Vor kurzem ist das Präventionsgesetz in Kraft getreten – im vierten Anlauf. Vorher waren drei Entwürfe am politischen Gezerre gescheitert. Das Präventionsgesetz erweitert im Wesentlichen die Leistungen der Krankenkassen in der Prävention nach § 20 SGB V, sowohl vom Umfang her als auch in der Art und Weise der Organisation. Künftig wird eine Nationale Präventionskonferenz eine nationale Präventionsstrategie formulieren, die Krankenkassen müssen mehr als bisher auf die Qualität der Maßnahmen achten und der Erfolg der ganzen Geschichte soll in einem regelmäßig zu erstellendem Präventionsbericht dokumentiert werden.
Mit dem Erfolg ist das so eine Sache, weil viele etablierte Präventionsmaßnahmen zwar plausibel sind (im Fachjargon: sie sind „promising interventions“), aber oft keine oder keine guten Belege vorliegen, dass sie die Gesundheit der Bevölkerung wirklich verbessern („proven interventions“). Dabei sollen die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention natürlich genauso evidenzbasiert sein wie die Leistungen im Krankheitsfall, § 2 SGB V gilt auch für die Präventionsleistungen: „Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.“
Für manche Präventionsleistungen, z.B. Impfungen, gibt es sehr gute Wirksamkeitsnachweise, für andere, z.B. Ernährungsberatungen, sieht es ganz anders aus. Der Erfolg von Präventionsmaßnahmen hängt aber nicht nur von der wissenschaftlichen Evidenz ab, sondern auch davon, was die Leute darüber denken und was sie von der Wirksamkeit der Maßnahmen halten. Dazu gibt es erstaunlich wenig Daten. Wir hatten im letzten Jahr Gelegenheit, in einer Befragungswelle des Bertelsmann-Gesundheitsmonitors, der hier auf Gesundheits-Check auch schon diskutiert wurde, ein paar Fragen dazu mitlaufen zu lassen. Die Ergebnisse wurden im August veröffentlicht, die gesamte Befragung, auch zu den anderen Themen, ist – etwas versteckt – online abrufbar. Ich will hier nur eine Tabelle daraus zeigen, sozusagen als „Geschmacksprobe“:
Es war eine sondierende Studie, mit wenigen Fragen, daher sind die Ergebnisse zwar manchmal in der Interpretation schwierig, aber sie geben dennoch ganz interessante Einblicke in die subjektiven Wirksamkeitsvorstellungen der Bevölkerung. Bei den Impfungen etwa passen die Befragungsergebnisse gut zur wissenschaftlichen Evidenz, bei den Kursen und Beratungen zum Lebensstil scheint sich in der subjektiven Wahrnehmung dagegen eher die Werbung für solche Maßnahmen niedergeschlagen zu haben – hier sind wissenschaftliche Studien viel vorsichtiger mit der Bewertung, was da wirkt und was nicht. Massagen, Bäder und Kneipp-Anwendungen werden in der präventiven Wirkung wohl ebenfalls überschätzt, wenn man an ernste Erkrankungen denkt, aber sie fördern sicher das Wohlbefinden – was für viele Menschen zur Gesundheit gehört. Bei den Umweltzonen hätte man vermutlich konkreter nach der Reduktion von Feinstaub fragen müssen, aber was Umweltzonen derzeit de facto für die Gesundheit bringen, wird auch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert, insofern ist die Sicht der Befragten vielleicht auch hier ganz situationsadäquat.
Manche Ergebnisse waren für mich recht überraschend, z.B. die ausgesprochen positive Bewertung des Arbeitsschutzes. Den sieht man „an der Basis“ offensichtlich keineswegs als lästige und unnötige Bürokratie, möge die Politik es zur Kenntnis nehmen. Auf einen sehr interessanten Befund sei noch hingewiesen (nicht aus der dargestellten Tabelle ablesbar): Ärzten und Apothekern wird bekanntlich im Krankheitsfall ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht wird. Das gilt unserer Befragung zufolge ebenso, wenn es um Informationen zur Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen geht – ein Befund mit hoher Relevanz für das Präventionsgesetz. Dort ist nämlich vorgesehen, dass die Ärzte künftig Präventionsempfehlungen geben sollen. Ich hoffe, man unterstützt die Ärzte durch Weiterbildungsangebote und geeignete Informationstools, damit sie diesem Auftrag auch nachkommen können. Ärzte lernen schließlich im Studium vor allem, wie man Krankheiten heilt, weniger, wie man sie verhütet. Und einen Überblick darüber, wo es wohnortnah qualitätsgesicherte Präventionsangebote gibt, hat derzeit ohnehin niemand. Hier könnte ein anderer Akteur des Gesundheitswesens eine hilfreiche Rolle spielen: die Gesundheitsämter, indem sie regionale Anbieterverzeichnisse aufbauen und pflegen. Aber auch sie müssten dazu erst in die Lage versetzt werden.
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