… oder besser gesagt, im Erdgeschoss. Dazu gleich mehr. In diesem Jahr wird das Robert Koch-Institut 125 Jahre alt. Es hat sich inzwischen von einem Institut für Infektionskrankheiten zu einem Institut entwickelt, das die Bevölkerungsgesundheit insgesamt in den Blick nimmt. Die großen Surveys des RKI liefern Daten, die in bevölkerungsrepräsentativer Weise sonst aus keiner anderen Quelle verfügbar sind, z.B. zur subjektiven Gesundheit, zum Gesundheitsverhalten oder auch zu bestimmten medizinischen Laborparametern, und das RKI hat in den letzten 20 Jahren eine auch im internationalen Vergleich erstklassige Gesundheitsberichterstattung aufgebaut, die die ganzen Daten in allgemeinverständlicher Form öffentlich bereitstellt. Als in den 1990er Jahren die Public Health-Forschungsverbünde in Deutschland entstanden, hat man zu Recht einen eklatanten Rückstand von Forschung und Lehre zu Public Health in Deutschland gegenüber den angelsächsischen Ländern beklagt – eine Langzeitfolge der Vereinnahmung und Zerstörung der Sozialmedizin durch die Nazis. Dass Deutschland in der Gesundheitsberichterstattung heute internationales Niveau hat, ist vor allem das Verdienst des Robert Koch-Instituts.
Die Gesundheitsberichterstattung des Robert Koch-Instituts wird durch eine beratende Kommission begleitet, in der ich als Ländervertreter mitarbeite. Letzte Woche hat diese Kommission getagt und dabei auch das „Stammhaus“ des RKI am Nordufer in Berlin besucht. Dort gibt es ein kleines Museum, in dem allerlei aus dem Leben Robert Kochs zu bestaunen ist, von seiner Ernennungsurkunde bis hin zu einzelnen Gerätschaften aus seinen Expeditionen. Auch seine Nobelpreis-Medaille ist dort ausgestellt (hinter Glas, daher ist das Foto nicht so schön geworden):
In einem angrenzenden Raum ist ein Mausoleum mit einer Grabplatte an der Wand, dahinter die Urne mit der Asche Robert Kochs.
Leider habe ich vergessen, die Betreuerin des Museums zu fragen, ob das Bestattungsrecht in Berlin das damals überhaupt zugelassen hat. Man darf ja Tote nicht irgendwo bestatten. Aber bei berühmten Menschen hat man in dieser Hinsicht schon immer gerne Ausnahmen gemacht.
Der Besuch des Museums lohnt sich, auch wenn es keine mit moderner Museumspädagogik gestaltete Ausstellung ist, sondern eher einen etwas morbiden Charme hat. Man fühlt sich auch atmosphärisch 100 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Montags ist das Museum von 10.00 bis 16.00 Uhr für jedermann geöffnet.
Über das Leben Robert Kochs und seine bahnbrechenden Entdeckungen in der Bakteriologie kann man sich problemlos im Internet informieren oder eine der Biographien lesen. Gut lesbar und schön bebildert ist z.B. das Buch „Robert Koch. Vom Landarzt zum Pionier der modernen Medizin“ von Barbara Rusch.
Nur eine weniger bekannte Anekdote sei hier erzählt: Ein intellektueller Gegenspieler Kochs war der ebenso bedeutsame Münchner Max von Pettenkofer. Pettenkofer ist so etwas wie der „Vater der Hygiene“ in Deutschland – und darüber hinaus: Sein Institut war vorbildgebend z.B. für die Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in den USA. Mit Koch hatte Pettenkofer einen berühmten und krankheitstheoretisch geradezu paradigmatischen Streit darüber, ob für die Cholera ein Erreger oder die Umweltverhältnisse verantwortlich sind. Pettenkofer war Anhänger der alten „Miasmentheorie“, nach der Verunreinigungen des Bodens bzw. des Wassers die Krankheit verursachen. Wie man heute weiß, hatten in gewisser Weise beide Recht. Ohne Erreger gibt es keine Cholera, aber wie bei praktisch allen Infektionskrankheiten beeinflussen auch andere Faktoren den Ausbruch und den Verlauf der Erkrankung. Karl Kisskalt berichtet in seiner Pettenkofer-Biographie, dass sich Pettenkofer von Koch Cholera-Kulturen schicken ließ, die er in einem Selbstversuch einnahm, um zu zeigen, dass das die Krankheit nicht auslösen würde. Tatsächlich sei außer harmlosen Verdauungsproblemen nichts weiter passiert. Ähnlich verlief kurz darauf ein Selbstversuch seines Schülers Rudolf Emmerich. Ein Argument gegen Kochs Bakteriologie? Kiskalt zitiert den Mitarbeiter Kochs, Georg Gaffky: „Wir haben ihm eine schwach virulente Kultur geschickt, weil wir uns denken konnten, was er vorhatte.“ (Karl Kisskalt: Max von Pettenkofer. Stuttgart 1948, S. 118). Es war eine im wahrsten Sinn des Wortes „heroische“ Zeit für Public Health in Deutschland, was die handelnden Personen angeht ebenso wie ihre wissenschaftlichen Leistungen. Pettenkofer hat übrigens kein Mausoleum im Pettenkofer-Institut, sondern ist auf dem Münchner Südfriedhof bestattet.
Last but not least: Leichen im Keller hat das RKI leider auch in einem anderen Zusammenhang: Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts waren an den nationalsozialistischen Medizinverbrechen beteiligt. Das RKI hat diese dunkle Seite seiner Geschichte durch Historiker aufarbeiten lassen, wer dazu mehr wissen will, dem sei das Buch „Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus“ von Annette Hinz-Wessels (Kulturverlag Kadmos Berlin, 2008) empfohlen.
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