Im Oktober letzten Jahres hatten mehrere medizinische Zeitschriften, darunter das British Medical Journal, Heart und PLoS Medicine, mitgeteilt, keine Artikel mehr zu veröffentlichen, die von der Tabakindustrie unterstützt wurden. Wir hatten hier dazu diskutiert. Nun schließt sich auch das European Journal of Public Health dieser Linie an.
Im Editorial der aktuellen Ausgabe (Vol 24, 2: 182) begründen der frühere Chefredakteur Martin McKee, Professor an der London School of Hygiene und Tropical Medicine, und der gegenwärtige Chefredakteur Peter Allebeck, Professor am Stockholmer Karolinska Institut, diesen Schritt mit der strategisch angelegten Wissenschaftsmanipulation durch die Tabakindustrie.
Sie greifen dabei auch die Frage auf, ob es denn nicht genüge, wenn Autoren ihre Interessenkonflikte offenlegen (z.B. ihre Sponsoren nennen) und im Peer Review auf qualitative Mängel geachtet wird, schließlich könnten die Leser doch selbst entscheiden, was sie dann von einem solchen Paper halten. McKee und Allebeck verweisen darauf, die Erfahrung habe gezeigt, dass solche Verfahren gegenüber den Strategien der Tabakindustrie ins Leere laufen. Als Beispiel führen sie einen Artikel über Ernährungsgewohnheiten von Ragnar Rylander et al. an, der 1999 im European Journal of Public Health erschienen war. Für sich genommen habe der Artikel einen vernünftigen Eindruck gemacht, später habe man feststellen müssen, dass er Teil sogenannter „confounder“ oder „spoiler studies“ war, die die Tabakindustrie finanzierte, um die wissenschaftliche Evidenz zu den gesundheitlichen Folgen des Passivrauchens zu untergraben.
Auch bei den gesundheitlichen Folgen des Aktivrauchens ist die Tabakindustrie übrigens schon so vorgegangen. So verdankt sich ein Teil der – an sich sehr guten – Forschung zu arbeitsweltbezogenen Herzinfarktrisiken in Deutschland genau dieser Strategie. Damals wollte die Tabakindustrie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf “konkurrierende Risiken” zum Rauchen lenken. Ragnar Rylander, das sei noch angemerkt, stand auf der Gehaltsliste von Phillip Morris und hat den Umfang seines Engagements für die Tabakindustrie jahrzehntelang verheimlicht. Die Geschichte seiner „Enttarnung“ ist ein echter Krimi, nachzulesen in dem Buch von Sophie Malka und Marco Gregori „Vernebelung. Wie die Tabakindustrie die Wissenschaft kauft“, 2008 bei orell füssli erschienen.
Das Editorial schließt mit den Worten: „As the authors of the BMJ and the others journals noted, ‚it is time to cease supporting the now discredited notion that tobacco industry funded research is just like any other research. Refusing to publish research funded by the tobacco industry affirms our fundamental commitment not to allow our journals to be used in the service of an industry that continues to perpetuate the most deadly disease epidemic of our times.’ We fully agree.” Strategie gegen Strategie.
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