Vor ein paar Wochen gab es im „Postillon“ eine – satirisch gemeinte – Meldung, dass in den Verhandlungen mit Griechenland ein Durchbruch gelungen sei – der griechische Finanzminister würde künftig eine Krawatte tragen. Ich glaube, der Postillon hat damit das Niveau, auf dem wir über Griechenland diskutieren, auf den Punkt gebracht. Wir regen uns darüber auf, dass die Griechen ihren Laden nicht in Ordnung bringen, jetzt wollen sie auch noch Reparationen von Deutschland, und ihr Finanzminister zieht nach wie vor keine Krawatte an. So kann es keine neuen Kredite geben.
Dieses Schauspiel wird uns seit Monaten vorgeführt, mit einem hohen emotionalen Beteiligungsmoment, demagogisch wirksam. Mir gefällt der Stil von Yanis Varoufakis auch nicht, er wirkt ein wenig wie früher Jürgen Trittin, zu spöttisch, zu überheblich, man glaubt ihm nicht wirklich. Ich bin nicht einmal sicher, ob er tatsächlich die kleinen Leute vertritt, wie er immer sagt, und nach der unglücklichen Fotostory im Magazin Paris Match bin ich noch etwas unsicherer, die Bilder sind im Kopf. Aber ist das die Bühne, auf die das Griechenlandproblem, oder das Europroblem, gebracht werden darf? Wie wir mit Griechenland umgehen wollen, machen wir davon abhängig, ob jemand eine Krawatte trägt? Oder sympathisch ist? Heute bei Günter Jauch gab es einen neuen Höhepunkt in diesem Theaterstück: Hat Varoufakis 2013 den Deutschen bei einer Veranstaltung in Zagreb wirklich den Stinkefinger gezeigt oder ist das Bild gefälscht, wie er behauptet? Wenn er hier die Unwahrheit gesagt hat, muss er wohl zurücktreten, dann wird dem vorlauten Wirtschaftsprofessor vielleicht wieder ein glatter Rechtsanwalt als Minister folgen, mit Krawatte. Oder am Ende gar ein Offizier mit Helm.
Mich bringt das zu einer Frage zurück, die ich hier schon vor einiger Zeit gestellt habe: Was machen wir aus den Werten den Westens? Im Wort „Kredit“ steckt das „credo“ – vertrauen, glauben, für wahr halten. Wie „kreditwürdig“ sind wir eigentlich? Um welche Werte geht es in den Verhandlungen mit Griechenland, im Poker um die Ukraine, im Umgang mit den Flüchtlingen, den Kriegen in Syrien und im Irak? Oder reicht es schon, dass wir Krawatten tragen? Und noch genug Geld haben?
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