Fast konnte man glauben, der Fall Böhmermann hätte sich endlich medial totgelaufen und man würde nur noch irgendwann im Lokalteil einer Mainzer Zeitung das Urteil des Gerichts zu Erdogans Strafanzeige lesen. Falsch. Jetzt hat Erdogan juristische Schritte gegen den Springer-Chef, Mathias Döpfner, eingeleitet. Der hatte sich mit einer „Solidaritätserklärung“ in der WELT am 10.4.2016 an Böhmermann rangeschmissen und sich heldenhaft hinter jedes von Böhmermanns Worten gestellt, das Gedicht auf der WELT-Seite allerdings vorsichtshalber nur in zensierter Form gebracht. Es hat ihm nichts genützt. Ob auch Hallervorden noch dran kommt?

Erdogans Anwalt vergleicht die Medienkritik an Erdogan übrigens mit einer „Massenvergewaltigung“ (!) und betont: „Herr Erdogan ist ein Mensch, und die Menschenwürde ist unantastbar.” Das ist wahr, nur warum ist die Menschenwürde für Herrn Erdogan und seinesgleichen nicht auch dann unantastbar, wenn es um andere Menschen geht, Kurden zum Beispiel, oder kritische Journalisten? Böhmermann: bitte ein Gedicht! Oder wenigstens eine teilgeschwärzte Solidaritätserklärung für Mathias Döpfner!

Kommentare (25)

  1. #1 rolak
    9. Mai 2016

    Fast konnte man glauben

    Aber eben nur fast, Joseph. Einerseits was ist so ein Drama schon ohne mehrere Akte und andrerseits schien es immerhin etwas wahrscheinlich, daß eine Seite noch einen raushaut.

    Die Nummer hat ja auch was von Bugs Bunny vs Yosemite Sam. Serie!

  2. #2 Anderer Michael
    9. Mai 2016

    DIESER PRÄSIDENT

    das ist ein wahrer Held
    ganz allein auf weitem Feld,
    verteidigt er die Männerehre ,
    gegen jede Zensorenschere,
    die da kommt aus einem Land,
    was ihm gab die Hand,
    ihm sagte, er sei ein Freund,
    ihm versprach, ihn zu mögen,
    doch bitterlich enttäuscht,
    sah er nur finstere Umtriebe,
    ohne die versprochene Liebe,
    dafür ordentlich kräftige Hiebe.
    Warum schreit keiner auf,
    gibt es keine Gerechtigkeit mehr.
    Wo sind die Medien,
    die Journalisten, die berichten.
    Au Mist, das war jetzt keine List.
    Im Knast ist sie zu finden, die Journaille .
    Wenn die nicht zu lange gebüßt,
    haben sie Erde von unten geküsst.
    Na denn, lass sein, Herr Präsident.
    Eben kein Sultans Happyend.

  3. #3 Groucho
    9. Mai 2016

    @Anderer Michel,
    vogonische Eltern?

  4. #4 Sockenschuss
    10. Mai 2016

    Ganz ohne Frage: Erdogan ist eine Plage.
    Nein, das sollte jetzt kein Reim sein.
    Mir ist aber das ganze Thema viel zu wichtig um JB immer noch eine Plattform zu geben. Und Döpfner meinte ja nun ausdrücklich, dass ihm das Gedicht kontextunabhängig gefallen habe. Soll er doch mal journalistisches Rückgrat zeigen und sich in der Türkei einem Prozess stellen…
    Wer sich mit der Entwicklung von Pressefreiheit und Bürgerrrechten in der Türkei schon länger beschäftigt, wusste spätestens seit der Ermordung von Hrant Dink und den Reaktionen darauf, wie prekär die Lage wirklich ist.
    Im Moment sehe ich wenig Konstruktives, sondern auf allen Seiten Aufgeblasenheit und Selbstbeweihräucherung. Die wirklich Gefährdeten kommen in der Berichterstattung hierzulande kaum vor.

  5. #5 Chemiker
    10. Mai 2016

    @Sockenschuss

    Soll er doch mal journalistisches Rückgrat zeigen und sich in der Türkei einem Prozess stellen

    Erstens, was geht ihn türkisches Recht an?

