Vor ein paar Tagen hatte ich VW und Griechenland in Zusammenhang gebracht. Im aktuellen SPIEGEL (41/2015) schlägt nun Jan Fleischhauer die Brücke zur chinesischen KP. Hier wie dort gäbe es zu viel „Konsenskultur“. Damit will er das innige Zusammenspiel von Management und Betriebsrat bei VW kritisieren, und versteigt sich zu einem ziemlich absonderlichen Vergleich:

„Wohin die Konsenskultur führt, ist auf jedem Parteitag der chinesischen KP zu besichtigen: endlose Reihen klatschender Leute, die dem geliebten Führer huldigen.“

Keine Frage, es hätte VW bestimmt gut getan, wenn dort rechtzeitig kritisch über die Idee mit der Mogelsoftware gesprochen worden wäre. Aber war das ein Problem von zu viel „Konsens“? Wenn doch die Leute, wie Fleischhauer sagt, Angst hatten? Noch schlimmer: War die Weiße Rose etwa Opfer einer „Konsenskultur“ in Nazi-Deutschland und haben die Dissidenten unter Stalin nur die sowjetische „Konsenskultur“ gestört? So ein Unsinn – ein Beitrag zur feuilletonistischen Nonsenskultur.

Kommentare (6)

  1. #1 BreitSide
    Beim Deich
    5. Oktober 2015

    Nun ja, Teil der Konsenskultur war ja auch, dass auch “die Politik” offensichtlich genau wusste, wie und wo da geschummelt wurde und einfach nicht hinsehen WOLLTE. Also eine noch weiter übergreifende Konsenskultur.

    Und in China läuft ja auch nicht alles so glatt wie es von außen aussieht. Wie bei den berühmten Pekingenten: Oben ganz ruhig, unten wildes Gestrampel. Sind aber auch ganz andere Machtstrukturen…

  2. #2 Turi
    6. Oktober 2015

    Kann man in einer hierarchischen Struktur überhaupt von einer Konsenskultur sprechen? Wenn der Chef sagt: So machen wir es, bleibt dem Untergebenen ja nicht mehr viel Spielraum. Zwar hat man in einem modernen Unternehmen mehr Spielraum als in einer Diktatur, aber wenn von ganz oben eine Anweisung kommt, dann bleiben nur noch Ende des Arbeitsverhältnisses oder Durchführung der Anweisung als Option. Wo findet dann der Konsens zwischen Ingenieur und Management statt?

  3. #3 Dr. Webbaer
    6. Oktober 2015

    ‘Konsenskultur’ ist in der BRD im Jahr 2015 sicherlich ein großes Problem geworden, es wird bei vielen politischen Aussagen oft gar nicht mehr gewusst aus welchem politischen Lager sie stammen, insofern denkt der Schreiber dieser Zeilen gerne bspw. an das Jahr 1975 in der BRD zurück, Brandt war abgetreten, Schmidt grantig und die Opposition bissig.

    KA allerdings warum Fleischhauer bei VW diese Konsenskultur argumentatorisch verwurstet und den KP-Vergleich gezogen hat, vielleicht des Effekts wegen.
    F. ist effekthascherisch.

    MFG
    Dr. W

  4. #4 klauszwingenberger
    7. Oktober 2015

    Vielleicht findet Herr Fleischhauer die Form der Interessenvertretung durch die deutschen Gewerkschaften auch nur etwas zu bräsig. Das hier ist doch gleich viel schwungvoller:

    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/wuetende-demonstranten-stuermen-betriebsratssitzung-von-air-france-13839880.html

  5. #5 Onkel Michael
    https://onkelmichael.wordpress.com/
    14. Oktober 2015

    Da muss ich mich Turi anschließen, ich denke nicht, dass in hierarchischen Strukturen (und VW gehört wie jeder Konzern dazu) eine Konsenskultur herrscht.
    Man kennt das ja aus der eigenen Erfahrung in der Arbeitswelt, man kann Meetings abhalten, einen schönen Konsens unter den Mitarbeitern erzielen, aber gemacht wird das, was der Chef will.
    Ist nur gut, dass ich der Chef bin 😉

  6. #6 Wilhelm Leonhard Schuster
    9. November 2015

    Konsens zwischen Gewerkschaften und Managment in Deutschland.
    Man bedenke, daß beide Seiten, einst, gegen den Abbau
    bzw. die Demontage ihrer Firmen gekämpft haben.

    A bisserl, von jener vernünftigen Denkart, hat sich bis in unsere Tage gehalten.