Ähnlich restriktiv formulieren die Berufsordnungen für Ärzte, zudem wird hier noch die Einbindung einer Ethikkommission verlangt:
§ 15 Forschung
(1) Ärztinnen und Ärzte, die sich an einem Forschungsvorhaben beteiligen, bei dem in die psychische oder körperliche Integrität eines Menschen eingegriffen oder Körpermaterialien oder Daten verwendet werden, die sich einem bestimmten Menschen zuordnen lassen, müssen sicherstellen, dass vor der Durchführung des Forschungsvorhabens eine Beratung erfolgt, die auf die mit ihm verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen zielt und die von einer bei der zuständigen Ärztekammer gebildeten Ethik-Kommission oder von einer anderen, nach Landesrecht gebildeten unabhängigen und interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission durchgeführt wird. Dasselbe gilt vor der Durchführung gesetzlich zugelassener Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und lebendem embryonalen Gewebe.
(2) In Publikationen von Forschungsergebnissen sind die Beziehungen der Ärztin oder des Arztes zum Auftraggeber und dessen Interessen offenzulegen.
(3) Ärztinnen und Ärzte beachten bei der Forschung am Menschen nach § 15 Abs. 1 die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes in der Fassung der 59. Generalversammlung 2008 in Seoul niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen.
Wer mehr zu diesem Thema lesen will, insbesondere auch zur Geschichte der Menschenversuche in verschiedenen Forschungsfeldern, dem sei der Sammelband „Menschenversuche“ von N. Pethes, B. Griesecke, M. Krause und K. Sabisch (suhrkamp taschenbuch 2008) empfohlen.
Was folgt aus alldem nun für die Schokodiätstudie? Zu Schaden kam niemand, das sollte die Beteiligung eines Arztes ja gerade sicherstellen. Mit der Beteiligung des Arztes an der „Studie“ ist die Geschichte aber möglicherweise in den Geltungsbereich der ärztlichen Berufsordnung geraten (falls man das Ganze als „Forschungsvorhaben“ versteht), was die etwas eigenartige Situation heraufbeschwört, dass jetzt über die Ethik der Schokodiätstudie diskutiert wird und die Ethik der dünnen Diätstudien in diesem Kontext aus dem Blick zu geraten droht. Einerseits. Andererseits stellt sich natürlich die Frage, ob man es sich nicht zu einfach macht, eine unzureichende Aufklärung von Probanden mit den eigenen guten Absichten zu legitimieren. Auch wenn niemand zu Schaden kam, veräppelt wird sich der eine oder andere Proband wohl schon gefühlt haben. Aus meiner Sicht hätte man die Probanden ohnehin offen informieren können, oder wie bei den Testimonials, die bei arte gezeigt wurden, mit Schauspielern arbeiten können, oder die Daten einfach frei erfinden. Es ging ja letztlich um das Thema Leichtgläubigkeit gegenüber dünnen Studien, nicht um die Gewinnung realer und belastbarer Studiendaten.
Und, letztlich viel wichtiger, was folgt aus alldem für die Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und die Ernährungswissenschaften? Die Fachleute verhalten sich bisher erstaunlich still. Die Ernährung gilt als wesentlicher Einflussfaktor auf die Gesundheit und die Ernährung ist ein wichtiger Zielbereich der Präventionspolitik. Wir brauchen mehr Evidenz in diesem Handlungsfeld, nicht zuletzt mit Blick auf das noch in diesem Jahr in Kraft tretende Präventionsgesetz. Mehr Prävention setzt belastbare Daten voraus, mit dem pauschalen Ruf nach gesunder Ernährung allein ist es nicht getan, diese – natürlich nicht neue – Botschaft der Schokodiätstudie sollte man nicht aus den Augen verlieren.
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Update 9.6.2015: Beim “Mediendoktor“ gibt es neben einem Kommentar zur Studie und der Rolle der Medien von unserem Scienceblogs-Kollegen Marcus Anhäuser auch Links zu einer Reihe von sehr informativen Beiträgen zum Thema, u.a. auch zu einem Kommentar von Hilda Bastian zu den hier angesprochenen ethischen Fragen.
Update 10.6.2015: Ein seltenes Ereignis. Die Bildzeitung streut Asche auf ihr Haupt und hat auf ihrer Internetseite den ursprünglichen Beitrag über die Schokodiät entfernt. Statt dessen ist jetzt dort eine Entschuldigung zu lesen: “Bis vor kurzem stand an dieser Stelle ein Text über eine angebliche Studie, die belegt haben soll, dass Schokolade wie ein Diät-Turbo wirkt. Es hat sich herausgestellt, dass die Studie eine Fälschung ist, weshalb wir den Text aus diesem Artikel entfernt haben. Wir entschuldigen uns für unseren Fehler. Ihre BILD-Redaktion”.
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