Nebenan bei der Skeptikerbewegung ist gerade wieder einmal Thema, dass an den zwei Münchner Universitäten trotz deren Eliteanspruchs auch esoterische Inhalte ein Obdach finden. Diese friedliche Koexistenz von Wissenschaft und Humbug findet man immer wieder, ob man sich den „Binnenkonsens“ der besonderen Therapierichtungen vor Augen hält, der dazu dient, dem gesetzlich verankerten Gebot der Wissenschaftskonformität im Arzneimittelbereich und bei den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Weg zu gehen, oder den Ansatz des Dialogforums Pluralismus in der Medizin der ansonsten ja nicht wissenschaftsfeindlichen Bundesärztekammer.
Ein schönes Beispiel ist auch die geistige Inkonsistenz bei der AOK. Da wirbt man einerseits für die AOK-Faktenboxen:
„Wenn Patienten gut informiert sind, können sie bessere Entscheidungen für ihre Gesundheit treffen. (…) Mit den neu entwickelten Faktenboxen setzt der AOK-Bundesverband hier an. Komplexe Wissenschaft ist so aufbereitet, dass auch Nicht-Fachleute die Informationen gut verstehen.“
Die Faktenboxen sind eine gute Sache. Man hat sie zusammen mit Gerd Gigerenzer vom Max Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin entwickelt, einer Koryphäe bei Fragen des vernünftigen Entscheidens. Gleichzeitig hat die AOK aber, wie die meisten anderen Krankenkassen, kein Problem damit, aus Wettbewerbsgründen auch homöopathische Leistungen zu erstatten. Zur Homöopathie gibt es natürlich keine Faktenbox.
Beim „Armut und Gesundheit“-Kongress im Frühjahr diesen Jahres in Berlin habe ich in einer Session, bei der es um Risikokommunikation ging – und an der übrigens auch Herr Gigerenzer teilnahm – einen AOK-Vertreter, der die Faktenboxen vorgestellt hat, nach diesem Widerspruch gefragt. Die Antwort fiel erwartungsgemäß ausweichend und verständnisheischend aus.
Bei allem Verständnis dafür, dass die Menschen unterschiedliche Ansichten haben und das Leben nicht immer der reinen Lehre folgen kann, in der Wissenschaft ist Pluralismus dort, wo die Dinge eigentlich klar sind, Feigheit vor der Wahrheit. Da lobe ich mir die wiederholt klaren Ansagen des Leiters des IQWIG, Jürgen Windeler, oder des Direktors des Deutschen Cochrane Zentrums, Gerd Antes: Für sie sind Heilslehren wie die Homöopathie Humbug. Punkt. Und schön, dass es zumindest am IQWIG und am Deutschen Cochrane Zentrum derzeit noch keine Binnenkonsens-„Forschung“ zu Homöopathie und Geistheilung gibt.
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