Zurzeit sind Flüchtlinge und Migrant/innen europaweit das Thema Nr. 1 in den Medien. Dabei geht es nicht zuletzt auch darum, wie sich das Gesundheitswesen auf die aktuelle Situation einstellen muss. Dazu wären verlässliche Daten über die Flüchtlinge hilfreich, die sind im Moment kaum zu gewinnen, weil alles so im Fluss ist, dass die Daten von heute für die Planung von morgen nur noch bedingt brauchbar sind. Dafür sind die Daten von gestern sind immerhin methodisch lehrreich. Lange vor der aktuellen Flüchtlingswelle, im Jahr 2011, hatte Bayern bereits einen Bericht zur Gesundheit von Migrant/innen veröffentlicht. Darin findet sich u.a. dieses Bild, mit dem ich heute im Public Health-Studiengang in München die Studierenden verwirrt habe:
Betrachtet man das erste Säulenpaar, so zeigt sich, dass damals insgesamt etwas mehr Frauen mit Migrationshintergrund geraucht haben als Frauen ohne Migrationshintergrund. Betrachtet man nun die Säulenpaare für die einzelnen Altersgruppen, so ist umgekehrt in jeder Altersgruppe der Anteil der Raucherinnen bei den Frauen ohne Migrationshintergrund höher als bei den Frauen mit Migrationshintergrund – gut, abgesehen von den Frauen im Alter 65 und mehr, da sind es etwa gleich viel, aber in dieser Altersgruppe rauchen ohnehin nicht viele, die können hier mal außen vor bleiben.
Dieses irritierende Phänomen nennt man das “Simpson-Paradoxon“. Es war hier auf Gesundheits-Check schon einmal Thema. Es ist nicht nach der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ benannt, sondern nach dem britischen Statistiker Edward Hugh Simpson, der es bekannt gemacht hat. Wie Wikipedia zu berichten weiß, hatte sich aber Karl Pearson, den viele vom Korrelationskoeffizienten her kennen, schon viel früher damit beschäftigt.
Das Simpson-Paradoxon kann sich bei Daten(dis)aggregationen ergeben, wenn die einzelnen Gruppen mit ihren jeweiligen Merkmalsausprägungen in bestimmten Mengenverhältnissen in die Gesamtgruppe eingehen. Im obigen Beispiel ist es so, dass sich die Gesamtgruppe der Migrantinnen überwiegend aus jüngeren Frauen (die häufiger rauchen) zusammensetzt, während sich die Gesamtgruppe der Frauen ohne Migrationshintergrund stärker auch aus älteren Frauen (die seltener rauchen) rekrutiert. Wenn man die Anteile der Raucherinnen mit und ohne Migrationshintergrund altersstandardisiert, also für die Frauen mit und ohne Migrationshintergrund rechnerisch den gleichen Altersaufbau unterstellt, ergibt sich bei den Frauen ohne Migrationshintergrund eine höhere (altersstandardisierte) Raucherinnenrate als bei den Frauen mit Migrationshintergrund, d.h. das Paradoxon verschwindet. Dass auch die heutigen Gesundheitsprobleme bei den Flüchtlingen durch eine statistische Prozedur zu beseitigen sind, ist dagegen nicht anzunehmen. Hier kommt noch einiges auf das Gesundheitswesen zu.
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