Beda Stadler ist Professor und Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern. Ein Mann der Wissenschaft also. Zudem ist er in der Skeptikerbewegung, u.a. bei GWUP aktiv, ein löbliches Engagement gegen Pseudowissenschaften, sollte man meinen.
Dass Beda Stadler leidenschaftlicher Raucher ist und bei dem Thema ab und zu die Pferde mit ihm durch gehen, ist nichts Neues. Vor ein paar Tagen hat er nun der Basler Zeitung ein Interview zum Thema Passivrauchen gegeben, in dem er sich selbst übertrifft. Dass er gerne raucht, sei ihm gegönnt, jeder soll für sich selbst entscheiden, was ihm gut tut und was nicht. Aber er soll um diese Entscheidung herum keinen pseudowissenschaftlichen Zinnober veranstalten.
Im Interview mit der Basler Zeitung behauptet Beda Stadler z.B.:
Zur Frage der Schädlichkeit des Passivrauchens:
“Die meisten Daten basieren auf einer einzigen Hochrechnung, die in Deutschland gemacht wurde.”
und:
“Es gibt keine seriöse Studie, die belegt, dass Passivrauchen wirklich tötet.”
Zur Frage der Manipulation von Wissenschaft durch die Tabakindustrie:
“Zugegeben: Auch hier gab es gekaufte Studien. Aber das ist lange her.”
Und zur Frage des Schutzes von Serviceangestellten in Raucherlokalen:
“Niemand darf gezwungen werden, in einem Raucherlokal zu arbeiten.”
So geht das ganze Interview. Zur Evidenzlage beim Passivrauchen kann sich, wer da noch Bedarf hat und sich nicht auf den Wikipedia-Eintrag oder die Evidenzsynthesen des amerikanischen Surgeon General verlassen will, auch schnell selbst ein Bild verschaffen, indem er bei Pubmed mit Suchbegriffen wie ETS, environmental tobacco smoke, passive smoking, second-hand smoke oder Ähnlichem, kombiniert z.B. mit mortality, cancer, lung, pregnancy oder anderem nach Originalstudien und Reviews sucht. Um sich von der Schädlichkeit des Passivrauchens an sich zu überzeugen, muss man nicht lange suchen. Es gibt eine fast endlose Liste von Erkrankungen, deren Risiko durch die Passivrauchbelastung erhöht wird, das erhöhte Sterberisiko ist nur eine Sache und auf die Diskussion, wie genau die vielzitierten 3.000 Passivrauchtoten durch häusliche Passivrauchbelastung in Deutschland nun zu nehmen sind, muss man sich gar nicht einlassen. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz. Vielleicht sind es wirklich „nur” 500? Was würde das ändern?
Ich habe dem Philosophieprofessor Günter Ropohl, auch ein leidenschaftlicher Raucher mit Berufung zu epidemiologischen Grundsatzerklärungen, einmal vorgeworfen, er würde mit seinen Traktaten die intellektuelle Redlichkeit verletzen. Für Beda Stadlers Interview wäre das wohl eine zu höfliche Beschreibung. Was treibt einen Skeptiker, der sich gegen pseudowissenschaftliche Meinungen engagiert, zu solchen unhaltbaren Äußerungen? Das ist “Denialism” par excellence. Ich bin etwas ratlos.
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