    Zweitens, würden Sie ihm dasselbe auf nord­korea­nisch empfehlen, wenn der „Witz“ gegen Kim Chŏng Ŭn gerichtet gewesen wäre?

  6. #6 Dr. Webbaer
    10. Mai 2016

    Tja, da läuft mächtig was schief mit Merkel und dem Türkei-Deal, danke für diesen Artikel!

  7. #7 Alisier
    10. Mai 2016

    Genau, das hat uns noch gefehlt, dass alle Dämme brechen und die Türkei mit Noedkorea gleichgesetzt wird.
    Nur zur Erinnerung: Döpfner war und ist verantwortlich für unsägliche Schweinereien und zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürde. Wenn der Kerl dann meint er müsse auch noch “Ziegenficker” lustig finden, dann soll er das doch denen, die als solche bezeichnet wurden bitte persönlich erklären. Hat er sich redlich verdient.

  8. #8 schorsch
    10. Mai 2016

    @Sockenschuss:

    Die Aufforderung, sich in der Türkei einem Prozess zu stellen impliziert, dass die Türkei ein Rechtsstaat sei.

    Das ist die Türkei, seit der Schreibtischmörder Erdogan dort regiert, ganz gewiss nicht mehr. Die Türkei ist heute ein Staat, in der Willkür, kriminelle Banden und die Gewalt regieren.

    Die Aufforderung, sich dort ‘einem Prozess’ zu stellen, kommt einer Aufforderung zum Selbstmord gleich. Arg geschmacklos…

  9. #9 Dr. Webbaer
    10. Mai 2016

    @ Alisier :

    Sehr mutig diese Frage – ‘Zweitens, würden Sie ihm dasselbe auf nord­korea­nisch empfehlen, wenn der „Witz“ gegen Kim Chŏng Ŭn gerichtet gewesen wäre?’ – als Gleichsetzung der Türkei mit Nordkorea zu verstehen, haha.

    Ansonsten, die BILD ist als Yellow Press sicherlich ein Schweinehaufen, dennoch würde Ihr Kommentatorenkollege von der strafrechtlichen Verfolgung Döpfners eher absehen.


    BTW, wenn Döpfner, der ja der Springer-Witwe sozusagen hörig ist, die wiederum mit Merkel gut kann, sich hier einschlägig und nicht nötig positioniert, liegt dann nicht oppositionelles Verhalten einer Springer-Führungskraft gegen Merkel vor?

  10. #10 Chemiker
    10. Mai 2016

    @Alisier

    Genau, das hat uns noch gefehlt, dass alle Dämme brechen und die Türkei mit Noedkorea gleichgesetzt wird.
    Nur zur Erinnerung: Döpfner war und ist verantwortlich für unsägliche Schweinereien und zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürde.

    Unstrittig: Döpfner ist kein Sympathieträger. Soviel weiß ich auch ohne die Bild zu lesen. Aber er hat Tinte auf den Fingern kleben, nicht Blut.

    In der Türkei läßt Erdoğan das Militär auf kurdische Teen­ager schießen, ein paar Tausend Journalisten sitzen in Haft oder warten auf ihren Prozeß, und den Gezi-Park habe ich auch noch nicht vergessen. Und daß Daesh türkische Waffen geliefert bekommt, ist nur für den Staats­anwalt ein Pro­blem, der es aufdecken wollen.

    War es ernstlich Ihre Absicht, einen Schmieren­journalisten mit einem blutgierigen Diktator gleichzusetzen?

    Nordkorea mit der Türkei gleichzusetzen wäre natür­lich gänzlich falsch; sie haben jedoch die Gemein­sam­keit einer Regierung, die niemand, ins­beson­dere nicht das je­weilige Volk, verdient hat. Und weder Erdoğan noch Kim Chŏng Ŭn kann in seinem eigenen Land vor Gericht gestellt werden, trotz all ihrer Verbrechen, ihrer Korruption und Menschenverachtung.

    Diese beiden Punkte sind mehr als genug, um einen Vergleich (keine Gleich­setzung) zu ermöglichen. Ich halte es schon für reichlich unschön, wenn ein mörderischer Polit­kriminel­ler, der das Rechts­system seines eigenen Landes erfolg­reich per­vertiert hat, in anderen Ländern Prozesse führen kann anhand von Gesetzen, die angeblich die Menschen­würde schützen sollen.

