektionsmittel welche nicht brennen bis zu 4h nachwirken, und sporizid wirken. Sprich alles kann was alkohol kann… und mehr. Die schwierigkeit ist nur, in einem krankenhaus überhaupt die mögli chkeit zu erhalten das produkt zu präsentieren. Das interesse scheint diesbezüglich eher klein. Stehe gerne für infos zur verfügung remko.leimbach@gmail.com