Vor kurzem hatten wir hier auf Gesundheits-Check den „Offenen Brief“ der Ökonomen Heiner Flassbeck, Thomas Piketty, Jeffrey D. Sachs, Dani Rodrik und Simon Wren-Lewis an Angela Merkel zum Thema. Sie fordern darin die Bundeskanzlerin auf, ihre Griechenlandpolitik zu überdenken und bringen dabei zum einen vor, diese Politik sei ökonomisch falsch und zum andern, sie habe einen zu hohen humanitären Preis.
Heute ist in der Süddeutschen Zeitung eine Antwort des „Chefökonomen“ des Bundesfinanzministeriums, Ludger Schuknecht, auf den Brief der Ökonomen. Er verweist auf die immer wieder vorgebrachten Argumente, dass Griechenland wettbewerbsfähig auf Augenhöhe mit dem Rest der Eurozone sein müsse und dass die Sparpolitik auch in den anderen Krisenländern, Spanien, Portugal & Co., erfolgreich gewesen sei. Ob sie in den anderen Krisenländern wirklich so erfolgreich war, woran sich „Erfolg“ zu bemessen hat und ob man von einem Erfolg in den anderen Ländern überhaupt darauf schließen darf, dass die Sparpolitik auch in Griechenland funktioniert, darüber streiten die Ökonomen, ich will darauf nicht eingehen, darüber sollen sich die Ökonomen ruhig weiterstreiten, sie verstehen davon mehr als ich.
Interessant an der Antwort Schuknechts fand ich zwei Dinge. Erstens: Er geht mit keinem Wort auf die humanitären Folgen der Sparpolitik in Griechenland ein, einem der beiden zentralen Anliegen des „Offenen Briefs“. Zum andern endet Schuknechts Antwort mit einer griechischen Sage:
„Mein Lieblingsmythos aus der griechischen Antike ist aus der Odyssee und handelt von den betörenden Sirenen, deren Verlockungen ins Verderben führen. Um dem Sirenengesang zu widerstehen, ließ Odysseus sich an den Mast seines Schiffes binden, damit es Kurs halten würde. Den vermeintlich einfachen Lösungen und den falschen Propheten zu widerstehen, sollte Europas Ehrgeiz bleiben.“
Aufschlussreich, dass man sich im Bundesfinanzministerium auf einer Odyssee wähnt, und aufschlussreich, dass man Angst davor hat, beim Hinhören könne man in Verwirrung geraten und daher müsse man unbeirrbar Kurs halten – und der Besatzung die Ohren verstopfen, das fehlt in Schuknechts Geschichte. Wenn die Politik solchen Leitbildern folgt und nicht mehr hinhören will, wird mir ziemlich unwohl.
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