Als Stéphane Hessel sein Büchlein “Empört Euch!“ geschrieben hat, hat er sicher nicht erwartet, dass ausgerechnet das geistige Umfeld der „Achse des Guten“ seinem Aufruf einmal besonders eifrig Folge leisten wird. Zwar neigen die Autoren dort eher nicht zu negativen Weltsichten, schon gar nicht beim Klimawandel, aber angesichts einer Broschüre des Umweltbundesamts zu diesem Thema sahen sie jetzt doch den Untergang des Abendlandes kommen.
Weltereignisse in DIN A4
Was ist geschehen? Das Umweltbundesamt hat in einer Broschüre unter dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel dargestellt und darauf aufmerksam gemacht, dass es bei diesem Thema, wie bei anderen gesellschaftlichen Reizthemen, z.B. dem Rauchen, auch eine Metaebene der Diskussion gibt. Nicht alles, was sich hier wissenschaftlich gibt, ist auch wissenschaftlich. Dabei hat das Umweltbundesamt ein paar Namen von Journalisten genannt, die es in dieser Diskussion weniger durch wissenschaftliche als durch andere Motive getrieben sieht, darunter die WELT-Kolumnisten Miersch und Maxeiner, die auch für die „Achse des Guten“ schreiben.
Man hätte wohl voraussehen können, dass das Henryk M. Broder auf den Plan ruft, schließlich ist ihm alles zuwider, was nach ökologischer und sozialer Politik riecht. Und auf seine Geistesbrüder lässt er schon gar nichts kommen. In ganz großer Empörungsgeste hat Broder – in der WELT, wo sonst – das Umweltbundesamt als joint venture von Reichskulturkammer und DDR dargestellt, nicht ohne vorher festzustellen, dass man bei Vergleichen vorsichtig sein soll, „wenn das Dritte Reich als Kulisse herangezogen wird.“ Gut erkannt.
Broder ist nicht er einzige brutalstmöglich Empörte, drüben im Blog „Primaklima“ kann man einen Teil des Umweltbundesamtsbroschürenentrüstungspostings, wie es Georg Hoffmann genannt hat, nachlesen. Inzwischen hat sich – wiederum in der WELT, wo sonst – sogar der Bundesumweltminister dazu geäußert.
Fragen
Soviel Aufregung. Worum geht es in der Sache eigentlich? Es lohnt sich, dabei verschiedene Fragen auseinanderzuhalten:
1. Hat das Umweltbundesamt den wissenschaftlichen Konsens korrekt dargestellt?
2. Hat es die Position der „Klimakritiker“ korrekt dargestellt?
3. Darf es darauf hinweisen, dass es beim Klimawandel eine Metaebene gibt, in der wissenschaftliche Zweifel aus außerwissenschaftlichen Motiven heraus vorgebracht werden?
4. Darf es, um das konkret zu machen, dazu Namen nennen?
5. Falls ja, hat es das in einer angemessenen und vertretbaren Art und Weise gemacht?
Antworten
Die ersten beiden Punkte seien einmal dahingestellt, das im Konkreten zu beurteilen, mögen die machen, die von Klimaforschung mehr verstehen als ich. Den dritten Punkt finde ich interessant, weil er viele Parallelen dazu hat, ob z.B. Gesundheitsbehörden darauf hinweisen dürfen, dass es eine Impfkritik gibt, die nicht wissenschaftlich ist oder dass es eine Kritik am wissenschaftlichen Konsens zum Passivrauchen gibt, hinter der andere Interessen als die der natürlich notwendigen wissenschaftlichen Diskussion offener Punkte stehen. Ist es nicht sogar die Pflicht einer Behörde, solche Diskussionsebenen zu benennen, damit sich die Bürger/innen ein Bild von der „Gefechtslage“ machen können?
Broders Vorwurf, das Umweltbundesamt hätte versucht, eine wissenschaftliche Debatte zu beenden, geht an der Sache vorbei. Das Umweltbundesamt hat ja keine wissenschaftlichen Aussagen, die dem wissenschaftlichen Mainstream widersprechen, als unwissenschaftlich qualifiziert, es hat vielmehr darauf aufmerksam gemacht, dass es beim Klimawandel Interessenkonflikte gibt, die im Gewande der Wissenschaftlichkeit daherkommen, ohne wissenschaftlich motiviert zu sein.
Das Nennen von Namen ist immer heikel, weil hier schnell die Behauptung einer Rufschädigung mit wirtschaftlichen Folgen im Raum steht. Ob der Ruf der genannten Autoren dadurch zu schädigen ist, dass man sagt, was sie sagen, wird vielleicht noch die Juristen beschäftigen. Diese Passagen hat das Umweltbundesamt nicht besonders geschickt formuliert, hier wären Belege mit nachweislich falschen Aussagen sinnvoll gewesen. Dass die Herren von der „Achse des Guten“, die so gerne mit der großen Kelle austeilen, selbst derart mimosenhaft reagieren, ist allerdings auch wieder beeindruckend. Fast möchte man sagen, heul doch, Broder!
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