    Die einzigen, die hier wirklich in Gefahr sind und Schutz verdient haben, sind die Türken (vor allem, aber nicht nur, die kurdi­schen Türken). Von denen redet aber keiner, statt­dessen soll unsere Sorge dem Ego ihres Diktators und Unter­drückers gelten.

    Wenn Erdoğan den „Schutz“ eines deutschen Gesetzes gegen die pöhse Journaille zu brauchen glaubt, dann soll er generell deutsche Mensch­en­rechts-Standards in der Türkei ein­­führen. Sonst ist das nur er­bärm­liche, menschen­verach­ten­de Rosinenpickerei.

  11. #11 Adent
    10. Mai 2016

    @Alisier

    Wenn der Kerl dann meint er müsse auch noch “Ziegenficker” lustig finden, dann soll er das doch denen, die als solche bezeichnet wurden bitte persönlich erklären.

    Ist es wirklich nötig nach wochenlanger Erklärung warum dieser Begriff fiel (und vor allem in welchem Zusammenhang) ihn immer noch sinnentstellend zu benutzen?
    Ich vermute fast eine Absicht bei dir dahinter, nur welche?
    Ich fands übrigens auch lustig, genauso wie die neue Titanic. Wenn man das Ganze natürlich willentlich falsch versteht (und auch ohne Konnotation zitiert), dann ist demjenigen (also dir) auch nicht mehr zu helfen.

  12. #12 Alisier
    10. Mai 2016

    Döpfner hat ausdrücklich betont, dass ihm das Gedicht unabhängig vom Kontext richtig gut gefiel, und er “sehr schmunzeln” musste.
    Böhmermann hat meiner Meinung nach zwar als Satiriker komplett versagt, Rassismus oder Ähnliches habe ich ihm aber nie unterstellen wollen.

  13. #13 Alisier
    10. Mai 2016

    Also nochmal:
    vielleicht hatte JB auch im Sinn die Trittbrettfahrer zu entlarven, und deren gab es ausgesprochen viele. Döpfner ist einer von ihnen.

  14. #14 InSekt(en)
    10. Mai 2016

    Von den Reden des Herrn Erdogan in Köln und Wien ganz zu schweigen…

  15. #15 Dr. Webbaer
    10. Mai 2016

    @ Alisier :

    Döpfner hat ausdrücklich betont, dass ihm das Gedicht unabhängig vom Kontext richtig gut gefiel, und er “sehr schmunzeln” musste.

    Jan Böhmermann hat ja nicht nur ein Schmähgedicht bereit gestellt, sondern zeitgleich auch einen gesellschaftlich relevanten Kontext geschaffen, beachten Sie vielleicht das Gesamtkunstwerk:
    -> https://www.bild.de/politik/inland/jan-boehmermann/satire-gedicht-auf-erdogan-nicht-mehr-in-der-mediathek-45151590.bild.html

    Wenn Döpfner eigentlich unnötig Jan Böhmermann beigesprungen ist, könnte dies zumindest zweierlei bedeuten:
    1.) s.o.
    2.) Döpfner hat sich bewusst Jan Böhmermann, der mittlerweile unter Polizeischutz steht, hinzugesellt, um eine Lanze für die Kultur der Satire zu brechen oder für die gewohnte Kultur allgemein.

    HTH
    Dr. Webbaer

  16. #16 Joseph Kuhn
    10. Mai 2016
  17. #17 Gerald Fix
    11. Mai 2016

    @Chemiker
    Nordkorea mit der Türkei gleichzusetzen wäre natür­lich gänzlich falsch; sie haben jedoch die Gemein­sam­keit einer Regierung, die niemand, ins­beson­dere nicht das je­weilige Volk, verdient hat.

    Erdogans Partei gewinnt Wahlen.

  18. #18 Chemiker
    12. Mai 2016

    @Gerald Fix

    Stimmt, aber erst beim zweiten Mal. Und auch dann klappte es nur mit nicht ganz lupen­rein–demo­krati­schen Met­hoden. Wenn nicht gleich ein ganzes Kultur­zentrum in die Luft ge­sprengt wird.

