An Weihnachten feiern Christen die Geburt Jesu. Gott schickt seinen Sohn zu den Menschen, um sie zu erlösen. Wie so oft, ist auch dieses Weihnachtsfest überschattet von Bürgerkriegen, Terror, Hunger und anderen menschenverachtenden Geschehnissen. Angesichts der Flüchtlingskrise ist uns das näher gerückt als in den letzten Jahren. Ist das Elend unübersehbar, neigen viele Theologen zu problemtranszendenten, in gewisser Weise jenseitigen Weihnachtsbotschaften, die Trost in der Trostlosigkeit spenden sollen. Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat in diesem Jahr folgende Formulierung gewählt: „In allen Risiken des Lebens, seien es persönliche oder politische, wissen wir, dass wir immer von Gott begleitet und in Gottes guter Hand sind.“
Ich kann mir zwar denken, wie er das begründen würde, würde man ihn fragen, ob er das wirklich glaubt. Vermutlich würde er so etwas sagen wie dass Gott uns das Leid, vor allem das von uns selbst zu verantwortende Leid, nicht nehmen kann, ohne uns zugleich die Freiheit zu nehmen unser Leben selbst zu bestimmen, dass wir aber auch im furchtbarsten Leid seiner Gegenwart gewiss sein dürfen. Irgendwas in der Richtung.
Wenn man an Gott glaubt: Kann man dann auch solche Sätze glauben? Waren die Opfer des Erdbebens von Lissabon – einer wichtigen Etappe der “Theodizee“ – in Gottes guter Hand, die Juden in Auschwitz, die Opfer der medizinischen Menschenversuche der Nazis in Dachau, die Opfer des Völkermords in Ruanda, oder, näher bei uns, die vom NSU kaltblütig ermordeten Menschen? Welchen Sinn macht hier die Formulierung „in Gottes Hand“? Oder müssten moderne Christen, wenn sie schon am Glauben an Gott festhalten wollen, nicht wenigstens den Glauben daran aufgeben, dass in dieser Welt das Wahre und das Gute durch einen allmächtigen und allgütigen Gott zusammengebracht werden? Weil es gottverlassene Orte gibt, und Situationen, in denen wir eben nicht in Gottes Hand sind, das Gottvertrauen eines Dietrich Bonhoeffer in genau einer solchen Situation hin oder her? Weil die Welt nicht auf diese Weise zu einem sinnvollen und vernünftigen Ganzen zusammenzufügen ist?
Eine – nicht mehr ganz neue – Leseempfehlung für die restlichen freien Tage dazu: Susan Neiman: Das Böse denken. Eine andere Geschichte der Philosophie. Frankfurt 2004.
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