Memento mori
Schnapp Austern, Dukaten
Musst dennoch sterben!
Dann tafeln die Maden
Und lachen die Erben.
(Joseph v. Eichendorff)
Der Anfang von Eichendorffs Memento mori ist unstrittig, aber ob die Erben etwas zu lachen haben, hängt heutzutage auch von der Steuerpolitik ab. Derzeit ringt die Bundesregierung wieder einmal um eine Erbschaftssteuerreform. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regierung dazu verpflichtet. Der kritische Punkt im aktuellen Gerangel sind die wirklich großen Vermögen der Firmenerben. Familienunternehmen sollen nicht im Erbschaftsfall durch die Steuerzahlungen beschädigt oder zerschlagen werden, sagen die einen, Steuergerechtigkeit kann die Vermögenden nicht aussparen, sagen die andern. Da geht es dann um Betriebsvermögen, Schwellenwerte, Betriebsfortführungen, Beschäftigungsversprechen usw. – eine schwierige Debatte.
Von den konkreten Streitpunkten und insbesondere der „Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftssteuer“ einmal abstrahiert: Wenn jemand ein großes Vermögen erbt, dann bekommt er das ohne eigene Leistung. Es fällt ihm einfach zu. Von „anstrengungslosem Wohlstand“ hat der selige Guido Westerwelle einmal gesprochen – aber natürlich nicht die Millionenerben gemeint, die familiäre Sozialleistungen beziehen, sondern die Empfänger von staatlichen Sozialleistungen. Wohlstand durch eigene Leistung statt durch feudale Generationenverbindungen ist ein Gründungsmythos der bürgerlichen Gesellschaft. Das Bürgertum hatte in den revolutionären Zeiten des 18. Jahrhunderts seinen politischen Gestaltungsanspruch damit begründet, dass der Wohlstand eines Landes durch freies Unternehmertum und nicht durch das subsistenzökonomische Wirtschaften der adligen Grundherren begründet wird.
Einerseits: Mit großen Erbschaften verzerren die Leistungen der Toten die Chancengleichheit der nächsten Generation. Diese schaffen Wohlstand nicht mehr durch eigene Leistung, sondern besitzen ihn, „nur weil sie dem Klub der glücklichen Spermien angehören“, wie es der amerikanische Milliardär Warren Buffett einmal formuliert hat. Angeblich hat er seine Kinder mehr oder weniger enterbt. Sind hohe Erbschaftssteuern bei großen Vermögen also in unserer Wirtschaftsordnung geradezu geboten, weil sie Verzerrungen der Chancengleichheit reduzieren?
Andererseits: Ein wichtiger Aspekt des freien Unternehmertums ist das Eigentum, sein Schutz gehört ebenfalls zu den Fundamenten der bürgerlichen Gesellschaft. Eigentum, so heißt es, gewährleiste die Freiheit, zu tun, was man will, man sei dann nicht abhängig von Anderen. Aber was bleibt vom Eigentumsrecht, wenn es mit dem letzten Hemd geht, wenn man über sein erworbenes Hab und Gut nicht über die Schwelle des Todes hinweg verfügen kann? Passen hohe Erbschaftssteuern also doch nicht in unsere Wirtschaftsordnung?
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