Die Medien berichten gerade, dass der Attentäter von Ansbach bei einem Lindauer Therapeuten in Behandlung war, der weder Arzt, Psychologe noch Psychotherapeut ist, sondern Heilpraktiker. Der Bayerische Rundfunk hat schon vor ein paar Tagen ein Foto des Praxisschilds gezeigt: „Psychotherapeutische Heilpraxis – Axel von Maltitz – Primärtherapeut, Rebirther, Heilpraktiker, Ergotherapeut – Primärtherapie – Rebirthing“ kann man darauf lesen. Auch um die betreuende Einrichtung „Exilio“, für die oder in der oder mit der Herr v. Maltitz tätig ist, gibt es Gerede: das Geschäftsgebaren sei intransparent, der Landkreis Lindau habe daher die Zusammenarbeit schon vor längerem beendet.
Ich kann den Einzelfall nicht beurteilen, weder kenne ich die Aktenlage noch die Beteiligten. Aber man muss sich schon fragen, ob bürgerschaftliches Engagement, das ich Herrn v. Maltitz gerne zugestehen will, ausreichend als Behandlungskompetenz für traumatisierte Flüchtlinge ist. Irgendwelche „Ausbildungen“ bei Gurus der Primärtherapie oder des Rebirthing sind es sicher nicht. Genauso wenig wie eine „Ausbildung“ in der Methode des seligen Samuel Hahnemann, manche Homöopathen heilen ja angeblich Traumata mit Globuli im Handumdrehen.
Das bayerische Kabinett hat als Reaktion auf die Amokläufe der letzten Tage beschlossen, unter anderem die ohnehin geplante Einführung von Krisendiensten in ganz Bayern nun auch wirklich zu finanzieren. Man sollte dabei die qualifikatorischen Anforderungen nicht zu niedrig ansetzen. Mit gutem Zureden und caritativem Mitgefühl alleine ist eine Traumatherapie nicht zu bewerkstelligen. Auch die Betreuung von Angehörigen nach Amokläufen oder Attentaten nicht. Wer das glaubt, der muss sich fragen lassen, warum man 1999 überhaupt das Psychotherapeutengesetz als qualitätssichernde Maßnahme in der Psychotherapie eingeführt hat. Und vielleicht kann man bei der Gelegenheit auch gleich einmal darüber nachdenken, ob der sektorale Heilpraktiker für Psychotherapie 15 Jahre nach dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes noch zeitgemäß ist und warum ihre Zahl ausgerechnet seitdem so zunimmt – Psychotherapie auf zwei Qualitätsebenen war schließlich nicht Sinn der Sache.
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Nachtrag
Bundespsychotherapeutenkammer, September 2015: BPTK-Standpunkt “Psychische Erkrankungen bei Flüchtlingen”
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