  19. #19 Beobachter
    16. Mai 2016

    Apropos Satire:

    Eben bin ich über das Wort
    “Hakenkreuzschnitzelskandalgeschrei” gestolpert:

    https://www.sueddeutsche.de/medien/satire-ueber-fpoe-erfolge-hakenkreuzschnitzelskandalgeschrei-1.2972098

    ausgehend von:
    https://www.sueddeutsche.de/politik/tv-duell-der-praesidentschaftskandidaten-van-der-bellen-gegen-hofer-oesterreich-oberpeinlich-1.2994935

    Beides lesenswert …
    In Österreich sieht es offenbar (in mehrfacher Hinsicht) auch nicht besser aus als bei “uns”.

    Nur schade um den nun wohl ramponierten Ruf des “Wiener Schnitzels” als kulinarischer Spezialität –
    richtig zubereitet wahrlich ein Genuss und keinesfalls zu verachten … 😉

    • #20 Joseph Kuhn
      16. Mai 2016

      @ Beobachter:

      Sehr schön auch das Strache-Zitat im ersten Link: “Solche primitiven Beschimpfungen, Verhetzungen und Beleidigungen durch ein BRD-Staatsmedium (ZDF) lassen sich die Österreicher zu Recht nicht gefallen!” Nicht nur, dass der betroffene Hund jetzt giftig bellt, während er in der Causa Böhmermann so satireverständig tat (aber da ging es ja gegen die Türken): Die Sprache wäre auch im Schwarzen Kanal Karl-Eduard von Schnitzlers gut gekommen.

  20. #21 Joseph Kuhn
    17. Mai 2016

    Update zum Fall Böhmermann:

    Landgericht Hamburg verbietet Teile des Schmähgedichts. Böhmermann darf sie nicht mehr öffentlich äußern. Ich wusste gar nicht, dass auch in Hamburg ein Prozess lief.

  21. #22 rolak
    17. Mai 2016

    wusste gar nicht

    Tja Joseph, das LG HH ist in gewissen Kreisen beliebt bzw berüchtigt (noch im Lesezeichenbaum aus Zeiten der Klehranlage). Hat sich wohl bis Recepistan herumgesprochen…

  22. #23 Anderer Michael
    21. Mai 2016

    Es ist für mich erstaunlich, dass Böhmermann, wenn er den türkischen Präsidenten satirisch beleidigt, weil er mit Verhaftung von türkischen Journalisten nicht einverstanden ist (der direkte Anlass war ein anderer, aber der Kontext passt zusammen) so viel kontroverse Aufmerksamkeit erfährt. Das Problem ist die AKP, ihr Präsident und ihre (auch in Deutschland )vielen Anhänger.
    Hakenkreuzschnitzelvergleich hier gleichzusetzen bedeutet, Türkei wie Österreich. Das wäre merkwürdige Satire. D.h. nicht, dass man die Schnitzelgeschichte hochkochen lassen sollte, sondern gelassen bleiben, würde ich den Österreichern empfehlen (und bei Gelegenheit die passende Retourkutsche)
    Andere lächeln Provokationen einfach weg.
    Beispiel zu Böhmermann:
    https://www.youtube.com/watch?v=PNjG22Gbo6U
    Rap-Satire “…Ich hab Polizei..”

    Antwort aus der Rap- Szene
    ( Vorsicht TRIGGERWARNUNG: Es kommt das böse Wort Kultur vor)
    http://www.youtube.com/watch?v=sd-bM92nFvA

  23. #24 Anderer Michael
    21. Mai 2016

    Tut mir leid Herr Kuhn
    die direkte Einbindung wollte ich nicht. Manchmal funktioniert es nicht.

    [Edit: kein Problem, ist erledigt, JK]

  24. #25 RPGNo1
    10. Februar 2022

    Der Abschluss der Causa Böhmermann (?)

    Böhmermann scheitert mit Verfassungsbeschwerde zu Erdoğan-Gedicht

    https://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-scheitert-mit-verfassungsbeschwerde-zu-erdogan-gedicht-a-78dbfe59-e0b9-4384-aaa3-853d4389d7cf