Der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Entwurf für ein Präventionsgesetz war erst vor kurzem Thema hier auf Gesundheits-Check. Schließlich ist es schon ein außergewöhnlicher Vorgang, wenn das FDP-geführte Gesundheitsministerium ein Gesetz vorlegt, das es ursprünglich gar nicht wollte, das starke zentralistische Züge hat, bürokratisch angelegt ist und mit einer überzogenen Eigenverantwortungsrhetorik ungewollt gesundheitsmoralische Bevormundungstendenzen befördert. Keiner hat das Ministerium dazu gezwungen, das war ein Anfall von liberalem Masochismus.
Oppositionelle Muskelspiele …
Im Gesundheitsausschuss des Bundesrats ist das Gesetz am 17. April durchgefallen, das könnte dem Gesetz auch im Plenum des Bundesrats am 3. Mai widerfahren. Nur nebenbei: Bei der Gelegenheit steht auch die Wiedereinführung des Regionalmerkmals im Datensatz zum Risikostrukturausgleich noch einmal zur Abstimmung (Bundesrats-Drucksache 217/1/13) – ein Thema, das für die Versorgungsforschung und die Gesundheitsberichterstattung sehr wichtig ist. Auch darüber hatten wir hier auf Gesundheits-Check vor nicht allzu langer Zeit diskutiert.
Aber zurück zum Präventionsgesetz. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, d.h. es könnte auch gegen das Votum des Bundesrats im Bundestag beschlossen werden. Schon im Juli soll die Dritte Lesung des Gesetzes dort stattfinden, dann wäre es durch, es sei denn, der Bundesrat kann es verfahrenstechnisch über den Vermittlungsausschuss verzögern. Dann würde es, bedingt durch die Bundestagswahl im September, der „Diskontinuität“ verfallen, wie es so schon im Parlamentsdeutsch heißt, d.h. der Gesetzentwurf wäre hinfällig, eine Totgeburt.
… mit der Folge taktischer Bewegungen der Regierung …
Mag sein, dass dieses Risiko dazu geführt hat, dass es Signale der Regierungsseite gibt, vielleicht am Gesetz doch noch etwas nachzubessern. Am letzten Donnerstag hat Gesundheitsminister Bahr zur Eröffnung des Kongresses des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Berlin gesprochen. Er hat dabei seine Offenheit für Vorschläge zur Verbesserung des Gesetzes bekundet. Am nächsten Tag hat Rudolf Henke, für die CDU Mitglied des Gesundheitsausschusses des Bundestags, das wiederholt und gesagt, es mache Sinn, über Einwände aus dem Bundesrat zu reden. Dabei geht es neben anderen Kritikpunkten (siehe BR-Drucksache753/12) u.a. um die Möglichkeit, stärker auf regionaler Ebene Einfluss auf die Zielbildung, Maßnahmenplanung und Mittelverwendung in der Prävention Einfluss nehmen zu können. Das wäre höchst sinnvoll, schließlich unterscheiden sich Gesundheit und präventiver Handlungsbedarf regional erheblich (womit wir wieder beim Thema Regionaldaten wären).
… und unerwarteten Folgewirkungen für die Länder …
Wenn das Bundesgesundheitsministerium im Gesetzentwurf mehr Spielraum für regionale Planungen schafft (was nicht ohne Risiko ist, weil das Gesetz dann zustimmungspflichtig werden könnte), hätte das Folgen für die Länder, die dort vermutlich noch nicht wirklich durchdacht sind. Möglicherweise hat Minister Bahr bei seiner Rede den Öffentlichen Gesundheitsdienst und seine Rolle für die Prävention nicht nur aus Höflichkeit gelobt. Der Öffentliche Gesundheitsdienst ist Ländersache. Wenn er stärker in der Prävention mitmachen soll, z.B. durch die Moderation regionaler Gesundheitszieleprozesse, durch die Mitwirkung an regionalen Präventionsplänen, durch die Erstellung kommunaler Gesundheitsberichte, durch regionale Gesundheitskonferenzen und anderes, dürften seine personellen Kapazitäten schnell überfordert sein. Der Öffentliche Gesundheitsdienst ist nämlich seit Jahren personell ausgezehrt worden – die neoliberale Staatsabbauideologie lässt grüßen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst kommt schon bei seinen klassischen Überwachungsaufgaben, etwa in der Krankenhaushygiene, kaum hinterher, bei neuen Präventionsaufgaben wird es also eng.
… z.B. in Sachen Länderpräventionsgesetze?
Es könnte daher sein, dass der Bund den Ländern entgegenkommt, diese damit aber unter Zugzwang kommen, dieses Entgegenkommen auch annehmen zu können und auf Länderebene dazu die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Die Länder könnten dann gezwungen sein, ihren Öffentlichen Gesundheitsdienst wieder etwas aufzupäppeln und die für eine regionalisierte Prävention nötigen Strukturen in Länderpräventionsgesetzen zu regeln. Das hätten sie dann davon und Gesundheitsminister Bahr könnte sich im stillen Kämmerlein über ein gelungenes „Touché“ freuen. Die Bürger/innen auch, für sie wäre das auf jeden Fall gut: Sie könnten dann auch mehr mitreden, z.B. bei Präventionsangeboten in der Gemeinde. Wenn es so käme, würde man dem Präventionsgesetz die Rettung auf der Intensivstation wünschen.
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