Gerade ist die Verteidigungsministerin, Frau v.d.Leyen, wegen zumindest unsauberem Umgang mit Quellen in ihrer Dissertation Gegenstand wortspielreicher Kommentare in den Medien. Komisch, nach dem plagiatsbedingten Rücktritt des Freiherrn v.u.z. Guttenberg musste eigentlich den Eingeweihten, vor allem Frau v.d.Leyen, klar sein, dass da eine Bombe tickt, auch wenn die Fälle wohl nicht gleich schwer wiegen.
Nun gut, ob die Arbeit noch als Dissertation durchgeht, weil nur schlampig mit Quellen umgegangen wurde, der Rest aber als medizinerübliche Dissertationsleistung gelten kann, prüft die Medizinische Hochschule Hannover, das bleibt abzuwarten. Mit normalen Maßstäben sind viele medizinische Doktorarbeiten bekanntlich nicht zu messen und es gibt auch andernorts absonderliche akademische Leistungen.
Heute habe ich allerdings in der WELT einen derart abstrusen Kommentar gelesen, verfasst von Alan Posener, dass mir Frau v.d.Leyen fast schon wieder leid tut. Solche Verteidiger hat sie nicht verdient. Herr Posener schreibt Sätze, wie sie keine noch so böse Satire hätte besser bringen können:
„Bei Betrachtung der Vroni-Plag-Analyse fällt auf, dass über die Hälfte der Seiten keine einzige ‚Fremdtextübernahme‘ aufweisen.“ Müsste übrigens „aufweist“ heißen. Eine überzeugende Argumentation. Der Räuber hat an der Hälfte der Wochentage keine Banken überfallen, ein Ehrenmann gewiss.
Weiter: „Dass man bei der Darstellung bisheriger Forschungsergebnisse die Arbeiten von Kollegen mehr oder weniger wortgetreu paraphrasiert, dürfte dagegen Prof. Mesrogli [der Betreuer der Arbeit, JK] weniger interessiert haben.“ Mag sein, aber es hätte ihn interessieren müssen, auf korrektes Zitieren zu achten, gehört zur Betreuung. Und wie bitte paraphrasiert man eigentlich „wortgetreu“?
Am besten hat mir aber dieser Satz gefallen: „Über fragwürdige Dissertationen sind ja schon zwei Merkel-Minister gestolpert. Muss das sein? Politiker sollen ja nicht Wissenschaft, sondern Politik machen können, wozu das Lügen und Blenden nun einmal gehören, etwa das Vortragen von Reden, die andere Leute geschrieben haben.“ Das darf man zweimal, dreimal lesen. Was mit dem Nachplappern von Merkels Bemerkung über Herrn v.u.z. Guttenberg beginnt, sie habe doch keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt, endet in der völligen gedanklichen Verwesung. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Goya).
Historisch freizügig stellt Herr Posener dann noch fest: „In der frühen Bundesrepublik löste der Doktortitel Schmiss und Säuferleber als Nachweis der Zugehörigkeit zur Elite ab.“ Mein Gott, an wen hat er da wohl gedacht? Hermann Göring hatte meines Wissens keinen Schmiss. Und keinen Doktortitel. Und schließlich folgt der finale gute Rat: „Möchtegernpolitikern kann man nur raten, die Finger von der akademischen Arbeit zu lassen.“ Aha. Man könnte ihnen natürlich auch raten, die akademische Arbeit einfach halbwegs ordentlich zu machen, die meisten könnten es ja und Meisterwerke werden nicht verlangt. Ob es bei Frau v.d.Leyen halbwegs reicht, wird man, wie gesagt, sehen.
Nach diesem Kommentar möchte man Herrn Posener, gewissermaßen mit einem Franz Josef Strauß-Plagiat, doch zu gerne fragen: Sagen Sie mal, haben Sie überhaupt das Abitur?
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Nachtrag 4.10.2015:
Gestern hat mich ein aufmerksamer Leser darauf hingewiesen, dass ich Herrn Posener im vierten Absatz Unrecht getan hätte: Man könne den Satz mit der Hälfte der Seiten auch mit dem Verb in der Mehrzahl schreiben. Die im Deutschen geforderte Kongruenz von Subjekt und Verb lässt tatsächlich beides zu. So sei es.
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