Update 11.6.2015: Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Stephan Bischoff, ist heute in der Ärztezeitung mit einem Interview zu medizinischen Maßnahmen der Gewichtsreduktion bei starkem Übergewicht. Die Geschichte mit der Schokodiät kommt leider nicht zur Sprache.

Update 11.6.2015: Der an der Studie beteiligte Arzt hat inzwischen darüber informiert, dass die Teilnehmer vom Fernsehsender für eine Reportage und nicht für eine Studie gecastet und honoriert wurden und dass die Journalisten für die Teilnehmer immer als solche erkennbar waren. Eine wichtige Information bei der Einordnung der ethischen Aspekte.

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Kommentare (13)

  1. #2 Dr. Webbaer
    8. Juni 2015

    Es soll sogar “Bierdiäten” geben, in denen der Proband oder der sich so Übende bevorzugt bis ausschließlich Bier trinkt, um abzunehmen.
    Bei der einen oder anderen “Tonne” könnte eine dbzgl. Diät sogar anschlagen oder angeschlagen haben, wenn bspw. einige Dutzend Kilo Körpergewicht so verloren gingen, wer will hier schon der Richter sein, Nutzen und Schaden betreffend?

    Äh, aber warum sich der Schreiber dieser Zeilen hier noch kurz gemeldet hat: Im WebLog-Artikel war mehrfach die ‘Wahrheit’ zu finden, studien-intendierte Wahrheit, das (Mess-)Vorhaben betreffend, ist hier aber nie gemeint, oder?

    MFG
    Dr. W

  2. #3 Joseph Kuhn
    8. Juni 2015

    Mit “wahrheitsgemäßer Aufklärung” von Probanden ist nur gemeint, dass mitgeteilt wird, worum es geht, was gemacht wird und welche Folgen das haben kann.

    “Bierdiät”: Alkoholiker sind oft mager, weil sie sonst nicht mehr viel zu sich nehmen. Aber ob das eine gesunde Diät ist?

  3. #4 Jürgen Schönstein
    9. Juni 2015

    @Joseph Kuhn

    “…was die etwas eigenartige Situation heraufbeschwört, dass jetzt über die Ethik der Schokodiätstudie diskutiert wird und die Ethik der dünnen Diätstudien in diesem Kontext aus dem Blick zu geraten droht.”

    Genau das ist aber das Probem, das der Bericht selbst verursacht hat. Anstatt den methodischen und ethischen Problemen in bereits publizierten Studien auf den Grund zu gehen, begnügen sich die beiden Doku-FilmerInnen damit, diese Zusammenhänge nur anzudeuten, ohne sie zu belegen – und lancieren dann ein so zweifelhaftes “Fallbeispiel”, das der Sache mehr schadet als nutzt. Wenn ich ein Verschwörungstheoretiker wäre, würde ich vermuten, dass die arte-Leute von der Diätbranche bezahlt wurden, um dieses Ablenkungsmanöver zu produzieren. Als Zeugen der Anklage, sozusagen 😉

  4. #5 Joseph Kuhn
    9. Juni 2015

    @ Jürgen:

    Ja, die “Studie” und der arte-Beitrag bieten völlig unnötige Angriffsflächen. Zum arte-Beitrag hattest Du ja schon Einiges geschrieben, mir ging es hier nur um die bei den Scilogs am Ende aufgeworfene Frage zur medizinischen Forschungsethik, die ich ganz interessant finde – zumal ich keine wirkliche Antwort darauf habe.

    Dass die Schwächen vieler echten Ernährungsstudien nur angedeutet werden, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Gunter Frank, der Arzt im arte-Beitrag, darüber ziemlich viel in seinen Büchern geschrieben hat, man hätte das im arte-Beitrag aber trotzdem ausführlicher behandeln sollen, das sehe ich auch so.

    “Wenn ich ein Verschwörungstheoretiker wäre …”

    … hättest Du hoffentlich eine bessere Verschwörungstheorie. 😉

  5. #6 Karl Mistelberger
    9. Juni 2015

    Die Autoren der “Schokodiätstudie” scheinen 100% ahnungslos zu sein, was das Funktionieren von Wissenschaft betrifft. Ein typisches Beispiel wie sie tatsächlich funktioniert findet sich in der Wikipedia und wird durch Barry Marshalls Vortrag anschaulich ergänzt.

    Mit diesem Hintergrundwissen wäre den Autoren nicht entgangen, dass ihre Studie bei kompetenten Leuten nicht einmal ein Wimpernzucken hervorgerufen hätte. Wenn irgendjemand diese Studie ernst genommen und darin einen substantiellen wissenschaftlichen Gehalt entdeckt hat, dann sagt das bereits alles über seine Kompetenz aus.

  6. #7 Joseph Kuhn
    9. Juni 2015

    @ Karl Mistelberger:

    Ich glaube, mit dieser Einschätzung wird man der Sache nicht gerecht:

    1. Den Autoren ging es zum einen darum, zu zeigen, dass selbst mit einer solchen “Studie” viel Wind zu machen ist. Dass dem so ist, kann man nicht bestreiten, das haben sie erfolgreich demonstriert.

    2. Zum anderen, und das ist das Wichtigere, wollten Sie darauf aufmerksam machen, wie dünn die Evidenzbasis in den Ernährungswissenschaften ist und dass das z.B. auch auf die S3-Leitlinien der Deutschen Adipositas Gesellschaft durchschlägt. Dazu trägt ihr Experiment allerdings nicht so viel bei, weil die Schokodiätstudie zu offenkundig Gemurkse war und das vermutlich/hoffentlich in einem peer review doch aufgefallen wäre. Klar, diese Studie hätte niemand mit etwas epidemiologischem Basiswissen ernst nehmen dürfen. Das ändert aber nichts daran, dass auch im echten Leben recht zweifelhafte Studien durchgehen und manchmal “bei kompetenten Leuten nicht einmal ein Wimpernzucken” hervorrufen. Nicht Neues, auch nichts, was spezifisch für die Ernährungswissenschaften ist, aber auch nichts, was man deswegen nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen sollte, schließlich beruhen darauf auch Behandlungskonzepte.

