Das PEGIDA-Phänomen beunruhigt derzeit die Politik. In der Diskussion fallen viele richtige und manche falsche Sätze. Es ist falsch, dass das „alles Nazis“ sind, das ist eine Problemverdrängungserklärung, so pauschalierend und moralisch billig wie die PEGIDA-Sprüche. Es ist richtig, dass die Initiatoren schillernde Figuren mit dubiosem Hintergrund sind, gegen die PEGIDA eigentlich demonstrieren müsste statt ihnen nachzulaufen. Es ist auch richtig, dass jeder selbst verantwortlich dafür ist, wem und welchen Parolen er hinterherläuft und dass man es deswegen mit der Differenzierung zwischen Anführern und Mitläufern nicht übertreiben muss. Falsch ist wiederum, dass die Auseinandersetzung mit der PEGIDA damit erledigt sei. Und manches ist auch eigenartig.
Eigenartig ist zum Beispiel die Selbstdistanzierung mancher Politiker von den Vorurteilen, die sie vor kurzem noch selbst geschürt haben. Die „spätrömische Dekadenz“, die „Kopftuchmädchen“, Sprüche wie „Kinder statt Inder“ oder „Wer betrügt fliegt“ oder die „Ausländermaut“ waren ja nicht gerade Aufrufe zum Nachdenken. Trotz besseren Wissens zum volkswirtschaftlichen Nutzen der Einwanderung. Klar, Einwanderung bringt auch Probleme mit sich und es kommen nicht nur nette Leute. Multikulti-Romantik funktioniert mit geschlossenen Augen besser. Und auch klar, Politik muss zuspitzen, aber sie muss ihre Spitzen genauso verantworten wie die PEGIDA-Anhänger die Richtung, in die sie marschieren. Ein Teil der Politik hat mit dem Feuer der Fremdenangst gespielt und was sich da in der PEGIDA Ausdruck verschafft, ist auch der politische ermunterte Stammtisch. Die gleichen Ansichten findet man überall in der Republik, nur gehen die Leute nicht überall so zahlreich auf die Straße wie in Dresden. „Das wird man doch noch sagen dürfen“ – jetzt sagen sie es. Sarrazin en gros. Der stille Stumpfsinn oder der öffentliche, ich weiß auch nicht, was da besser ist. So wichtig es ist, sich von PEGIDA zu distanzieren, nötig wäre auch eine stärker integrativ statt selektiv angelegte Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, integrativer mit Blick auf das deutsche Prekariat wie auch mit Blick auf Einwanderer, Flüchtlinge und andere Andere.
Eigenartig ist auch die Art, wie die PEGIDA-Anhänger mit Statistiken und der Presse umgehen. In Sachsen gibt es nicht einmal ein Prozent Moslems. Die Statistiken sind eben gefälscht, sagen die PEGIDANER. Und was die Zeitungen schreiben, darf man aus Prinzip nicht glauben, das sei ja „Systempresse“. Das erinnert an Impfgegner, die auch immer eine Antwort auf jeden Einwand gegen ihre Thesen haben. Die PEGIDANER verweigern die Impfung gegen Populismus, sie versammeln offensichtlich auch die argumentativ Unerreichbaren. Die, die sich nicht verstanden fühlen, weil sie die Einstellungen, die ihnen bei der Bewältigung des eigenen misslichen Alltags so nützlich sind, psychisch entlastend, nicht aufgeben wollen. Und wer will schon wieder eines Besseren belehrt werden, auch wenn es das Bessere ist, wenn man nach dem „Meinungsaustausch“ mit seinen Problemen wieder genauso so allein da sitzt wie vorher. PEGIDA ist auch ein Ausdruck der Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft. Darauf gibt PEGIDA eine genauso falsche Antwort wie die Politik, die sich jetzt so überlaut von ihren Zauberlehrlingen distanziert.
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