Empowerment und (un-)heimliche Bemächtigung
Daran schließt sich ein weiterer Gedanke an. Wenn man in der Prävention, gestützt z.B. auf künftige Möglichkeiten psychopharmakologischer Stimulierung, gesellschaftlich erwünschte Handlungsbereitschaften erzeugen könnte, was würde das bedeuten? Würde man damit das “Lernen” unterstützen oder eher „hinter dem Rücken“ der Menschen Verhaltensänderungen bewirken, die man durch Argumentieren und Überzeugen nicht durchsetzen konnte? Und würde damit nicht das, was manche Trivialisierungen der Hirnforschung sagen, nämlich dass unsere freie Entscheidung nur eine Illusion sei, quasi erst hergestellt, in Form einer Täuschung über eine vollzogene Manipulation subjektiver Handlungsgründe? Die Ottawa-Charta der WHO hatte hier eine andere Blickrichtung. Ihre Autoren folgten einer der Aufklärung verpflichteten Idee: Prävention soll persönliche Kompetenzen entwickeln, dazu beitragen, dass die Menschen ihre gesundheitlichen Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen („Empowerment“) und mehr Selbstbestimmung über ihre Gesundheit gewinnen. Da hört man Kant sprechen. Hört man da auch die Hirnforschung sprechen?
Disclaimer: Hier wurde nicht geschrieben …
… dass der Geist vom Gehirn unabhängig ist, dass alles menschliche Verhalten bewusst oder willentlich ist, dass physiologisch orientierte Hirnforschung nutzlos oder ergebnislos ist, dass man aus der Hirnforschung nichts für die Prävention lernen kann, dass die Naturwissenschaft prinzipiell nie das Bewusstsein erklären kann, dass Psychopharmaka schlecht sind, dass krude Psychotherapien gut sind, dass die Sonne im Westen aufgeht und die Erde eine Scheibe ist.
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