  7. #8 Karl Mistelberger
    10. Juni 2015

    > #7 Joseph Kuhn, 9. Juni 2015
    > Ich glaube, mit dieser Einschätzung wird man der Sache nicht gerecht: Den Autoren ging es zum einen darum, zu zeigen, dass selbst mit einer solchen “Studie” viel Wind zu machen ist.

    Viel Wind ist eben nur viel Wind und sonst für nichts gut. Journalisten sollten nicht die Windmaschine anwerfen um die von oben geforderten Schlagzeilen zu produzieren, sondern um so gut es ihnen möglich ist die Spreu vom Weizen zu trennen.

    > Klar, diese Studie hätte niemand mit etwas epidemiologischem Basiswissen ernst nehmen dürfen. Das ändert aber nichts daran, dass auch im echten Leben recht zweifelhafte Studien durchgehen und manchmal “bei kompetenten Leuten nicht einmal ein Wimpernzucken” hervorrufen.

    Beim Nachbarn habe ich schon darauf hingewiesen, dass hier ein allgemeines Problem vorliegt: https://scienceblogs.de/geograffitico/2015/06/08/der-schokoladenstudienreport-ein-schlappe-fuer-den-journalismus/#comment-33015

    Zu meiner Zeit, den Siebziger Jahren, war es durchaus üblich, sich bei einer Veröffentlichung zu fragen: Was ist dran? Steht da überhaupt was drinnen und wenn ja, was? Dass alles Gedruckte wasserdicht sei hatte schon damals keiner im Ernst angenommen. Da wurde eben nicht gejammert, dass Käse veröffentlicht wurde, sondern aussortiert, was brauchbar war.

    Bei der seither stark angewachsenen Zahl eingereichter Manuskripte würde der Aufwand sie wie damals rigoroser zu überprüfen die Ressourcen für die eigentliche Forschung deutlich übersteigen.

    Heute jammern gerade die Journalisten gerne darüber, dass sie keiner daran gehindert hat unsinnige Interpretationen unsinniger Veröffentlichungen vorzunehmen und machen noch eine Dokumentation daraus, die im Fernsehen gesendet und im Blog diskutiert wird.

    Eine Anleitung zum Separieren der Spreu vom Weizen wäre auf jeden Fall nützlicher.

  8. #9 Joseph Kuhn
    10. Juni 2015
  9. #10 Karl Mistelberger
    12. Juni 2015

    > #8 Karl Mistelberger, 10. Juni 2015
    > Eine Anleitung zum Separieren der Spreu vom Weizen wäre auf jeden Fall nützlicher.

    John “Johannes” Bohannon schreibt:

    You can thank people like me for that. We journalists have to feed the daily news beast, and diet science is our horn of plenty. Readers just can’t get enough stories about the benefits of red wine or the dangers of fructose. Not only is it universally relevant—it pertains to decisions we all make at least three times a day—but it’s science! We don’t even have to leave home to do any reporting. We just dip our cups into the daily stream of scientific press releases flowing through our inboxes. Tack on a snappy stock photo and you’re done.

    The only problem with the diet science beat is that it’s science. You have to know how to read a scientific paper—and actually bother to do it. For far too long, the people who cover this beat have treated it like gossip, echoing whatever they find in press releases. Hopefully our little experiment will make reporters and readers alike more skeptical.

    https://io9.com/i-fooled-millions-into-thinking-chocolate-helps-weight-1707251800

    Wäre ich zuerst auf diesen Artikel gestoßen hätte ich mir die letzten Beiträge von Meertext, Geograffitico und Gesundheitscheck zum Thema gespart. Man lernt nie aus und macht altbekannte Fehler immer wieder.

  10. #11 Joseph Kuhn
    12. Juni 2015

    @ Karl Mistelberger:

    “Eine Anleitung zum Separieren der Spreu vom Weizen”

    … ist im Grunde nicht schwer, das Wichtigste:

    • Bei Wirkungshypothesen idealerweise ein RCT als Studiendesign, doppelblind (oder gar Metaanalysen von RCTs),
    • ausreichend große Untersuchungspopulation (Fallzahlschätzung),
    • ausreichend lange Beobachtungszeit für die untersuchten Effekte bei Längsschnitten,
    • relevante Endpunkte statt Surrogatparameter,
    • Offenlegung von Interessenkonflikten,
    • das Ganze in der Publikation gut aufbereitet, z.B. Einbettung in den Stand der Forschung, aufschlussreicher Methodenteil, selbstreflexive Diskussion der Limitationen.

    Und wer mehr dazu lesen will, dem sei z.B. die Seite “How to read a scientific paper” beim BMJ empfohlen.

  11. #12 Karl Mistelberger
    14. Juni 2015

    Offensichtlich gibt es ausreichend Ärzte und Journalisten, die wissen was sie tun. Was sie zu sagen haben ist allerdings nicht das was der Kunde nachfragt. Der will genau das kriegen was er hören will.

  12. […] von Gunter Frank, einem eigentlich klugen Kopf, der früher allerhand Gesundheitsirrtümer scharf und manchmal in recht witziger Form kritisiert hat. Bei Corona ist ihm allerdings die Fähigkeit zum kritischen Denken, vor allem zum […]