Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt plant, die Tabakwerbung endlich ganz zu verbieten. Eigentlich sah das schon die WHO Framework Convention on Tobacco Control vor, ein internationales Abkommen, das 2005 in Kraft getreten ist. Aber bei dem Thema stand Deutschland immer auf der Bremse, vielleicht auch deswegen, weil die Tabakkonzerne so nett Feste und Parteiveranstaltungen der großen Parteien gesponsert haben. Gegen die EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot hatte die Bundesrepublik sogar geklagt, natürlich nur, weil man die Zuständigkeit der EU anzweifelte, dem war der Europäische Gerichtshof seinerzeit aber nicht gefolgt.
Im Fernsehen oder in der Zeitung darf inzwischen in Deutschland nicht mehr für Tabak geworben werden, auf Plakaten und im Kino nach 18.00 Uhr nach wie vor. Immer wieder gibt es Streit darum, dass Tabakwerbung unzulässigerweise in der Nähe von Schulen plakatiert wird, oder mehr oder weniger offen Jugendliche anspricht. Damit wäre mit dem Schmidtschen Verbot Schluss.
Die Tabakkobby ist natürlich dagegen. Der „Verband der deutschen Rauchtabakindustrie“ – ein Verband mittelständischer Tabakunternehmen – lässt uns in seiner Pressemitteilung beispielsweise wissen: „Feinschnitt, Pfeifentabak sowie Kau- und Schnupftabak sind legale Produkte für erwachsene Konsumenten. (…) Die Tabakwerbung hierfür dient nicht dazu, neue Raucher zu gewinnen, sondern bestehende Raucher für andere Marken zu interessieren. In einer freien Gesellschaft sollte dies aus grundsätzlichen Erwägungen weiterhin möglich sein. Die erfreulicherweise seit Jahren konstant rückläufigen Zahlen bei Jugendlichen Rauchern zeigen, dass Aufklärung und Prävention den richtigen Weg in Sachen Jugendschutz weisen. Totale Werbeverbote führen in freien Gesellschaften oft zu unerwünschten Trotzreaktionen.”
Zu welchen „unerwünschten Trotzreaktionen“ würde ein Werbeverbot wohl führen? Hängt der Verband dann heimlich nachts Plakate vor dem Landwirtschaftsministerium auf? Oder befürchtet man gar, dass aus Trotz mehr Leute rauchen und der Industrie ein Umsatzplus droht?
Egal. Interessanter ist ein Kommentar, den Guido Bohsem aus der Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen heute zu diesem Thema geschrieben hat. Da liest man, dass es um ein Werbeverbot für ein Produkt geht, das der Minister doch selbst als legal einstufe. Bohsem weiter: „Das versteht kein Mensch. Auch in der Sache trägt Schmidts Vorschlag nichts dazu bei, die Zahl der Raucher auch nur geringfügig zu senken. Da hilft nur beharrliche Aufklärung, geduldiges Informieren und das Aufzeigen von Wegen aus der Sucht.“ Die Kernelemente seiner Argumentation sind die gleichen wie in der oben zitierten Pressemitteilung des Tabakverbands. Dafür bekommt Herr Bohsem vielleicht noch ein Fleißbildchen von der Pressestelle des Verbands.
Werbeverbote für legale Produkte gibt es natürlich auch in anderen Fällen, am bekanntesten sind vielleicht die Einschränkungen bei der Werbung für Arzneimittel. Bei dem Punkt spekuliert Guido Bohsem vermutlich einfach nur darauf, dass keiner über die Sache nachdenkt, oder er hat selber nicht nachgedacht. Regelrecht desinformativ ist aber seine Schlussbemerkung: Das Werbeverbot würde die Zahl der Raucher nicht senken, dagegen helfe nur Aufklärung. Klar, wer schon raucht, der wird wohl nicht wegen eines Werbeverbots damit aufhören. Aber vielleicht geht ohne Werbung mit der Zeit die Verbindung von Tabakkonsum mit Coolness und Genuss in den Köpfen verloren, gerade auch bei den Jugendlichen, die noch nicht rauchen. Davon abgesehen sinkt die Zahl der Raucher dann, wenn das Rauchen in öffentlichen Räumen verboten wird und Zigaretten teurer werden, nachzulesen z.B. im Papier „Tabakprävention in Deutschland – was wirkt wirklich?“ des Deutschen Krebsforschungszentrums. Bestimmt aber nicht durch „beharrliche Aufklärung“ und „geduldiges Informieren“. Auf die Idee, dass ein bisschen BZgA-Werbung allein nicht gegen milliardenschwere Tabakwerbung hilft, könnte man schon deswegen kommen, weil die Tabaklobby selbst so sehr dafür wirbt, es doch bitte bei Aufklärungskampagnen zu belassen. Sie werden wissen, warum. Ob Herrn Bohsem diese Idee gar nicht kam?
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Nachtrag 30.6.2015: Aus der Pressemitteilung des Deutschen Zigarettenverbands DZV zu den Werbeverbotsplänen Schmidts seien auch noch ein paar Sätze nachgereicht: “Erstmals dürfte damit in Deutschland für ein legales Produkt nicht mehr geworben werden. (…) Ein Tabakwerbeverbot hat keinen signifikanten Einfluss auf die Raucherquote und ist als jugendschutzpolitisches Präventionsinstrument offensichtlich ungeeignet.” Nachzulesen, wie gesagt, auch bei Herrn Bohsem. Und sehr schön auch der Hinweis auf die Selbstbeschränkung der Konzerne bei der Werbung: “Ein gesetzliches Verbot würde die erfolgreiche Selbstregulierung der Branche zunichtemachen.” Das stimmt, die wäre dann nicht mehr nötig.
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